Full text: Hessenland (38.1926)

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Geschick einen alten Kasselaner, den das tolle Jahr 
1848 hatte flüchtig werden lassen, den Glasmaler 
Ely ans Nantes, mit seinen beiden Söhnen etwa 
1883 in seine Vaterstadt zurückgeführt hätte. In 
Frankreich nämlich hatten sich die Verhältnisse nach 
1870 derartig zugespitzt, daß Ely, der sein Deutsch 
tum nicht verleugnen und sich nicht naturalisieren 
lassen wollte, Nantes verließ. Er kaufte dem Fennel- 
scheu Hause gegenüber das Grundstück au der Ecke 
der Wilhelmshöher Allee und der jetzigen Pfeiffer 
straße an und begann, sich hier eine Werkstatt für 
seine Glasmalerei aufzubauen. Es konnte nicht 
fehlen, daß auch der junge Fritz Fennel mit dabei 
sein mußte, gab es doch hier allerhand zu sehen, was 
einen lernbegierigen Wehlheider Jungen unbedingt 
fesseln mußte. Auch das fertige Atelier bot noch des 
Interessanten genug. Jedenfalls war der Fritz dort 
nicht mehr fortzukriegen, und als ihm eines schönen 
Tages der alte Ely ein Blatt Papier hinlegte mit den 
Worten: „Nu zeichne mal was", ließ er sich das 
nicht zweimal sagen. Der Meister besah sich das 
Blatt und sagte dann nur: „Wenn du Zeit hast, 
Junge, kommst du rüber und zeichnest." Damit war 
seine Zukunft entschieden. Das war ein Jahr vor 
der Konfirmation. Nach der Konfirmation kam 
Fennel, der den Vater schon mit neun Jahren ver 
loren hatte, zu Ely in die Lehre und wurde hier in 
die keineswegs leichte Technik der Glasmalerei ein 
geführt. Noch als Lehrling konnte er durch Elys 
Vermittlung als Hospitant nachmittags die Kasseler 
Kunstakademie besuchen. Im übrigen galt es fleißig 
zu schaffen, und Fennel hat mir oft erzählt, eine wie 
gediegene Grundlage ihm diese Tätigkeit für sein 
späteres Leben geschaffen habe. Die Elysche Glas 
malerei erfreute sich eines guten Rufes weit über 
Deutschland hinaus. Von ihrem hohen Können zeugen 
nicht nur die neuen Kirchenfenster zu St. Martin 
nnd in der Lutherkirche zu Kassel, sondern auch 
zahlreiche andere Fenster an Kirchen- und Profan 
bauten in Deutschland und Frankreich, hier vor 
nehmlich in der Bretagne. Nachdem Fennel aus 
gelernt hatte, lag er noch drei Jahre lang als Ge 
hilfe mit Meister Ely und dessen beiden Söhnen der 
edlen Kunst der Glasmalerei ob, und von ihm ge 
malte Fenster befinden sich noch jetzt in hessischen 
Adelssitzen. Nebenbei setzte er den Besuch der Aka 
demie fort und ging dann, mit dem Harnierschen 
Stipendium versehen, ganz zur Akademie über. Zu 
nächst absolvierte er die Malklasse bei Direktor 
Louis Kolitz, der einst in der Düsseldorfer Schule 
Oswald Achenbachs seine realistisch-romantische Rich 
tung empfangen hatte^ lernte bei Koch Zeichnen und 
wurde dann Meisterschüler bei Professor Wünnen 
berg. Der Einfluß Wünnenbergs kommt noch in 
einzelnen seiner ersten Schöpfungen zum Ausdruck; 
so in jenem stimmungsvollen Motiv aus dem Burg 
hof der Löwenburg „Bekränzung des Heiligen", 
wo die Bonifatiusstatue vor der Löwenburgkapelle 
von jungen Mädchen mit Blumenguirlanden ge<- 
schmückt wird. Übrigens berichten einstige Akademiker, 
daß Fennel schon damals der beste Aktzeichner der 
Akademie war. Ein längerer Aufenthalt bei Berliner 
Verwandten machte ihn mit der Kunst und den jungen 
Künstlern der Reichshauptstadt bekannt, und dann 
beginnen seine Wanderfahrten. 
