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hat sie sich nach Vokalisierung der Stammsilbe er
halten, wie in der französischen Seine (Sequana);
bei der von Haus aus gleichnamigen Sieg (§igcma
aus Sequana) dagegen, ferner bei der Schwalm
(Swalmana) und bei der Ohm (Amana, vergl.
Amöneburg) ist sie später abgestoßen worden, wie
eben auch bei der Edev—Adrana.
Woher kommt aber das e für altes a in der
Stammsilbe? Ein eigentliches Umlauts -6 kann -es
nicht sein, denn dieses wird nur durch ein i resp. j
der folgenden Silbe bewirkt. Der Übergang von
a zu e muß also das sein, was wir einen spontanen
Lautwandel nennen. "Wir kommen der Erklärung
erst näher, wenn wir uns die nächstverwandten
Flußnamen angesehen haben. Da treffen wir ein
mal auf streng hochdeutschem Gebiete, in Oberöster
reich, die Atter, welche dem Attersee (althochdeutsch
Atar8eo) den Namen gegeben hat; auch hier ist
eine Endung abgefallen, wie wir bald sehen werden.
Und dann auf niederdeutschem Boden, im alten
Sachsenlande: i. gar nicht weit von der großen noch
eine kleine Eder: bei Eißen nördlich von Marburg;
2. einen bis vor kurzem namenlosen kleinen Wasser
lauf, einen Seitenbach links der Gande unterhalb
Gandersheim, dem die Heimatskundler kürzlich den
alten Namen „Eterna" zurückgegeben haben: rich
tiger wäre Ederna, welche Schreibung sich auch
schon im ii. Jahrhundert findet.
Das Stammwort, welches in Adrana und
Ederna mit einer schweren Ableitung versehen
wurde, in Atter aber nur allein mit einem Vokali
schen Suffix ausgestattet war (germ. Adro), das
früh abfiel, ist ein Beiwort mit der Bedeutung
„rasch, schnell"; althochdeutsch atar, altsächsisch
ador (im Angelsächsischen nur als Adverb ädre
erhalten). Das hat schon der große Altertums
forscher Karl Rüullenhoff erkannt und damit der
Eder ihren deutschen Namen gesichert. Das 6 für
a aber ist eine sächsische Eigentümlichkeit oder viel
mehr eine „ingväonische", weil sie den Sachsen des
Festlandes mit den Friesen und Angelsachsen ge
meinsam ist: soweit die Sachsen von der Unterelbe
nach Süden vorgedrungen sind (in immer mehr sich
verdünnender Nlenge), haben sie, wie von andern
Spracheigentümlichkeiten, Spuren dieser ihnen
eigenen Klangerhöhung des a zu 6 (ä) hinterlassen;
wir haben beides nebeneinander etwa in den Orts
namen Odagsen (Osdageshusen) und Hardegsen
(Heridegeshusen). Da nun ein sächsischer Vor
stoß nur zum Oberlauf der Eder erfolgt ist, dürfen
wir annehmen, daß die Umlautung von Adrana
zu Ederna dort aufkam und sich dann flußabwärts
verbreitete.
Neben dem oberösterreichischen Atter hat aber
unsere Eder (und ihre kleinen Geschwister) noch
einen vornehmen Verwandten im Osten Deutsch
lands: die Ode r!
Eben als mein Ncanufkript an diesem Punkte
angelangt war und ich noch schwankte, ob und in
welcher Form ich den Lesern des „Hefsenlandes"
diese immerhin, wie mir schien, gewagte Hypothese
vorsetzen sollte, erhielt ich von meinem Kollegen,
dem Prager Professor Erich Gierach, einem
der wissenschaftlichen Führer der Sudetendeutschen,
seinen wertvollen Aufsatz „Die Oder" aus der Fest
schrift „Altvater" (anläßlich des 50jährigen Be
stehens der Sudetengebirgs-Vereine 1932), mit
dem er mir auf halbem Wege entgegenkommt und
mir den Nkut und die Stützen gibt, weiter zu
schreiben. Der Einfachheit halber habe ich mich
mehrfach geradezu seines Wortlauts bedient.
Die frühste Erwähnung der Oder finden wir
nicht gar lange nach der ersten Nennung der Eder
bei dem alexandrinischen Geographen und Astro
nomen Ptolemäns; aber hier heißt der Fluß Wia-
dna, und von da einen Weg zu Oder zu suchen,
ist vergebliche INühe. Wir haben es aber auch
nicht nötig, denn bei Flußnamen ist, ganz abgesehen
von den mundartlichen Verschiedenheiten, die wir
bei Rhein—Rhin, Lahn—Löhne, Eder!—Edder ken
nen gelernt haben, echte und rechte Zweinamigkeit
oder ÜÜehrnamigkeit eine ganz geläufige Erschei
nung. Sie kommt nicht nur bei großen Flüssen
vor, wo man sie dann auf die verschiedenen Na
tionen und Sprachen der Anwohner zurückführen
kann (z. B. Donau—Ister), sondern auch bei ganz
kleinen Wasserläufen; so haben wir in Hessen einen
Bach, der vom Kaufungerwalde rechts zur Loste
(Eo8mana) geht und auf seinem kaum eine RÜeile
langen Lauf mit den beiden uralten Namen Notreff
und Wettmann wechselt.
Für die Oder nun treten nach der früh ver
schwindenden Wiadua auf die Namensformen
Odagra, Adora, Oddara, Odora, Odera.
Diese lassen sich zunächst auf eine slawische Form
Odra zurückführen, und ihr würde ein germanisches
Adro („die Schnelle") entsprechen, jenes Wort
also, das wir als die Vorstufe von Atter feststellten
und das in Adrana eine Erweiterung erfahren hat.
Im Slawischen wird das germanische betonte a bei
Herübernahme von Lehnwörtern, Eigennamen usw.
regelrecht zu o, vgl. z. B. Nowgorod, Nowogrod,
deutsch Naugarten.
Vor den Slawen haben in Ostdeutschland über
all Germanen gewohnt, speziell in dem Oderland
Schlesien die Wandalen, und nach dem Abzug der
Hauptmasse dieses Volkes haben die Slawen von
den Zurückbleibenden den Flußnamen Adro mit
lautentsprechender Umformung als Odra über
nommen. Diese Vermutung, auf die ich ganz vor