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öffnen ließ, um die Gebeine seiner Ahnfrau zn ent
fernen, fanden sich die Siegel unverletzt vor, nnd
der Landkomtnr konnte sich ans diese Weise gegen,
den Vorwurf reinigen, er habe kostbare Steine des
Sarkophags entfernt. Das Geschmeide, das mit
den Reliquien verbnnden war, ließ der Landgraf
dem Orden alsbald wieder zustellen. Als i. I. 1546
der Krieg des Schmalkaldischen Bundes mit dem
Kaiser drohte, wnrde ans Befehl des Landgrafen
der gesamte Kirchenschatz ans die Festung Ziegen-
hain geschafft, nachdem von beiden Seiten ein In
ventar dnrch den Landkomtnr Johann von Rehen
nnd Dr. Johann Eisermann, den späteren ersten
Rektor der Universität, anfgestellt war. Der Orden
mochte damals für seinen Schaß fürchten, aber der
Landgraf schrieb am 7. Juli 1546 an seinen Statt
halter in Marburg: „nnn begeren wir aber der
eleinoter nnd was dero dinge mehr im Teutschen
Hanse seind, gar nicht, sonder damit der eompthnr
nnd das Hans nicht drnmb kommen, so haben wir
dir vorigen nnsern bevelh gethan nnd ist nochmals
nnser bevelh, dn wolles dem eompthnr ansagen, das
er im darinne kein beschwernng mache, das dn die-
selbigen eleinoter gehin Ziegenhain verwahrlich
fhnren lessest; darbei solt dn anch die edelgesteine am
sark nnd was sonst mehr an gnten eleinoten nnd
ziraten im Hanse sein, gleichergestalt gehin Ziegen
hain verwarlich fnren. . . lassen". Als nach Be-
endignng des Krieges i. I. 1548 der Kirchenschaß
znrückg'eliefert wnrde, wnrde am 20. Juli dnrch
den Trappierer, den Zinsmeister nnd den Hans-
marschall des Ordens abermals ein Inventar anf
gestellt, das letzte derartige, das wir kennen. Seit
dem blieb der Orden im ungestörten Besitze des
Schatzes, der in seinen künstlerischen Hanptstüeken,
wie die Vergleichung lehrt, nicht wesentlich vermin
dert worden war, mit Ausnahme der Krone Kaiser
Friedrichs II., von der unten noch die Rede sein
soll. Erst seit der Mätte der achtziger Jahre des
16. Jahrhunderts begann die allmählige Zer
streuung des Schatzes wie der Reliquien, und zwar
dnrch den Orden selbst.
^Während die älteren Anflaßregister sehr knapp
und zum Teil summarisch gehalten sind, gehen die
von 1546 und 1548 etwas mehr ins Einzelne, be
schreiben die Stücke manchmal genauer und sind so
mit für die Forschung von besonderer Wichtig
keit 6 ) Wenn z. B. das Verzeichnis von 1480
das Hanptstüek des Schatzes, den prachtvollen
Sarkophag, nur mit den trockenen Worten auf
führt: „S. Elisabeth im kästen", so beschreibt ihn
das Inventar von 1546 folgendermaßen: „Sankt
6) Ein kritischer Abdruck dieser Inventars steht noch
aus.
Elisabethen sark mit den zwelf aposteln und dreien
großen billen (—Bildern; nämlich Christus, Maria
und Elisabeth) samt einem erncifix mit unser lieben
frawen und S. Iohannessen, und sind die biller
silbern und übergolt mit köstlichem edelgesteins und
sonderlich mit einem schmarakten."
Das erste Kleinod wohl, das für den Kirchen-
schatz gestiftet wnrde, war die goldene Krone, die
Kaiser Friedrich II. bei der Erhebung der Gebeine
der Heiligen dem kurz vorher von Haaren und
Weichteilen befreiten und von dem übrigen Körper
getrennten Haupte am 1.Mai 1236 aufsetzte.
Ein Chronist, Richerius von Senones, berichtet
zwar, der Kaiser habe einen Becher, ans dem er
bei den Mahlzeiten zu trinken pflegte, gestiftet,
und in diesem sei das Haupt untergebracht worden.
Man kann sich nicht gut vorstellen, wie in einem
Becher von gewöhnlicher Große ein menschlicher
Schädel Platz gefunden haben sollte. Da Richerius
von der Krone nichts weiß, die anderen wohlunter
richteten Chronisten aber ihrerseits die Stiftung
eines Bechers nicht erwähnen, und anch die In
ventars keinen Friedrichsbecher kennen, so ist wohl
eine Verwechselung dnrch Richerius anzunehmen.
Im Laufe der Zeit hat nun diese neben dem im
Sarkophage befindlichen Körper besonders ver
ehrte Reliquie allerlei Veränderungen in der Auf
stellung und in der Ausschmückung erfahren. Die
Krone des Kaisers wnrde von diesem unmittelbar
auf den Schädel gesetzt. Später, als man, wie an
zunehmen ist, ein Büstenreliqniar anfertigen ließ,
mag die Krone auf das von Silber getriebene und
vergoldete Bild gestellt worden sein. Im Jahre
1364 wird nämlich berichtet, daß die Vergoldung
des Hauptes mit einem Aufwands von 42 Gulden
und 4 Schillingen Heller erneuert worden sei 7 ).
Dem ^Wortlaute nach könnte dies auf eine Ver
goldung des Schädels selbst gedeutet werden,
spätere Nachrichten indessen lassen eine Umhüllung
vermuten. Das Anflaßregister von 1480 be
schreibt die in einem Schrank nahe bei dem Ab-
schlnßgitter 8 ) aufbewahrte Reliquie folgender
maßen: „Sankte Elizabeth henpt, darnff ein gül
den kröne, nmbefaßt mit perlin und edelstem. Item
ein andere kröne, darboben heldet ein engel mit einer
meirnoiß (NIeernnß). Ane dem henbt ein stlberin
kettin mit 6 ringen nnde Z agnns Dei klein, ein
groiß agnns Dei mit heltnm nnde 2 ernee nnde
3 große korallen Paternoster mit eyn bißnmknanf
(Bisamknanf). Item ein stlberin fuß, dar das
7) W y ß, Ilrkundenbuch der Deutschordensballei
Hessen III Nr. 1046.
8) Dieses Gitter („Gespenge an dem Sarge") wurde
— nebenbei bemerkt — i. I. 1503 ebenso wie die
Küstereitüre mit Mennige und Zinnober rot gemalt.