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Bücherschau.
Das Haus Brabant. Genealogie der
Herzöge r. Brabant und der Landgrafen
v. Hessen von Dr. £. Xnetsch. Darmstadt im
Verl. d. Hist. Vereins, (3 Hefte ( 9 ( 7 —- 29 .) 4 °.
Im großen und ganzen weiß inan in Hessen recht
wenig von dem alten Fürstenhause, das über 600 Jahre
bei uns geherrscht hat und nach unserm Volksstamm
seinen Namen trägt. Das ist nicht etwa ein Resultat
unseres demokratischen Zeitalters, sondern das ist
immer so gewesen, weil in den hessischen Schulen (auch
schon vor 1 ( 866 ) sehr wenig Wert auf derartige Kennt
nisse gelegt wurde. Ich bin nicht so optimistisch zu
glauben, daß das Erscheinen eines Werkes, wie des
obenstehenden, daran etwas wesentliches ändern wird.
Dazu ist dieses Werk zu kostbar. Aber seine Resultate
werden doch allmählich Eingang in weitere Rreise fin
den, zumal wenn diese durch populäre Aufsätze und Vor
träge darüber aufgeklärt werden, daß unser hessisches
Fürstenhaus nicht nur eins der ältesten in Deutschland,
sondern wohl überhaupt das älteste Europas ist. Dies
festgestellt zu haben ist nur eins der zahlreichen Ver
dienste, die sich Rnetsch durch sein prächtiges Werk er
worben hat. Die große Arbeit ist noch immer nicht
vollendet, aber schon jetzt kann man sie nur mit der
größten Bewunderung und Hochachtung in die Hand
nehmen. Die bisher erschienenen 3 „Hefte" — es sind
stattliche mit Ilbbelohdes und Hupps Wappenbilder ge
schmückte Bände — behandeln die Genealogie des
alten Stammesgeschlechtes Brabant von 840 bis zum
Aussterben des niederländischen Astes ((406), dann die
hessischen Brabanter bis zu Philipp dem Großmütigen
und schließlich das Haus Hessen-Raffel in allen seinen
Zweigen von Philipp dem Großm. bis zur Gegenwart.
Viele genealogische Stamm- und Ahnentafeln begleiten
den Text, in dem jedes Glied des Hauses (selbst die
totgeborenen Prinzen und Prinzessinnen) mit urkund
lichen Belegen über seine Lebensdaten genau verzeich
net ist. Sogar die natürliche Nachkommenschaft der ein
zelnen Glieder ist mit einer so peinlichen Gewissen
haftigkeit angeführt, daß unserm alten Rurfürsten die
Haare zu Berge stehn würden, wenn er so etwas noch
lesen könnte. (Hat er doch einst um ein paar Haynaus
und Heffensteins willen das alte Hoffmeistersche Buch
dem Feuertod überantwortet.) Was das für die genealo
gische Forschung bedeutet, werden die verstehn, die sich
selber mit Familiengeschichte beschäftigt und von Rn.
gelernt haben, wieviele hessische Familien z. B. von
Landgraf Ludwig II. ihren Ursprung herleiten. In den
Anmerkungen steckt eine geradezu verblüffende Fülle
von Renntniffen und Gelehrsamkeit, wie sie nur jemand
haben kann, der an den «Duellen der historischen For
schung sitzt und sich mit Fug und Recht den Namen des
besten hessischen Genealogen erworben hat. So ist ihm
ein Werk gelungen, auf das Hessen stolz sein kann.
Ph. L.
Rarl paetow, Rlassizismus und Ro
mantik auf Wilhelmshöhe. Raffel (Bären-
reiter-Verlag) ( 929 . (00 Seiten und 52 Abbildungen
auf Tafeln, preis Rarton 4 Mark, Leinen 5.60 Mark.
