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Hebung verdienen noch die prächtigen, von feinstem
künstlerischen Empfinden zeugenden photographischen
Aufnahmen, die Karl Eberth aus seinem reichen
Archiv heimatlicher Aufnahmen beisteuerte. Auch
diese Ausstellung, deren Grundidee von Professor
B a n tz e r, dem unermüdlichen Vorkämpfer der Er
haltung Heimischer Naturschönheiten, stammt, wird
hoffentlich ihre nachhaltige Wirkung nicht verfehlt
haben. Am Abend sprach Professor Dr. Schaefer
an der Hand zahlreicher Lichtbilder über die „Na
turdenkmäler des Hessenlands"; er zeigte nicht nur,
welche Fülle von Naturschönheiten über unserem
Hessenland ausgebreitet liegt, sondern wies auch
mit herber Kritik darauf hin, wieviel bereits un
wiederbringlich verloren ist. Am dritten Tage
sprachen Professor Dr. Thiele-Dresden über „Hy
giene und Naturschutz", Ministerialrat Fischer-
Berlin über „Landesplanung und Naturschutz",
Dr. Lindner-Berlin über „Stadt und Naturschutz",
Dr. Klose-Berlin über „Die sozial-pädagogische Be
deutung des Naturschutzes". Der vierte Tag brachte
Vorträge von Hofrat Dr. Giannoni-Wien über „Berg
bahnen und Naturschutz" und Dr. Ammann-München
über „Naturschutz und Schule". Als Niederschlag
der Verhandlungen wurden eine Reihe von Ent
schließungen angenommen. Besonders lehrreich wa-
ren dann noch zwei gemeinsame Ansflüge. Der eine
führte zum Sababurger Urwald, wo Schriftsteller
Jde über die Geschichte des Reinhardswaldes und
der Zapfenburg sprach, worauf unter Führung von
Oberforstmeister Dörr das großartige Schutzge
biet besichtigt wurde. Über Trendelburg und den
Schöneberg, wo Lehrer Penndorf in die Geo
logie der hessischen Senke einführte, begab man
sich nach Wilhelmsthal, in dessen Schloß Dr. Blei-
b a u m die Führung übernahm. Der folgende Tag
galt einem Ausflug in das Gebiet der Eddertal-
sperre und des Burghasunger Berges; hier hatten
Prof. Dr. S ch a e f e r und Regierungsrat H e m p e l
die Führung übernommen. Ein hessisches Heimat
fest in der Stadthalle, in dessen Mittelpunkt die
Aufführung von Wilhelm Jdes „Frühlingslied"
stand, bildete den festlichen Abschluß der bedeu
tungsvollen Tagung, die hoffentlich auch in .Hessen
dem Gedanken des Naturschutzes viele neue Freunde
geworben hat.
August.
Wir sitzen gern in weißen Stühlen,
Mit Lehnen wohlig ausgeschweift,
Wenn heiß der Tag der stürmisch kühlen,
Der Wetternacht, entgegenreift.
Die ausgespannten Hände reichen
Den Händen sich zum stillen Bund,-
Wie halbertappte Diebe schleichen
Die Worte sich von Mund zu Mund.
Noch lebt der Wunsch in unsern Träumen
Und facht die zarte Flamme an,-
Ein Lüftchen säuselt in den Bäumen
Und klagt, daß es nicht sterben kann.
Kassel.
Vereint mit uns die Blumen warten,
Wie lange noch das Schweigen hält,-
Zuweilen nur im dunklen Garten
Ein Apfel leist herunterfällt.
Wir sitzen da in stummem Lauschen,
Von tiefer Finsternis bedeckt —
Da grollt es dumpf,- die Blätter rauschen,
Aus ihrem Schlafe aufgeschreckt.
Dann wühlt der Sturmwind in den Hägen
Und zeigt dem Walde seine Macht,-
Dann mit des Hammers Doppelschlägen
Der Donner schreitet durch die Nacht.
Fritz Kölner.
1)0 Jahre Kasseler Kunstakademie.
Iubilaums-Kunst-Ausstellung im Orangerieschloß 192?. Von Dr. Gustav Struck.
2. Die Akademie im Strome der Gegen
wart.
Aufgewühlt, bunt und vielseitig bewegt bietet sich
das künstlerische Leben dar, in das die Akademie heute
richtunggebend und persönlichkeitbildend hineingestellt ist.
Wer durch die drei Abteilungen der Gegenwart wandelt,
der sieht an den auseinander strebenden Strömungen,
den verschiedenartigen Techniken, Auffassungen, Durch
führungen und Darstellungen geschauter und erdich
teter Farbenwirklichkeit den revolutionären Durchbruch
durch veraltete Schönheitskonvention, abgebrauchte Pose
und überlebte typische Bilderfabrikation, den bewußten
Auftrieb zu einer neuen Geistigkeit, die
unter wechselnden Hüllen und Formen allüberall ge
sucht wird.
Fassen wir zunächst die führenden Männer der Aka
demie von heute ins Auge. Scharf heben sich die
künstlerischen Physiognomien der drei Maler von ein
ander ab, obschon sie alle drei Niederdeutsche sind.
Der Rheinländer Georg B u r m e st e r (* 1864), der
älteste von ihnen, kann und will seine Herkunft vom
Impressionismus nicht verleugnen, der sich in einem
Meerbild noch deutlich ausprägt, auch wenn bei ihm
die Verstärkung und Monumentalisierung des Farb
lichen auf eine intensivere Synthese von Form und
Wirklichkeit offensichtlich hinarbeitet. Er malt gern
üppige, vollsaftige, farbensprühende Blumenstücke (Im
Gewächshaus, Amaryllis, Chrysanthemum) oder rei
sende Pracht wie die Obstgärten in Herborn, mit denen
die nüchterne graue Schwere des Bootshafens und
die holzschnittartige Primitivität seiner Pieta eigenartig
kontrastieren. Der Schleswiger Kay H. Nebel
(* 1888), der jüngste und nördlichste, erinnert in vielem
an die kultivierte Naivität des Franzosen Henry Rous
seau. Er verformt und verfärbt wie dieser seine Ge
stalten (Bildnis der Frau), Tiere (braune Pferde tvie
in einen satten grünen Teppich hineingewirkt), Land
schaften (Schwarzwald), Bäume und Blumen zu schim
mernden Phantasiekompositionen eines großen schönen,
oft in den gleißenden samtenen Farbstufungen, ge-