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Dr. Joseph Schneider zu Fulda (1777—1854),
dem verdienstvollen Rhönschriftsteller und Er-
schließer des Gebirges. Der mit dem Ehren
namen „Rhönpapa" ausgezeichnete Mann ist
der Großvater des verehrten zweiten Vorsitzen
den des Rhönklubs Dr. Gustav Schneider. Mit
seiner klaren und umfassenden Schilderung
„Beschreibung des hohen Rhöngebirges" (1816
und 1840) gab er die erste wissenschaftliche Ar
beit über das bisher so wenig bekannte, im
deutschen Vaterlande so verschriene Gebiet.
„Das Land der armen Leute"^) nannte es der
Kulturhistoriker W. H. Riehl im ersten Band
„Land und Leute" seiner „Naturgeschichte des
Volkes" (1853). Gerade durch die Schilderun
gen der Armut und der Genügsamkeit der
Rhönbewohner, der Dürftigkeit der unwirt
lichen Hochflächen wurde für einen guten Teil
des deutschen Lesepublikums die Rhön erst ent
deckt. Dem Dichter Riehl war die Rhön gut
bekannt. Er gehörte ja zu den Schriftstellern,
die ihre Beobachtungen erwandern und er
leben, im eigenen Sehen und Hören an Ort
und Stelle erforschen und so manchem Deut
schen durch ihre seinen Schilderungen erst die
Augen über die Schönheiten seines Landes ge
öffnet haben. Es folgt August Trinius, der
im vierten und fünften Bande seines „Thürin
ger Wanderbuches" (1890) frohe Fahrten durch
die Rordostrhön (Oechsen, Bayer, Rosagrund,
Zilbach, Geba, Hutsberg, Henneberg, Bauer
bach) in seiner oft etwas zu gewollt poetischen
Weise beschreibt. Um zu vergleichen, wieviel
sich für die Rhön und ihre Anwohner seit
Schneider und Riehl geändert hat, lese man die
im Jahre 1924 erschienenen prächtigen Heimat
büchlein „Rhöner Land und Volk" und „Die
Rhön im Wandel der Monate" von Karl
Strauß, dem Schriftleiter der Zeitschrift des
Rhönklubs „Die Rhön".
Die umfassendste Arbeit über die Kultur der
Rhön ist der „Rhönspiegel" von Leopold Höhl.
Trotz seines dreißigjährigen Alters leistet das
Buch noch heute jedem Rhönfreunde und
Rhönbesucher wertvolle Dienste. Hier spricht
ein Mann, der selbst ein richtiger Rhöner.war.
Als katholischer Pfarrer wirkte er im Ulster
grunde und kam so mit dem Volke in innigsten
Verkehr. Freud und Leid teilte er mit ihm.
Während mehrerer Jahrzehnte hat er die Rhön
nach allen Richtungen durchstreift und beson
ders den südlichen Teil gründlich studiert. So
2 ) Auch „Die arme Rhön". Ein Kultur- un«d ©it=
tenbild aus den letzten hunidert Jahren vor dem
Kriege von Julius Oesterreich (1919).
kann er in seinem „Rhönspiegel" eine lebens
frische Schilderung von Land und Leuten geben,
die uns heute noch Freude bereitet. Nachdem
er von der Arbeit der Rhöner (Landwirtschaft,
Flachsbau, Leinenindustrie, Holzschnitzerei,
Vogelzucht usw.) erzählt hat, beantwortet er in
launiger Weise die Fragen: Wie wohnt der
Rhöner? Was ißt und trinkt der Rhöner?
Wie kleidet sich der Rhöner? Dann geht er auf
die Sitten und Gebräuche ein und schildert ein
gehend die Familien-, weltlichen und kirchlichen
Feste. Da ist ja nun vieles heute nicht mehr
so, wie es Höhl beschreibt, denn das früher
sehr einfache Volksleben der Rhön hat sich
neuzeitlich umgestaltet, und damit ist auch
mancher alte Volksbrauch verschwunden. Als
aufrichtiger Rhöner vergißt er bei der Dar
stellung des dörflichenLebens auch dieUntugen-
den seines Volkes nicht, denn sein Buch soll ja
„ein Spiegel sein für die Rhöner selbst, in dem
sie ihr Tun und Treiben in alter und neuer
Zeit beschauen und betrachten, auf daß sie sich
bestreben, was schön und lobenswert an ihnen
ist, recht sorgsam zu bewahren, was aber einen
Schatten auf sie werfen könnte, recht gründlich
zu beseitigen."
Höhls „Rhönspiegel" ist Wegweiser für viele
Rhönschriftsteller geworden. Auch Mittelschul
lehrer Thiel benutzte ihn, als er sein treffliches
Kulturbild „Buchonien" in Karl Hehlers
großem Werk „Hessische Landes- und Volks
kunde" (1904) schrieb. Dieses Buchenland, das
die Täler der Fulda, Haune, Ulster und Felda
einschließen, ist mit seinen bescheidenen Dörfern
und zerstreuten Gehöften der noch recht wenig
bekannte Teil der Rhön. Es ist reich an
malerischen, zumeist bewaldeten Kuppen, von
denen neun wegen ihrer ähnlichen Form vom
Volk „das große Kegelspiel" genannt werden.
Die Bewohner dieses schlichten Erdenwinkels
bezeichnen selbst die Gegend zwischen Landecker
und Soisberg als „der Welt Ende". Auch die
Dichtung hat diese Landschaft stiefmütterlich
behandelt. Wer ihr Volksleben in seiner ur
sprünglichen Frische kennen lernen will, greife
zu den Büchern „Aus einer vergessenen Ecke"
(1911), die der Metropolitan Dr. Werner
Bötte unter dem Decknamen Friedrich Werner
als Beiträge zur deutschen Volkskunde heraus
gab. Unter den Menschen der rauhen Berg
landschaft — das „liebe Rest Waerohld" ist der
Marktflecken Friedewald am Dreienberge —
hat der Verfasser lange gelebt. Er hatte einen
scharfen Blick für den Volkscharakter und eine
tiefe Liebe zum Volk, zu den einfachen Leuten,
von deren Schicksal, harter Arbeit und spür-