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Wie das Volk im Alltagsleben denkt und spricht,
in einfachster Form, humorvoll und doch tiefinner
lich, so find auch seine Kunstprodukte. Den Maß
stab einer höheren Aesthetik wird man nicht an
legen können, da dem einfachen Mann oder dem
Volke (im Sinne der Volkslieder) jede Schulung
nach den Grundbegriffen der Poetik fehlt. Und
doch werden wir diesen schlichtesten Erzeugnissen
deutscher Dichtung, die bisher leider viel zu wenig
beachtet wurden, nicht ohne innere Anteilnahme
gegenüberstehen, spiegeln sie doch Wesenheit und
Denkungsart des Teiles der deutschen Natron
wieder, der am engsten mit Heimat und Scholle
verbunden ist und auf dem in der Hauptsache
Schicksal, Leben oder Untergang des Vaterlandes
ruhen.
Im Folgenden werden die Volkssprüche aus
meiner waldeckschen Heimat veröffentlicht, die bis
her für die waldecksche Volksliedersammlung ein
gingen, für die Erkenntnis des Obengesagten wich
tig find und bisher noch nicht gedruckt wurden. Für
frühere Veröffentlichungen dieser Art sei auf die
wertvollen Aufsäße in der Beilage „Mein Wal
deck" der Waldeckschen Landeszeitung verwiesen.
I. Aus Freien Hagen.
a) Ick säl von Friggenhagen
ick äte gerne stief,
siwwen dicke Teller vull,
datt gitt doch watt int liew.
b) Graute Bauhnen stief gekocket
nu nach Braut dertau gebrocket,
nu nach Braut dertau gegetten,
Dat is en richtig Friggenhägener Aeeten.
e) Aeine graute Bauhne is dem Friggenhägener liäber
ose ne Schnute voll Braut. (Affoldern.)
d) Pohl biet Bien,
mit dem Aese no Lippen Miste,
mit derr Nase no de Kerkendäüre.
(Freienhagener Schützenkommando.)
II. Aus anderen Orten.
1. Wäi weiß, wäi weiß, ob's wahr is,
wo Nette sin, sin auch Läse. (Wo Nissen sind,
sind auch Läuse.) (Sachsenhausen.)
2. Michel hätt elutt,
Appel un Beeren sitt eschutt,
wat nu nach drann hänget,
hört d'n Iungenö. (Stormbruch.)
Z. Und wer do pisset uu lät ken Fort,
der död't sin eigenem Leibe to kort.
(Korbach.)
4 ■ De Zeege hätt uff de Bonne geköttelt (Bönne
:= Tenne, Boden.)
un hätt am Austerkauken gemoppelt.
(Sachsenhausen.)
Z. H—vers.
Hinger Handels House
hogget Handels Händerk Holt,
Häfset Hundert Hunde
hinger Hundert Hasen her. (Helmighausen).
5a. Hinger Höhlen House
höjet Höhlen Hannes Holt. (Sachsenhausen.)
6. Langschlöper, Oulenkopp
stäiht ümme nigen Ouhre upp. (Helmighausen.)
7. Schwickerg Karel, Schwein,
sat hingern Dünnen und grein,
kam Schulzen ale Docke
und bit ene in nen kläinen Tein.
8. Gebätsknouken, Gebätsknouken,
de Oöübel fall juch Klumpe kouken
un ji willt se friten.
(Konfirmandenspottlied Helmighausen.)
g. Näppeken up ein Heu,
du häst denn Balg vull Floih,
Näppeken up em Grunde,
du häst den Balg vull junge Hunde.
(Sachsenhausen.)
io. Mühle Mühle male,
de Iungens kostet en Daler,
de Mäkens kostet en Nattenstärt,
sou ville sit se nau nit wert.
(Mädchenspottvers Helmighausen.)
n. Spinn, Mäken spinn,
de Nöüter kümmt dorm,
hiät en blohen Kiddel arme,
will de Spmnemäkeng midde habben.
Spinn, Mäken spinn. (Helmighausen.)
i2. linke funke Rabeschnappe,
tippe tappe Käsenappe,
trille puppe rut. (Sachsenhausen.)
iZ. Tululut, tululut, tululut,
Sugge rut,
Pötteken terbroken,
Miälk gesopen,
tululut, tululut, tululut.
(Schweinehirtenlied Sachsenhausen.)
14. Spinn dicke, spinn dicke,
olle Wieke äin Stücke.
(Finkenruf Helmighausen.)
iZ. Graute Bauhnen un Speck
is en gutt Geleck. (Heringhausen.)
16. Doß, Boß kroup int Loch,
de Döüwel langet dick fräüh genogge.
(Helmighausen.)
17. Puttheuhneken, Puttheuhneken,
wat döist up minen Hoff?
Du plückest alle Bläümeken,
du makest et gar tau gross.
Min Motter wird di kriggen,
min Vatter wird di schlohn
Puttheuhneken, Peuttheuhneken
wie fall di dat ergohn. (Ortlos mitgeteilt.)
18. Fasselobend hikenstik,
sibben Katten biten sick
do kam de alle Bölzer d'r mang
un bitt se olle siwene krank. (Helmighausen.)
19. Fasiel Owend hippelen nipp
siwen Katten biten sick
sprung use Bölzer midden mang
un bit sc olle sibbene krank. (Wetterburg.)