Zunächst nach Thüringen. Noch war es ein 
Tasten, ein Suchen. Ein Kasseler Freund und 
Gönner, Dr. Warlich, erwarb für ihn die Erlaubnis 
des Großherzogs, in Darmstadt, dessen Mathilden 
höhe damals der Sonnenglanz der neuen Kunst um 
spielte, die Holbeiusche Madonna zu kopieren. Dieser 
Holbeiw-Kopie hat seinerzeit der Kasseler Galerie 
direktor Eisenmann Worte höchster Anerkennung 
gezollt. Bezeichnend ist die Art, wie Fennel dem 
Großherzog vorgestellt wurde. In den ersten Tagen 
— eine offizielle Vorstellung war noch nicht er 
folgt — kam er in einen Raum der Gemäldesamm 
lung, in dem auf einem hohen Gerüst jemand mäch 
tig mit den Beinen baumelte. Fennel, der einen 
Kunstschüler vor oder richtiger über sich zu haben 
glaubte, rief in seiner lustigen Art hinauf: „Na, 
wer baumelt denn da mit seinen Pedalen rum?" 
Entsetzt stürzte ein Galeriediener auf ihn zu, um 
ihm etwas von einer königlichen Hoheit zuzuflüstern. 
Diese hatte inzwischen die wenig hoffähige Feunelsche 
Begrüßung lachend zu Notiz genommen und lud ihn 
freundlichst ein, sich heraufzubemühen. So konnte 
binnen kurzem auf schwankender Leiter die Vor 
stellung stattfinden, bei der Fennels Verbeugungs 
versuche dank der unsicheren Position eine ziemlich 
groteske Auswirkung bekamen. 
Schon früh lernte er das Leid kennen. Die Mutter, 
eine seelengute Frau, begann zu kränkeln, und alte 
WehlheiderNachbarn erzählen, daß derSohn mit einer 
sonst bei jungen Lenten nicht immer üblichen Liebe 
und Sorgfalt die kranke Mutter betreute und pflegte 
und den kleinen Haushalt in Ordnung hielt. Solche 
kleinen Züge sind notwendig, um den prächtigen 
Menschen zu zeigen, der auch gegen seine Freunde, 
selbst in der Not, eine nicht alltägliche Anhänglich 
keit und Treue zeigte und mit linder Hand schmer 
zende Wunden zum Heilen brachte. Auch für die 
Interessen seiner Berufsgenossen ist er jederzeit ein 
getreten, wie er denn auch dem Kunstverein, dessen 
Vorstand er zwei Jahrzehnte hindurch angehörte, 
seine ganze Kraft widmete. 
Es folgen die fröhlichen Jahre in Gottsbüren und 
Willingshausen, die Zeit, in der er sich zum hes 
sischen Landschaftsmaler entwickelte. Geruhsame Tage 
brachte ihm das Schulhaus zu Philippinenhof, in 
das er nach seinen Wanderfahrten immer wieder 
zurückkehrte und das ihm, seit die Mutter 1001 ver 
storben, in seiner, für einen sein Ziel im Auge 
behaltenden Künstler so ersprießlichen Bohsmezeit oft 
wochenlang das Heim ersetzte. Hier hat er im 
Schulgarten manche schöne Sommernacht, in eine 
Decke gewickelt, verträumt; und manch lustiger 
Streich wurde hier oben mit den Malerfreunden 
Giebel und Metz ausgesonnen. Wenn er selbst er 
zählt, daß die Bowlen hier in der sonst als Bücher 
schrank benutzten Badewanne angerichtet wurden, so 
mag das übertrieben sein; daß er selbst aber einmal
	        
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