Full text: Hessenland (39.1927)

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Doch zeitig, fröstelnd ivälzen sich Winternebel 
heran. 
Ter Mann ist säumig, unbeständig; im For 
dern eifriger als im Gewährenlassen . . . 
Dein Haus zum Heim zu wandeln, fehlt's an 
allen Ecken. 
Die Last der Nahrung liegt auf dir. 
Die Kinder zehren zu hart au deinen Kräften 
iimb vergelten, dem Vater nachgeartet, Mutter 
sorge mit Entfremdung. 
Kleinliche Plagen in Menge, schließlich gar 
Krankheit umwölken deine Straße. 
Vorzeitig entblättert starrst du wie ein kahler 
Baum im Spätsommer, der schon sein Laub ver 
lor, ehe er dessen bewußt gewesen, mitten unter 
noch üppigen Kronen des Hains. 
Zermürbt, verlebt mühst du dich weiter, bis 
deine Brut flügge geworden und ausgeflogen. 
Leer geplündert bleibt ihr Alten zurück. 
Dann pflegst du wohl den mürrischen Mann 
zu Grabe, und, nur geduldet im Haushalt irgend 
eines Kindes oder Schwiegerkindes, ersehnst du 
dein Ende, das dir spät nach eitel Mühsal, Qual 
und Schmerzen und spärlicher Freude gedeiht, ein 
farbloses Leben besiegelnd, das seinem Keime nach 
alles werden, zu hoher Vollendung reifen konnte, 
hätt es den rechten Wurzelgrund erbohrt, — und 
das nun in Nichts zerfloß. — 
Wie drückt mich diese Voraussicht! 
Ich wünsche dir nichts von dem, was mir 
schwant. 
Doch fürcht' ich, es möchte sich unversehens 
ähnlich wenden. 
Denn die gemeine Regel gilt tausendmal für 
eine gesegnete Ausnahme wider sie. 
O, wenn ich wüßte, wie ich dir helfen könnte! 
Wenn ich verpflanzen dich dürfte, mit Ballen 
und Stamm und Blatt und Blüte, in einen Garten, 
wo edle Menschenknospen Umhegung fänden! 
Wo alles, was uralten, werten Erbes Sonnen 
siegel auf der Stirn trägt, geborgen wäre und 
nach ihm innewohnendem Gesetze sich offenbaren 
und auffalten könnte! 
Wo es Befruchtung empfinge, die ihm gemäß, 
ans daß es in seinen Sämlingen einen Grund zul 
neuen, schöneren Wachstums-Welten schüfe! 
Ja, Mädchen, wenn ich dein lichtes Haupt, von 
deinem freidigen Wüchse getragen, erschaue, so kann 
ich nicht stille schweigen und dich dem trostlosen 
Ungefähr überlassen; so darf ich nicht müßig stehen, 
das Unzulängliche schleichend dich verstricken zu 
sehn. . . 
Ich will mich aufmachen und ein Land er 
kunden für dich und deinesgleichen! 
Will suchen ein Reich, wo solche wie du nach 
ihrem Anschein und Gehalt erkannt, wo sie zu 
dem beflügelt werden, lvas ihnen zu erreichen be 
stimmt ist! 
Eine Burg für das unschätzbare Kleinod deiner 
erbschweren, keuschen Jungfernschaft, auf daß sie 
nicht dem blinden Zufall verschleudert werde gleich 
einem Spielwerk, Tand oder Ware des Marktes! 
Wo sie den Einen, der ihrer würdig, fünde, 
der ihrer verborgenen Sehnsucht Stern, der sie er 
kennt und zum Höchsten weiht, dess' sie mächtig: 
zur Mutter von Helden, von Heiligen und Götter 
söhnen! 
Eine Feste der reinen Zeugung, der unbefleck 
ten Empfängnis, ivo nicht die Narren, die Taug- 
und Tngendlosen, die Ungewillten, die nur ums 
Glimmen ihrer geringen, dunstigen Lüftchen bangen, 
beladen iverden mit dem Werke aller Werke: lust 
vollem Gebären, das sie verabscheuen, das sie fürch 
ten, weil sie wohl fühlen, daß sie nichts weiter 
zureichen haben ins Dämmer der Zukunft, und 
ihresgleichen nichts bedeuten fürs ewige Sein! 
Suchen will ich für euch, ihr wahren Erden- 
kinder, heil an Seele und Leib, den Hort des 
strömenden Lichtes, der schöpfrischen Liebe, des 
himmelanstürmenden Lebens, empor, empor über 
Nacht und Bosheit und Tod zum lebendigen Gott! 
Und hab ich dies Land gefunden, dann will ich 
vor dich treten, Mädchen, und dich freundschaft 
lich bitten, daß du die Füße dorthin lenken mögest. 
Tu wirst zwar nicht begreifen, was es soll, und 
ivas da deiner wartet, allein du wirst deni werbenden 
Rate vertrauen, den eine innere Stimme in dir 
mit Macht bekräftigt. 
Und kommst du ans Ziel, dann wird ganz leise, 
zaghaft, allmählich deine wahre Seele erwachen, 
ein Schauspiel, ergreifender als Aufgang der Mor- 
genröte! 
Du wirst erfassen, was du bist, was in dir liegt, 
und was du aus dir bewegen kannst! 
Du wirst Ja sprechen zu deinem Geschick, und 
wenn es das Schwerste fordert. 
Du wirst es so schlicht und ivillig auf dich 
nehmen und tragen wie einst deine Knechtschaft! 
Tu wirst Vollkommenheit des Weibtums schmek- 
ken und den Gipfel seines Glückes in Wahrheit 
erklimmen, und segnen, die dich geleitet haben 
aus trübem Dunkel hinaus in den Tag ganzer 
Menschlichkeit! — 
Ich grüße dich, Tienstmagd, heut noch in dump 
fer Niedrung. 
Einst sollst du frei und groß über Höhen schreiten, 
Magd Gottes! 
♦ Vergilbten Blättern nacherzählt von Martin Otto Johannes. 
Ein Mensch ist nur das Gliedchen einer unaus- nach ihm ab; dann ist seine irdische Spur ans 
denkbar langen Kette, die sich aus dem Dämmer der gelöscht wie der Tritt einer Lerche im Wegstaub, 
Urzeit herauf durch das Licht der vergehenden wenn der Wind ihn verweht hat. Bald leitet sie 
Tage schlingt. Bald reißt sie mit ihm oder kurz ohne Lücke und Ende weiter; dann vermag des
	        
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