Full text: Hessenland (38.1926)

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Darmstadt. Großherzogliche Porzellansammlung. 
fehlte, um überhaupt Werke der angewandten Kunst 
in nennenswertem Umfange zu produzieren. Viel 
leicht ist diese reine Äußerlichkeit mit ein Grund' 
dafür, daß die zweite revolutionäre Erschütterung 
der Künstlerseele, die mit der politischen Revolution 
des Jahres 1918 einsetzte, die Vertreter der freien 
Kunst in ganz anderem Maße packte als die Architek 
ten und Kunstgewerbler. Der Gegensatz zwischen dem 
seit einigen Jahren wieder neu aufgekommenen, aber 
bisher kaum ernsthafter beachteten Expressionismus 
und dem zu seiner höchsten Blüte gereiften (über 
reiften?) Impressionismus, zwischen „junger" und 
„alter" Kunst,- wie der Expressionist — nicht ohne 
spitze Nebenabsicht — die beiden Kunstrichtungen 
kurz zu bezeichnen liebte, brach lodernd hervor. Die 
„jungen" Künstler, die das Gefühl hatten, während 
der monarchischen Zeit nicht genügend anerkannt 
worden zu sein, begrüßten die politische Umwälzung 
als Schrittmacher für ihren künstlerischen Radikalis-- 
mus und fanden eine Anhängerschaft, die wohl zum 
großen Teil Mitläufertum war, aber der „Idee" 
einen gewaltigen Machtzuwachs brachte. Die Ver 
treter der „alten" Richtung ihrerseits sahen ihr 
Heiligstes bedroht und klammerten sich um so fester 
an ihr künstlerisches Glaubensbekenntnis. 
Darüber sind nun wieder ein paar Jahre ver 
gangen. Der Sturm und Drang auch dieser Epoche 
ist abgeebbt, die bizarren Auswüchse sind ganz von 
selbst abgestorben. Noch allerdings ist keine volle 
Klärung erfolgt. Aber so viel kann und darf doch 
heute gesagt werden, daß auch die zweite künst 
lerische Revolution dieses Jahrhunderts ihr Gutes 
gehabt hat. Daß auch sie mit Dogmen aufgeräumt 
har, die zu erstarren drohten, daß auch sie die etvige 
Wahrheit drastisch in Erinnerung gebracht hat, daß 
nichts Menschliches stille stehen kann, ohne zu ver 
kümmern, daß alles Menschliche der Entwicklung 
unterworfen ist — auch die Kunst. Das bedeutet 
nicht, daß der heutige Künstler sich überheblich hin 
wegsetzen dürfe über die Leistungen unserer Vor 
fahren, der Antike, der romanischen, der gotischen 
Kunst, der Renaissance und des Barock — diese 
herrlichen Dokumente genialer Schöpfer behalten 
ihren ewigen Wert. Es bedeutet aber, daß der 
heutige Künstler nicht berufen sein kann, mit seinen 
großen Vorgängern in Konkurrenz zu treten. Es 
bedeutet, daß er als Kind seiner Zeit nichts schassen 
kann, was nicht seiner Zeit gemäß .ist, was natur 
notwendig aus einer anderen Epoche herausgewachsen 
ist. Aber jene großen Epochen müssen dem heutigen
	        
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