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Ich seltne das Dörfchen, ich sah es von der
Straßenhöhe beim Morgennebel zwischen den wal
digen Rücken, gleichwie mit blassem Kreidestift zart
hingezeichnet, in einen Winkel des Wiesentales
geschmiegt.
Und als ich im Hohlweg durch die Feldflnr
hinanstieg, traf ich zwei alte Leute beim Roden,
gebückt, wie Wurzeln und rissige Weidenstümpfe
mit roter, steiniger Ackerkrume verwachsen:
Das waren deine Eltern!
Kleinbauern; ihr Gütchen liegt am Dorfbach,
allwo der Giebel des Schuppens mit ansgebro
chenen Fächern fast ans die Gasse zu stürzen droht.
Armselig, eng die Hütte. . .
Der Rater, nach kurzem Jugendmut, verknorrt
in bissiger Plackerei; die Mutter rasch gealtert
in gleicher Fron, zu häufig gesegneten Leibes,
zerhetzt, nur noch ein sehniges Lasttier . . .
Das war das Heim, worin du mit einem Häuf
lein Geschwister aufgewachsen bist, nach dem, was
in euch gelegt war, und wie es Gott gefiel; denn
Menschen taten wenig dazu. —
Und dennoch: ein Kind bleibt nie ohne Selig
keit, wenn die Steingruft der Städte es nicht
umkerkert.
Tu lagst in Mutters geblümten, faltigen Trag
mantel eingewickelt am Feldrain und gucktest mit
weiten Lidern in schwirrende Espenblätter über
dir. Ein Heuschreck sprang fürwitzig auf deines
Händchens Polster und kitzelte dich; da krähtest du
dein erstes helles Gelächter in den Wind.
Tie große Schwester rollte dich im Wägelchen
den Fußpfad hinab durch blühenden Klee.
Du spieltest mit flachen Kieseln und schliefst,
auf dein Ärmchen gelehnt, in greller Sonne ein.
Bald patschtest du selbst mit der Gerte den
Gänsen nach und fühltest dich wichtig im Hirtenamt.
Dann wardst du zur Schule geschickt und lern
test ein wenig, so viel, als der Anstand erfordert;,
doch lag dir dies Wissen so fern!
Nein, Lehrer wie Pfarrer rührten nie an deines
Wesens Kern und wußten ihn nicht zu eröffnen.
Betreten zwar stockten sie manchmal unwill
kürlich vor deinem jähen tiefen Blicke, in dem ein
königlich Geheimnis zu harren schien, auf daß es
gelüftet werde.
Sie aber verstanden sich nicht darauf.
Obwohl genugsam gelehrt und unterrichtet, hiel
ten sie doch für gleich alles Menschenantlitz und
glaubten an Macht ihrer Kunst, zu erziehen.
Sie ahnten nichts vom Rannen des Blutes,
von eingeborenem Erbe, vom zaubrischen Wechsel
spiel zwischen Innen und Außen, und wie dies
alles zu deuten.
Trum bliebst du Aschenbrödel für sie und dich
selbst, verkannt und umdämmert.
Nur dann erfaßte dich rührender Schauer, wenn
dir die Sage der Heimat erscholl von dem ver
wunschenen Fräulein unter der alten Burg, und
wenn du im Lenz mit der Jugend des Dorfes
auszogst hin nach Frau Holles Stein, wo ihr
hinabstiegt in die grabeskältende Höhle, um Blu
men als Opfer ins schwarze, reglose Wasser zu
werfen. . .
So träumtest du durch deine Welt, empfandest
vieles stumm, du dachtest wenig und sprachest man
ches nach, befangen im kärgsten Kreise alltäglicher
Notdürftigkeit.
Tu wardst zur Wärterin deiner jüngeren Ge
schwister bestellt, von denen vorzüglich dir eines
zugetan:
Die Schwester, die ich öfter bei dir gesehen,
dein kindliches Ebenbild mit fast noch reinerer
Haut und von noch blauerem Blicke.
Schon früh zum Schaffen gedungen, warst du
bald dem Ringe der seltnen Gespielen entwunden.
Die Einsegnung kam, und barscher heischte die
Arbeit ihr Recht.
Sie stählte deine jungen Flechsen und riß dir
die Hände harsch.
Steinschwer umfing dich der Schlaf, und nie
entschwang sich dein Sinnen aus seinem Gefäng
nis. —
Zu viele Mäuler, am Tisch, griesgramte der
Vater.
Ta tat sich Mutter um und fand dir den Dienst
im Städtchen, den du noch heute versiehst.
Hier war sonst öfterer Wechsel im Schwang:
die Frau galt als böse Sieben.
Doch deine kräft'ge, geschickte Hand und deine
treue, schweigend große Geduld befestigten dich als
begehrt; sie nutzen dich aus.
Was aber wird, ferner geschehen?
Tu bleibst wohl jahrelang hier; vielleicht auch,
wenn sie dich zu schnöde plagen, gehst du vom H>of
und wechselst Stelle nach Stelle, um's selten besser
zu finden.
Du wirst allmählich klüger auf eine ärmliche
Weise: du duldest den Umgang torhaft einfältigen
Volkes.
Sie schleppen dich auf den Tanzboden mit . . .
Bis einst ein gleichgültig roher Bursche vorüber
streicht, dem deine stolze Feinheit in die Augen
sticht.
Er reißt dich frech an sich, und in dem unge
wohnten Taumel, daß dir jemand nahe kommt,
— du hast ja weder Kunde noch Erfahrung —,
vergißt du dich, gehst dir verloren, und dein Bestes
ist dahin, wie man den Silberreif von einer Traube
wischt.
Nun schwillt das gebrannte Herzeleid. . .
Sie schicken dich vom Dienst. Daheim ist Pol
tern und Fluchen.
Geht alles, wie die Nachbarn es verstehen, noch
gut, so taucht der Deine aus und feilscht mit deinen
Eltern lärmend um das Hochzeitsgut . . .
Tann spannt ihr euch zusammen.
Vielleicht erhaschst du ein paar Sommerblicke
wie von Glück und Liebe, im Rausche sinnlicher
Lust . . ., wenn du dein Erstgeborenes an den
Brüsten wiegst . . .