Full text: Hessenland (39.1927)

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Die Rinteler Verpflegungskommission hatte die 
Koster: der Besetzung vom November 1806 bis April 
1807 auf 96 273 Taler 34 Groschen 3 Heller be 
rechnet, aber diese den Franzosen angegebene Summe 
war absichtlich zu hoch gegriffen, um sie bei der 
geforderten Kriegskontribution in Gegenrechnung 
bringen zu können. In einem Bericht an den 
Kurftirsten wurde der wirkliche Schaden der Graf 
schaft auf nur 54 453 Taler berechnet. Nament 
lich bei den Demolitionskosten hatte man über 
trieben und 33 521 Taler statt 1413 Taler ein 
gesetzt. Diese starke Übertreibung in den offiziellen 
Schadensberechnungen hatte denn auch zur Folge, 
das; die Franzosen in Betreff der von dein Inten 
danten Sicard geforderten Kriegskontribution von 
333 000 Talern mit sich reden ließen. Es war dies 
der auf die Grafschaft Schaumburg entfallende An 
teil der Gesamtkontribution von 6 Millionen, die 
Napoleon Kurhessen auferlegt hatte. Obwohl nun 
die Franzosen in den öffentlichen Kassen der Graf 
schaft nicht viel Geld gefunden hatten — nur in 
der von de Mellet beschlagnahmten Universitäts- 
rentereikasse war eine mäßige Summe gewesen — 
so war doch angesichts der Klagen der schaum 
burgischen Regierung von einer Beitreibung der 
geforderten Kontribution „vor der Hand nicht wei- 
ter die Rede". 
Übrigens war auch ohnedies und abgesehen von 
den erwähnten Übertreibungen der durch die Okku 
pation erfolgte uraterielle Schaden recht erheblich, 
und die Regierung in Rinteln sah sich genötigt, zwei 
Fräuleinsteuern 2 zu 7177 Talern 12 Groschen und 
eine zehnmonatige Extrakontribution von den Äm 
tern zu erheben. Die schäum burgischen Stünde be 
willigten eine Kriegssteuer von 20 000 Talern und 
eine Anleihe von 4700 Talern. 
In der Verwaltung hatte die Besetzung im all 
gemeinen keine großen Veränderungen zur Folge. 
Alle Kassen wurden zu einer Generalkasse vereinigt, 
die der Regimentsquartiermeister H a s s e n k a m p 
vom Regiment v. Biesenrodt verwaltete. Die Lei 
tung der Regierung in Rinteln besorgte der Ober 
kammerrat Wilh. Schwarzenberg, dem der 
Forstmeister v. Apell und der Advocatus fisci 
Schräder zur Seite standen. Zur Vertretung 
der schaumburgischen Interessen wurde als Re 
gierungsmitglied der Professor C h r i st i a n Wie 
de r h o l d s nach Minden abgeordnet, der sich seiner 
Aufgabe mit Geschick entledigte, wobei „sein eifriges 
Bestreben nur dahin gerichtet war, die bestehende 
Landesverfassung und allenthalben eingeführte gute 
Ordnung zu erhalten" (Bericht Schwarzenbergs an 
den Kurfürsten). Die preußischen Beamten zeigten 
nämlich durchaus nicht „die Humanität gegen die 
hiesige Regierung und das Land, die man billig er 
warten sollte", sondern suchten möglichst Einfluß 
- Ursprünglich nur eine Abgabe zur Aussteuer einer 
zu verheiratenden hessischen Prinzessin, wurde diese Be- 
zeichnung auch auf alle extraordinären Steuern über 
tragen. 
b Der spätere kurhessische Justizminister (h 1832). 
auf die hessische Verwaltung zu gewinnen und ihre 
Lasten auf hessische Kosten zu erleichtern. So wur 
den die Salzwerke des Amtes Rodenberg „der hie 
sigen Administration entrissen" und der Spezial 
direktion des preußischen Kammerpräsidenten v. 
Hövel übertragen. Ein preußischer Salzwerkbe 
dienter aus Berlin besichtigte die Salinen und ent 
warf einen neuen „Beitreibungsplan", der aber 
nicht zur Ausführung gelangte. Mit den Bergwerken 
wurde preußischerseits eine gleiche Einmischung ver 
sucht; „allein mit Hilfe der gräfl. lippischen Diener 
schaft, denen sehr daran gelegen war, die alte Ver 
fassung beizubehalten, wurde dieses hintertrieben,, 
so daß das gesamte Bergwerk in völliger Activitüt 
und nicht das Geringste geändert worden ist". 
Ganz besonders gefährdet war das Bad Nenn 
dorf, die junge Schöpfung des vertriebenen Kur 
fürsten. Schon in den ersten Tagen der Okkupation 
kamen mehrere holländische Militärärzte nach Rin 
teln und verlangten die Einrichtung eines Lazaretts 
für 300—400 Mann, wozu Nenndorf das Ameu 
blement hergeben sollte. Trotz aller Gegenvor 
stellungen und Bitten mußte der Befehl gegeben 
werden, das entsprechende Mobiliar nach Rinteln 
zu schaffen. Am selben Tage, da diese Sachen auf 
vielen Wagen verpackt ankamen, gelang es dem 
Professor W i e d e r h o l d, der in dem General 
Daendels einen ehemaligen juristischen Kollegen 
entdeckt^ und sein Vertrauen gewonnen hatte, die 
sen zu überzeugen, daß die geplante Maßregel un 
fehlbar den völligen Ruin des Bades bedeuten 
würde; denn kein Kurgast werde die in einem 
Lazarett verseuchten Betten wieder benutzen wollen. 
In: allerletzten Augenblick erhielt der Oberkammer 
rat Schwarzenberg von dem holländischen 
General die erbetene Gegenordre. „Es war schon 
Abends 8 Uhr" berichtete er später an den Kur 
fürsten, „ich eilte selbst an die Weser, wo jenseits 
schon mehrere Wagen angekommen waren, ließ 
keinen übersetzen und schickte sogleich mehrere Boten 
aus, um den Rücktransport zu bewürken. Es war 
ein finsterer mit anhaltendem Regen begleiteter 
Tag und kein Ort vorhanden, die verpackten Wagen 
unterzubringen. Tie Dienstwagen mußten daher die 
Nacht durchfahren. Hier haben dann in eben dieser 
Nacht aus der Chaussee über 100 fremde Wagen 
mit Fourage und andern Erfordernissen für die 
Armee gehalten, und deren Begleiter, besonders 
Fremde, haben wahrscheinlich unter Begünstigung 
der schlechten Witterung und der Finsterniß 5 Ma 
tratzen, 3 Unterbetten, 15 Pfühle, 23 Kissen, 20 
cattunene und 63 wollene Decken entwandt, ein 
nicht unbeträchtlicher Verlust für das Bad." Trotz 
aller polizeilichen Recherchen und Haussuchungen 
kam von den gestohlenen Sachen nichts wieder zum 
Vorschein als nach mehreren Wochen ein einziges 
Kissen, das der Dieb — wohl aus Furcht vor Ent 
deckung — in der Nacht heimlich vor das Badehaus 
gelegt hatte. 
4 Daendels war vor dem Antritt seiner politisch 
militärischen Laufbahn Advokat gewesen.
	        
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