Wenn der Verfasser, wie er im Vorwort mitteilt,
die Absicht hatte, in seiner Arbeit „den künstlerischen
Erscheinungen aus Wilhelmshöhe in ihren formge-
geschichtlichen Zusammenhängen aus den Grund zu
kommen, sie im Zusammenhang mit den verwandten
Dingen der Zeit darzustellen und ihre Entwicklungsge
schichte aus Wilhelmshöhe zu verfolgen", so darf
gesagt werden, daß er dieser Ausgabe durchaus gerecht
geworden ist. Er hat sein Thema begrenzt durch das
Jahr (763 und die Biedermeierzeit, also die Zeit, wo
Landgraf Friedrich II. seine Neugestaltung auf dem
Weißenstein beginnt und diejenige, wo die Gestaltungs
sülle aus Wilhelmshöhe zu versiegen beginnt. Es
liegt nahe, daß das Schloß, das in seiner Einmaligkeit
als Äußerung klassizistischen Formwillens immer noch
ungeklärte Fragen übrig läßt, und die Löwenburg,
jenes Produkt der Ruinenfreunde, einen breiten Raum
der Behandlung einnehmen; daneben werden aber
auch sämtliche Anlagen, die Wege, Gärten, Teiche
und Wasserfälle des Parkes, die kleineren Zierbauten,
wie Eremitagen, Grotten und Tempel, und schließlich
die Nutzbauten eingehend behandelt und ihre Datie
rung präzisiert. An all diesen Schöpfungen einer ver
schwenderischen Phantasie wird, und das ist das Haupt-
verdienst des Werkes, gezeigt, wie sich in ihnen die
Zeitströmung spiegelt. So bildet dieses Werk, mit dem
sich der junge Raffeler Runsthistoriker erfolgreich ein
führt, eine sehr willkommene Bereicherung der Lite
ratur über die weltberühmten Anlagen. Einige Druck
fehler (wie Seite 48 : (7(7/(8 statt (8(7/(8) dürsten
bei einer Neuauflage beseitigt werden. Besondere
Hervorhebung verdienen noch die zahlreichen Abbil
dungen, die eine ganze Anzahl bisher unveröffentlicher
Stiche und Zeichnungen bringen. Hbach.
Ratender ( 930 .
Da unsere Leser sich die hessischen Ralender nicht
wegen des Ralendariums, sondern wegen ihrer blei
benden Wert behaltenden geschichtlichen und literari
schen Beiträge anschaffen, dürfte auch unsere diesmalige
Besprechung noch nicht zu spät sein. Wir können auch
diesmal wieder über eine ganze Reihe von durchweg
gut illustrierten Heimatkalendern berichten und wollen
wenigstens ihre Hauptbeiträge auszählen. Im hessi
schen Volks kalender ( 37 . Iahrg., Herausg. Fr.
Lllenberg, Verlag Fr. Lometsch, Rassel, 60 pfg.) berich
tet u. a. A. Woringer über den tapferen Rapitän und
späteren Frankenberger Rentmeister Lange, Th. Meyer
über Frankenberg, I. p. über Schwarzenborn, H. M.
über hessische Dorfsitten; den erzählenden Teil be
streitet Heinrich Naumann. — Willi Vesper, der Her
ausgeber des Heimatkalenders für den
Rreis Hofgeismar, darf auch auf den vor
liegenden zweiten Jahrgang stolz fein, dem vor allem
die Zeichnungen von Faust-Hofgeismar sein künst
lerisches Gepräge geben. Aus dem reichen Inhalt wer
den unsere Leser besonders zwei Beiträge des verstor
benen verdienstvollen Heimatforschers F. Pfaff be
grüßen, einmal über Rirche und Schule in Hofgeismar
seit den ältesten Zeiten und dann über das im Rein
hardswald gelegene, an den Rönig der Wilddiebe
erinnernde Strufuskreuz. Hans Grimm, aus dessen
„Volk ohne Raum" ein Reinhardswaldkapitel abge
druckt wird, bringt seine Selbstbiographie. R. v. Baum-
bach schreibt als berufener Renner über die Haus-
inschriften, B. Martin über die Mundarten des Rrei-
ses, v. Stockhausen über den (927 entdeckten Altar der
Hofgeismarer Altstädter Rirche, Willi Vesper bringt
Beiträge zur älteren Gcschichtn Ealdens, R. Poppe
zur «beschichte Schachtens, H. Rreßmann schildert
die Bedeutung der niederhessischen Braunkohlen für
unser Wirtschaftsgebiet, R. Andrae plaudert über