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Aufenthalt in Paris mit gutem Erfolge auch der
romanischen Philologie zugewandt. Er sprach gut
französisch und verfaßte eine große Anzahl fran
zösischer Schulbücher. Auf allen kurhessischen Gym
nasien war seine „Französische Vorschule" im Ge
brauche, die den Tertianer rasch und geschickt in
die französische Formenlehre und Syntax einführte.
Dr. Collmann hielt gute Ordnung und stramme
Zucht.
Dr. Karl Ritter lehrte Naturwissenschaften
und besonders Geographie. Er hatte ein Lehrbuch
der Geographie verfaßt, von dem er zu sagen
pflegte: „mein Büchlein hat mich manchen Schoppen
Ol gekostet". Er war in den unteren und mittleren
Klassen wegen seiner Strenge gefürchtet, in Prima
war er umgänglich und freundlich. Mit einer ge
wissen Pedanterie prägte er bestimmte Dinge immer
mit denselben Worten und Fragen so lange ein,
bis sie im Gedächtnis der Schüler festsaßen. So
ist wohl allen seinen Schülern Herkunft, Form
und Definition des Wortes „Horizont" imvergeß
lich geblieben. So habe ich die Produkte der ver
schiedenen Länder, die Einteilung der Alpen, oer
Gesteine, der Vögel usw. bis heute treu behalten.
Zeichenunterricht wurde damals im Gymnasium
nicht erteilt. Dr. Ritter aber hat uns durch die
Anfertigung geographischer Skizzen, namentlich der
deutschen Flüsse, etwas Zeichnen gelehrt. Bei der
Geographie Frankreichs wußte er anschaulich von
französischer Ländergier, Raub- und Plünderungs
sucht zu erzählen, auch von den französischen At
lanten, in denen Frankreichs Grenzen mit blauer
Farbe richtig und klar angegeben, aber in dem
selben Blau, ein wenig matter, bis zum Rhein
vorgeschoben seien, um den Knaben zu zeigen:
soweit müßt ihr Frankreichs Grenzen ausdehnen;
dann ereiferte er sich: Die dummen Kerle! Sie
sollten doch wissen, daß Volks- und Landesgrenzen
mit der Sprachgrenze über den Kamm der Gebirge
laufen. Dr. Ritter war bei seinen Schülern eine
unbedingt anerkannte Autorität. Die Versicherung:
„das ist wahr, der alte Ritter hat's gesagt" ent
sprach dem avrög e(pa der Pythagoräer.
(Schluß folgt.)
Aus der Geschichte einer Kasseler Aubrücke.
(Schluß.)
Letzterem Ersuchen entsprach dann die Polizei-
Kommission, nachdem sie die Hauptstaatskasse benach
richtigt hatte, daß der Freispruch lediglich aus den
oben angegebenen formalen Gründen erfolgt sei,
durch folgende Bekanntmachung im „Wochenblatt":
„Mit Beziehung auf das unterm 6. August 1828
erlassene Verbot und in Übereinstimmung mit Kur
fürstlicher Residenz-Polizei-Kommission, wird hier
mit anderen Personen, als dem Pachter der herr
schaftlichen Fähre aus der Fulda, das Überfahren
über diesen Fluß, soweit derselbe die Karlsaue be
grenzt, gegen eine Vergütung, mag solche gefordert
oder ungefordert gegeben werden, bei einer Strafe
von 5 Talern untersagt. Cassel, am 2. December
1843. Kurfürstliche Residenz-Polizei-Direktion. Ro-
bert"?6 Hartdegen erklärte sich nun bereit, 60Tlr.
Pacht, wie bisher, auch für die folgende Pacht
periode zu zahlen.
Unterdessen hatte bereits am 17. Juni 1843
die Hauptstaatskasse, wie ihr aufgegeben war, dem
Finanzministerium angezeigt, daß am 1. Januar
1844 eine Neuverpachtung der Fähre eintreten müsse,
und um Genehmigung des Pachtvertrags in der
bisherigen Fassung gebeten. Sie erhielt keine Ant
wort. Sie erinnerte am 30. August und am 20. Ok
tober 1843. Endlich am 7. November 1843' erhielt
sie die Ermächtigung, mit Hartdegen zu verhandeln
und, falls er die Fähre zum bisherigen Preise nicht
übernehmen wolle, sie öffentlich auszuschreiben. Auf
die Anzeige, daß Hartdegen zur Übernahme bereit
sei, erfolgte dann am 28. Dezember 1843 die Ge-
26 Der Regierungsrat und vortragende Rat im Mini
sterium des Innern Karl Wilhelm Robert verwaltete
auftragsweise die unbesetzte Stelle des Polizeidirektors.
Von Zolldirekwr i. R. A. Woringer.
nehmigung zum Vertragsabschluß, auf Grund eines
höchsten Reskriptes des Kurprinzen vom 19. dess.
Mts. In Befolgung dieses Reskripts wurde die
Hauptstaatskasse ferner angewiesen, „der Kurprinz-
lichen Hofkasse als Entschädigung für die Benutzung
des einen Bestandteil der Karlsaue und der Oran
gerie nicht ausmachenden Hof-Eigentums, um zu
der Fähre zu gelangen, während der Tauer des
Pachtvertrags jährlich den Betrag von 30 Talern
zahlen und an dem Pachtgelde absetzen zu lassen".
Auf sein Gesuch vom 14. Juni 1843 um Erlaß des
Pachtgeldes für das 1. Halbjahr 1843 erhielt Hart
degen dann am 29. Mai 1844, also nach 111/2
Monat, eine abschlägige Antwort!
Tie Verlängerung des Vertrags für die Pacht-
periode 1847 bis Ende 1849 erfolgte ohne Schwierig
keit, es wurde aber frühere Kündigung vorbehalten
für den Fall, daß wieder eine Schiffbrücke an der
Überfahrtsstelle ausgestellt werden sollte; diese Auf
stellung unterblieb aber. So verblieb es auch in den
folgenden Jahren bis 1856. Da trat ein Ereignis
ein, das zum völligen Ruin des Hartdegen führen
sollte.
Auf Befehl des Kurfürstenwar am 2. uni)
3. September 1856 die mittlere, über die kleine
Fulda führende sog. Naturbrücke abgebrochen wor
den, angeblich wegen Baufälligkeit, die aber ent
weder gar nicht oder doch nur in so geringem Maße
vorhanden war, daß eine Ausbesserung leicht mög
lich gewesen wäre. Damit war der Zugang zur
Fähre gesperrt. Das machte sich sofort im Fährbe-
27 Ter Kurprinz und Mitregent Friedrich Wilhelm
war 1847 seinem verstorbenen Vater, Kurfürst Wil
helm II., in der Regierung gefolgt.