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Doch zeitig, fröstelnd ivälzen sich Winternebel
heran.
Ter Mann ist säumig, unbeständig; im For
dern eifriger als im Gewährenlassen . . .
Dein Haus zum Heim zu wandeln, fehlt's an
allen Ecken.
Die Last der Nahrung liegt auf dir.
Die Kinder zehren zu hart au deinen Kräften
iimb vergelten, dem Vater nachgeartet, Mutter
sorge mit Entfremdung.
Kleinliche Plagen in Menge, schließlich gar
Krankheit umwölken deine Straße.
Vorzeitig entblättert starrst du wie ein kahler
Baum im Spätsommer, der schon sein Laub ver
lor, ehe er dessen bewußt gewesen, mitten unter
noch üppigen Kronen des Hains.
Zermürbt, verlebt mühst du dich weiter, bis
deine Brut flügge geworden und ausgeflogen.
Leer geplündert bleibt ihr Alten zurück.
Dann pflegst du wohl den mürrischen Mann
zu Grabe, und, nur geduldet im Haushalt irgend
eines Kindes oder Schwiegerkindes, ersehnst du
dein Ende, das dir spät nach eitel Mühsal, Qual
und Schmerzen und spärlicher Freude gedeiht, ein
farbloses Leben besiegelnd, das seinem Keime nach
alles werden, zu hoher Vollendung reifen konnte,
hätt es den rechten Wurzelgrund erbohrt, — und
das nun in Nichts zerfloß. —
Wie drückt mich diese Voraussicht!
Ich wünsche dir nichts von dem, was mir
schwant.
Doch fürcht' ich, es möchte sich unversehens
ähnlich wenden.
Denn die gemeine Regel gilt tausendmal für
eine gesegnete Ausnahme wider sie.
O, wenn ich wüßte, wie ich dir helfen könnte!
Wenn ich verpflanzen dich dürfte, mit Ballen
und Stamm und Blatt und Blüte, in einen Garten,
wo edle Menschenknospen Umhegung fänden!
Wo alles, was uralten, werten Erbes Sonnen
siegel auf der Stirn trägt, geborgen wäre und
nach ihm innewohnendem Gesetze sich offenbaren
und auffalten könnte!
Wo es Befruchtung empfinge, die ihm gemäß,
ans daß es in seinen Sämlingen einen Grund zul
neuen, schöneren Wachstums-Welten schüfe!
Ja, Mädchen, wenn ich dein lichtes Haupt, von
deinem freidigen Wüchse getragen, erschaue, so kann
ich nicht stille schweigen und dich dem trostlosen
Ungefähr überlassen; so darf ich nicht müßig stehen,
das Unzulängliche schleichend dich verstricken zu
sehn. . .
Ich will mich aufmachen und ein Land er
kunden für dich und deinesgleichen!
Will suchen ein Reich, wo solche wie du nach
ihrem Anschein und Gehalt erkannt, wo sie zu
dem beflügelt werden, lvas ihnen zu erreichen be
stimmt ist!
Eine Burg für das unschätzbare Kleinod deiner
erbschweren, keuschen Jungfernschaft, auf daß sie
nicht dem blinden Zufall verschleudert werde gleich
einem Spielwerk, Tand oder Ware des Marktes!
Wo sie den Einen, der ihrer würdig, fünde,
der ihrer verborgenen Sehnsucht Stern, der sie er
kennt und zum Höchsten weiht, dess' sie mächtig:
zur Mutter von Helden, von Heiligen und Götter
söhnen!
Eine Feste der reinen Zeugung, der unbefleck
ten Empfängnis, ivo nicht die Narren, die Taug-
und Tngendlosen, die Ungewillten, die nur ums
Glimmen ihrer geringen, dunstigen Lüftchen bangen,
beladen iverden mit dem Werke aller Werke: lust
vollem Gebären, das sie verabscheuen, das sie fürch
ten, weil sie wohl fühlen, daß sie nichts weiter
zureichen haben ins Dämmer der Zukunft, und
ihresgleichen nichts bedeuten fürs ewige Sein!
Suchen will ich für euch, ihr wahren Erden-
kinder, heil an Seele und Leib, den Hort des
strömenden Lichtes, der schöpfrischen Liebe, des
himmelanstürmenden Lebens, empor, empor über
Nacht und Bosheit und Tod zum lebendigen Gott!
Und hab ich dies Land gefunden, dann will ich
vor dich treten, Mädchen, und dich freundschaft
lich bitten, daß du die Füße dorthin lenken mögest.
Tu wirst zwar nicht begreifen, was es soll, und
ivas da deiner wartet, allein du wirst deni werbenden
Rate vertrauen, den eine innere Stimme in dir
mit Macht bekräftigt.
Und kommst du ans Ziel, dann wird ganz leise,
zaghaft, allmählich deine wahre Seele erwachen,
ein Schauspiel, ergreifender als Aufgang der Mor-
genröte!
Du wirst erfassen, was du bist, was in dir liegt,
und was du aus dir bewegen kannst!
Du wirst Ja sprechen zu deinem Geschick, und
wenn es das Schwerste fordert.
Du wirst es so schlicht und ivillig auf dich
nehmen und tragen wie einst deine Knechtschaft!
Tu wirst Vollkommenheit des Weibtums schmek-
ken und den Gipfel seines Glückes in Wahrheit
erklimmen, und segnen, die dich geleitet haben
aus trübem Dunkel hinaus in den Tag ganzer
Menschlichkeit! —
Ich grüße dich, Tienstmagd, heut noch in dump
fer Niedrung.
Einst sollst du frei und groß über Höhen schreiten,
Magd Gottes!
♦ Vergilbten Blättern nacherzählt von Martin Otto Johannes.
Ein Mensch ist nur das Gliedchen einer unaus- nach ihm ab; dann ist seine irdische Spur ans
denkbar langen Kette, die sich aus dem Dämmer der gelöscht wie der Tritt einer Lerche im Wegstaub,
Urzeit herauf durch das Licht der vergehenden wenn der Wind ihn verweht hat. Bald leitet sie
Tage schlingt. Bald reißt sie mit ihm oder kurz ohne Lücke und Ende weiter; dann vermag des