Höhenlinien(Jsohypsen-)karte erfüllt. Auch iu
diesem Entwicklungsgänge steht wieder Hessen
an der Spitze der Bewegung. Schon in beit
Jahren 1840 bis 1853 vollendet Hessen seine
Jsohypsenkarte im Maßstab 1:50 000 und
bringt sie, was bis dahin nicht üblich, sogar
1859—61 iu den öffentlichen Handel. Fast 20
Jahre später folgt als nächstes Land Hohen-
zollern; Preußen übernimmt 1852, Bayern
1867 Kippregel und Distanzlatte für die Auf
nahmen, die nunmehr auch allgemein in der
Ausfertigung das lithographische Verfahren
verwenden. Erst 1910 hat das Reich in der
Einheitskarte 1:100000 das erhalten, was
Hessen schon 1853 sein eigen nannte.
Hessen hat iu allen Perioden der Geschichte
der Geographie, namentlich der Kartographie
an führender Stelle in Deutschland gestanden.
Es sind Leistungen gewesen von starker Wir
kung für die Entwicklung nicht nur der erd
kundlichen Wissenschaft, sondern der gesamten
Kultur, die aus der praktischen Auswertung
derartiger wissenschaftlicher Bestrebungen die
fruchtbarsten Anregungen ziehen konnte. Viel
leicht erhellen diese Ausführungen die Bedeu
tung der Frage. Zugleich mögen sie ein kleines
Beispiel dafür sein, wie der besonderen Ge
schichte einzelner Zweige der Wissenschaft vom
Boden landesgeschichtlicher Forschung aus wert-
volle Beiträge zuwachsen können.
Ein Kulturwerk an der hessisch-thüringischen Grenze.
Von Or. F. Schanh.
Am Fuß des Säulingswaldes, der sich von der
Werra bis nach Hersfeld erstreckt, zieht sich jetzt
an der hessisch-thüringischen Grenze eine anmutige
Wiesenlandschaft hin, an die sich fleißig bebaute
Ackerflächen anschließen; im Hintergrund erblickt
das Auge hohe Fabrikschornsteine, Zeichen der dort
betriebenen Kaliindustrie. Uber der Ebene ragt der
Säulingswald empor, in dem die sagenumwobene
.Hornungskuppe malerisch hervortritt.
Einst war dies ganze fruchtbare Gelände zwischen
den Dörfern Obersuhl, Dankmarshausen, Kleinen-
und Großensee eine weite Wasserfläche, der Säu-
lingssee, von dem die beiden letztgenannten Dörfer
ihren Namen haben. Noch in Urkunden des 14. Jahr
hunderts wird der See erwähnt, dann ist er mehr
und mehr zurückgegangen und ließ nur einen großen
Sunlpf übrig, den Räten, aus dem ein ziemlich an
sehnlicher Bach, die Suhl, das Wasser des Sumpfes
und der vom Säulingswald kommenden Waldbäche
der Werra zuführte; nach diesenl Bach sind das hes
sische Dorf Obersuhl und das weimarsche Untersuhl
genannt. Ein Teil des Sumpfes war stets mit Wasser
bedeckt; in ihm wucherten zahlreiche Sumpfpflanzen,
vor allem die schönen Wasserrosen mit breiten Blät
tern uno weißen Blüten. Hier und da ragten aus
dem Wasser Bodenerhebungen wie kleine Inseln her-
por, z. T. mit allerlei Buschwerk, namentlich Erlen
und Weiden bedeckt, beliebte Nistplätze für die zahl
reichen Wasservögel, die den Räten belebten, wilde
Enten, Kibitze, Bekassinen, Wasserhühner u. a. Diesen
bot der Sumpf eine herrliche Heimat, und wenn im
Herbst die Vögel nach Süden zogen, versammelten
sich die Störche der benachbarten Dörfer im Räten
und hielten gewissermaßen Beratung über ihre
Afrikareise. Später erschienen im Räten Scharen
wilder Gänse, die dort eine Zeitlang rasteten; auch
wilde Schwäne wählten jedes Jahr den Räten für
ein paar Wochen zum Ruheplatz. Den Menschen
freilich brachte der Sumpf wenig Nutzen. Denn das
Gras am Rand des Wassers ivar hart und schilfig
und wurde vom Vieh nur ungern genommen, nur
vermischt mit anderm .Heu und Stroh und zu Häck
sel geschnitten war es zu verwenden. In den
Sumpf aber einzudringen und das Gras von den
Bodenerhebungen zu holen, lohnte nicht und war
gefährlich. Nach der Tradition der Dorfbewohner
waren mehrmals solche Wagehälse und verirrte Wan
derer im Moraste versunken und elend umgekommen.
Für uns Knaben freilich war im Winter bei hartem
Frost der Räten ein herrlicher Tummelplatz, denn
meilenweit erstreckte sich die spiegelglatte Eisfläche,
auf der die Schlittschuhläufer ihren Sport üben konn
ten. Vorsicht war freilich auch da geboten, denn es
gab zahlreiche Stellen, die nie fest zufroren, die mußte
man kennen, sonst riskierte man mindestens ein kaltes
Bad, der Unglückliche, dem solches begegnete, konnte
bei der Entfernung des Rätens vom Dorf das Ver
gnügen, oder besser gesagt, das Unglück haben, als
wandelnde Eissäule nach Haus zu Muttern zu eilen.
Allen, den Erwachsenen wie den Kindern, brachte det
Räten noch einen großen Nachteil: die Sumpfluft er
zeugte das kalte Fieber, das in meinem Heimatdorf
Obersuhl in meiner Jugendzeit sehr gefürchtet ivar.
Ich kann aus Erfahrung davon berichten, denn ich
habe es als Knabe mehrmals gehabt. Selbst in heißen
Sommertagen schüttelte heftiger Frost den Kranken.
Mich steckte , die liebe Mutter ins Bett, mehrere
Bettdecken hüllten den Befallenen ein, heiße Wärm
steine, reichlicher Kamillen- oder Fliedertee sollten
ihn erwärmen und zum Schwitzen bringen — es hals
wenig, er schnatterte trotzdem vor Frost mit den
Zähnen; besser halfen die vom Arzt verordneten
Mittel. Nach ein paar Tageir ging in der Regel der
Anfall vorüber. Aber auch nachher fühlte man sich
noch wie zerschlagen, erst allmählich kehrte die Lust
und die Kraft zur Arbeit wieder. Manche ließen sich
von einem „weisen Mann" oder einer „weisen
Frau" „besprechen" — so mein Schulkamerad und
Freund Käten-Adolf — und behaupteten, so die
Krankheit schnell und leicht überstanden zu haben.
Lange Jahre blieb der Räten in seinem Urzustand.
In den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts