in der Einfachheit des Handwerklichen blüht auf in seinen
zahlreichen Naturausschnitten, die das Alltägliche und
oft Geschaute in einen festlichen und sonntäglichen Schein
hüllen, ob es nun die Baunsberge, Dörnberg, Dachsberg,
Hirzstein, Fuldatal, Niedenstein oder Willingshausen ist.
Wenn man die Bilder vor dem Kriege mit denen nach
dem Kriege und wieder mit den letzten des Künstlers ver
gleicht, so ist das organische Reifen der Eigenart unver
kennbar: wie zunächst die ganze Haltung der Landschaft
noch dunkel, stumpfer, starrer, enger, kräftiger, mehr ein
Raum- und Farbproblem ist, bei dem der Himmel sich
typisch und flächig ausbreitet, und wie dann allmählich
ein Lichtproblem daraus wird und nun die um die Dinge
schwingende Atmosphäre immer intensiver das ganze
Bild durchdringt, wie diese aus Kornfeldern, Schaf
herden, Wäldern, Bergen, verträumten Dörfchen, Kirchen,
Bäumen, Blumen, Heckenrosen, Ginster und all dem son
stigen Herrgöttsschmuck reizvoll aufgebauten Ansichten
immer heller, klarer, luftiger, 'sonniger, morgendlich
strahlender, frischer, keuscher, reiner und abgeklärter, in
den Linien und Konturen immer feiner, in dem farb
lichen Gegensatz des sich schließlich herauskristallisierenden
Violett der zart geäderten blattlosen Baumzweige und
des saftigen, teilweise verschütteten Hellgrün der Wiesen
und Feldflächen immer vollendeter und ausgeglichener
und wie sie in ihrem Gesamtausdruck immer sprechender
und plastischer von der hochkultivierten Künstlerhaud
herausgearbeitet werden. Das zeigt die Ausstellung an
nahezu 50 Landschastcn, unter denen sich auch das letzte
Werk Fennels, eine Studie an den Kaskaden der Wil
helmshöhe, befindet und deren Einzelbetrachtung das
Gesagte in vielen Einzelzügen noch greifbarer veran
schaulichen könnte, ja selbst die Gemälde aus Nordfrank
reich fügen sich zwanglos, auch wenn sie den anders
artigen Volks- und Landescharakter deutlich erkennen
lassen, in diesen Rahmen. Besonders eindringlich tritt
uns Fennels farbig tief empfundene Malweise auch in
seinen zierlichen und zart ausgetuschten Aquarellen und
seinen zeichnerisch schwungvollen Bunt- und Bleistift
skizzen entgegen. In allem aber spiegelt sich die gemüt
volle, schlichte, einfache, reich und groß fühlende Seele
eines echten Künstlers der hessischen Heimat, der Friedrich
Fennel in seinen Glückstagen und seiner Lebensnot all
zeit war und bleiben wird. Or. G u st a v S t r u ck.
Wilhelm Raubes Beziehungen zu Kassel. Von i>.p. Schleiche.
Aus alten Blättern zusammengestellt.
Daß Wilhelm Raabe, der Altmeister des gemüts
tiefen Humors, zu allen deutschen Orten vertrauliche
Beziehtrngen gehabt hat, erscheint heutzutage jedem
selbstverständlich. Und doch ist das nicht immer so
gewesen. Der/Dichter hat um Anerkennung ringen
und kämpfen müssen; lange hat es gedauert, bis er
in Achtung und Ansehen stand auf Grund der Wür
digung seiner künstlerischen Werte. Wir wundern
uns darüber, daß der Meister der „Sperlingsgasse"
und des „Hungerpastors" nicht gleich von seinen
Mitlebenden mit Jubel begrüßt wurde; doch ihm
ging es wie Hebbel, der da sagte: „Bald fehlt einem
der Wein, bald einem der Becher."
Auch mit der Stadt Kassel verbanden Wilhelm
Raabe Beziehungen, die in vieler Hinsicht inniger
waren als mit mancher anderen Stadt seines Vater
landes, für das er „mit der Feder" im Gange war,
„dank der innigen Teilnahme der Nation", wie er
einmal ironisch gesagt hatte. Theodor Rehtwisch
schreibt in seiner kleinen Raabebiographie, wie jene
„anspruchslosen Blätter" kurz bezeichnet sein mögen,
zu des Dichters 75. Geburtstag am 8 . September
1906: „Als ich am 20. Juli dieses Jahres (1906)
ihm (Wilhelm Raabe) gegenüber saß, erzählte er
von seiner bewegten Übersiedelung von Stuttgart
nach Braunschweig. ,Heute sind es gerade 36 Jahre
her, daß ivir auf allerlei Umwegen in Kassel
eintrafen. Die Kriegserklärung (zum deutsch-fran
zösischen Krieg am 19. Juli 1870) war uns über den
Hals gekommen, und alle Straßen und Bahnlinien
waren mit Truppen versperrt. Das war eine schöne
Geschichte für mich, der ich mit einer Frau und
zwei unmündigen Würmern quer durch Deutsch
land mußte. In Kassel bekamen wir außerdem noch
feuchte Betten und schlechte Milch, so daß uns eins
der Kinder krank wurde. Aber es war doch eine
große und gewaltige Zeit/" So hat Wilhelm Raabe
in Kassel die unvergeßlichen Tage des Kriegsaus
bruchs von 1870 erlebt, außerdem aber auch gleich
zeitig die Übel und Mißstände, über die er erzählte.
Die ehemalige Residenzstadt Kurhessens wird dem
Dichter deshalb in doppeltem, nicht auslöschbarem
Gedenken gestanden haben.
Dies ist das einzige Mal, daß Wilhelm Raabe
meines Wissens in Kassel geweilt hat; gesprochen
wird er von der Stadt am Fuldastrand noch öfters
haben. Denn zu seinem 70. Wiegenfest ( 8 . Sep
tember 1901) wurde hier eine Wilhelm Raabe-
Gesellschaft gegründet. Schon etwa zwei Monate
vor jenem Tage hatte eine Anzahl gleichgesinnter
Herren den Plan gefaßt, den Geburtstag ihres Lieb
lingsdichters festlich zu begehen. Der Dichter wurde
dann an jenem Abend in einer längeren Rede
wegen seiner hohen Verdienste um das deutsche
Volkstum gewürdigt, und diese Feier gab die Ver
anlassung zur Gründung der eben genannten Gesell
schaft. Sie trat für die Verbreitung der Schriften
Wilhelm Raabes mit Wort und Tat ein, und große
Freude herrschte, da bald nach Gründung der Gesell
schaft als Antwort auf deren Glückwunsch ein
Schreiben des Dichters eintraf: „Erntedankfest ist
gewesen; aber an seinem Dank für die überreiche
Ernte an Liebeszeichen, die ihm zu seinem 70. Ge
burtstage zu Teil geworden sind, hat der alte Raabe
noch immer abzutragen. Wenn er sie doch alle in
Wirklichkeit drücken könnte, die Hände, die ihm aus
der Stadt Kassel hergereicht worden sind! Wenn er
doch alle seine Freunde dort einzeln beiseite nehmen
könnte, um ihnen zu sagen, wie lieblich vom Habichts
walde her die wilden Wasser ihm über den abwärts
führenden Lebenspfad rauschten und ihm nimmer
verklingen können. Allen Denen am ,Wilden
Wasser' Gruß, Dank und treueste Gastfreundschaft.
Braunschweig, im Weinmonat 1901. Wilhelm Raabe."