Full text: Hessenland (43.1932)

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berg neu erbaute Villa überzusiedeln. 1887 er 
warb Henschel noch den im Westen benachbarten 
Peilertschen Felsenkeller hinzu. Nach zahlreichen 
Um- und Neubauten war die Fabrikanlage erheb 
lich erweitert, so 187,3 durch die Hammerschmiede 
in Rothenditmold. Henschel wurde 1868 zum 
Kommerzienrat, 1873 zum Geheimen Kommerzien 
rat ernannt. Den preußischen Erbadel, den Wil 
helm II. ihm zu verleihen beabsichtigte, lehnte er 
wiederholt ab. Während der Kaisermanöver 1878 
war Feldmarschall Graf Moltke Gast im Hause 
Henschel, das noch verschiedene Briefe von ihm 
aufbewahrt. Heuschels Berufung in das preußische 
Herrenhaus erreichte den Lebenden nicht mehr, 
1894 erlag er einer Lungenentzündung. Seine 
Witwe Sophie Henschel wurde Allein- 
inhaberin der Firma Henschel und Sohn, die sie 
mit Unterstützung des Baurats Schaffer mit gro 
ßer Energie weiterführte und ungeschmälert ihrem 
einzigen Sohn Karl übergab. Groß ist die Zahl 
der von ihr geschaffenen TFohlfahrtSeinrichtungen 
für ihre Arbeiter und der Mällionenstiftungen; es 
sei erinnert an die von ihr ins Leben gerufene 
WohnungS-, Kranken- und Kinderfürsorge, die 
Gründung der Lungenheilstätte Oberkaufungen 
(1900), des Krankenhauses vom Roten Kreuz 
( 1908), der Stiftung des Everdingschen Brun 
nens vor dem Rathaus und des Hallenschwimm 
bades. Auch sie hat den ihr dreimal angebotenen 
preußischen erblichen Adel abgelehnt. Sie beschloß 
ihr segensreiches Leben 1915. Von ihren Töchtern 
vermählte sich Erna mit dem späteren, 1913 zu 
Hoof verstorbenen Oberstleutnant Ernst v. Kiecke 
busch, Luise mit dem jetzigen Präsidenten der Land- 
wirtschaftökammer Kammerherrn Alexander von 
Keudell auf Schloß Wolfsbrunn bei Efchwege 
und Elisabeth (*j‘ 1916) mit dem 1914 in Berlin 
verstorbenen Oberstleutnant Paul v. Schelling, 
Sohn des preußischen Iustizministers und Enkel 
des bekannten Philosophen. 
Ihr einziger Sohn Karl Henschel, 1873 
geboren, besuchte die Technischen Hochschulen zu 
Karlsruhe und Darmstadt, trat dann in die unter 
Leitung seiner Nkutter stehende Fabrik ein, deren 
Teilhaber er 1900 wurde. Zwei Jahre zuvor 
hatte er sich mit Wilhelmine Martin, Tochter 
eines Londoner Bankiers, verheiratet. In den 
Jahren 1901 —1904 wurde durch Ankauf von 
Nachbargrundstücken fast die gesamte Anlage des 
2 Vcrkes neu umgestellt. So konnte die Firma an 
dem ungeahnten wirtschaftlichen Aufschwung 
jener Jahre teilnehmen. 1901 hatte Karl Henschel 
das Grundstück des Eistengarthenschen Felsenkellers 
neben der Villa der Mutter erworben und hier 
1903 jenes Haus Henschel erbaut, dessen Abbruch 
als Zeichen der Zeit sich in eben diesen Tagen voll 
zieht. Um von den Rohlieferanten unabhängig zu 
werden, wurde 1904 die Heinrichshütte bei Hat 
tingen erworben. 1909 schloß Karl Henschel eine 
zweite Ehe mit Hildegard v. Scheffer, der in Kas 
sel geborenen Tochter des einer althessischen Fa 
milie angehörenden Kommandierenden Generals des 
ii. Armeekorps Freiherrn v. Scheffer-Boyadel. 
1905 erhielt er den Charakter als preußischer Kom 
merzienrat, 1910 bei der Hundertjahrfeier der 
Firma und gleichzeitigen Vollendung der 10 000. 
Lokomotive wurde er zum Geheimen Kommerzienrat 
ernannt, während ihm die Technische Hochschule zu 
Darmstadt die Würde des Ehrendoktors verlieh. 
1912 wurde er nach dem Ausscheiden der Mutter 
Alleininhaber. Mät gewaltigen Schritten ging es 
vorwärts, in der günstigsten Zeit wurden in Kassel 
jährlich 1200, also täglich 4 Lokomotiven, fertig 
gestellt. Die größten Anforderungen stellte der 
Weltkrieg an die Firma. In den ersten Kriegs 
jahren wurden Munitionöwagen und Geschosse 
hergestellt, darunter auch solche für die „dicke 
Berta", das Stück zu 1400—1500 Goldmark. 
Seit 1917 erfolgte die Anfertigung von Geschützen 
und der Umbau von Beutegeschützen; hierfür 
wurde im Mittelfeld ein neues Werk mit Schieß 
platz errichtet. Erinnerlich ist noch der Besuch des 
letzten Kaisers in der „Henschelei" am 31. August 
1918. Der unglückliche Ausgang des Krieges 
machte ausgedehnte Umstellungen des Werkes not 
wendig, das 1921 die Rechtsform einer G. m. b. H. 
erhielt. Im selben Jahr erfolgte der Abschluß 
einer Interessengemeinschaft mit der Essener Stein- 
kohlenbergwerks-A.G. und der Ankauf einiger 
Erzgruben im Siegerland und in Thüringen. Be 
sonderes Interesse brachte Karl Henschel dem Bau 
von Werkwohnungen entgegen, sodaß heute allein 
in Kassel etwa 1200 Beamten- und Arbeiterwoh 
nungen vorhanden sind. 1911 wurde die Hen- 
schelsche Konsumanstalt gegründet, 1912 der 
Turnverein und die Musikvereinigung der Hen- 
schelwerke. Nach schwerem Leiden raffte der Tod 
1924 den tatkräftigen Mann hinweg. Mät ihm 
sank der einzige männliche Vertreter der 13. Gene 
ration dahin. Aus seiner ersten Ehe gingen zwei 
Söhne hervor, Oskar (1899) und Robert (1900), 
aus zweiter Ehe zwei Söhne, Reinhard (1910) 
und Karl-Anton (1912) sowie zwei Töchter, So 
phie und Maria. 
Der älteste Sohn Oskar Henschel nahm 
als Fähnrich am Weltkrieg teil, arbeitete dann in 
den ^Werkstätten der väterlichen Fabrik, studierte 
in Darmstadt, Mmnchen und Frankfurt, war Vo 
lontär an der Bleichröderfchen Bank in Berlin 
und trat 1924 in die Henfchelwerke ein, wo er
	        
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