Full text: Hessenland (38.1926)

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mußte sie wissen, was das war. Sie machte die 
Schachtel mit ihren zitternden Händen auf und zwar 
viel weiter als sie eigentlich wollte und brrrr — 
flog ein Schwarm Fliegen ins Weite. Die alte 
Frau war ganz unglücklich, daß ihr das gute Wetter 
so entwischen wollte. Sie suchte zu retten, was zu 
retten war, wollte es wenigstens auf den rechten 
Weg bringen und rief ihm nach: „Hauwäterchen, 
Hauwäterchen, heher, Kruspersch (Kruspis) is min 
Ort!" — 
Ich habe den Verfasser dieser Geschichte sehr im 
Verdacht, daß er damit gleichzeitig den Leuten von 
Kruspis, die hier in einem ihrer Torfangehörigen 
als so überaus töricht hingestellt werden, eins aus 
wischen wollte, und damit sind wir bei dem großen 
Getvebe halb aus Linnen, halb aus Wolle) gewebt 
und getragen wurde. Aber man hat auch den Pega 
sus bestiegen, um dem Nachbardorfe eins auszu 
wischen. 
En Rotte rterod 
do honn se fei Brod, 
bc» fittcrn's d' Hihner 
mct Dausend-Schwerenot. 
* 
A u a läit bäi Saase, 
do summe olle Haase, 
do kurnrne olle Hesse, 
do kring se wos zu fresse. 
* 
In der Tann, 
da rappelt de Pann (Pfanne), 
Erbach. Das Rathaus vom „Städtel" her. 
Kapitel von dem Spott, mit dem sich in ganz Hessen 
land die Dörfer gegenseitig bedenken, angelangt. Es 
wird inl Kreise Hersfeld Wohl kaum einen Ort geben, 
der keinen Beinamen hat. Das ist eine so bekannte 
Tatsache, L>aß ich hier nicht weiter darüber zu sprechen 
brauche, zumal die Veranlassung zu der Namen 
gebung nicht immer so klar zutage liegt wie bei den 
Hersselder „Mückenstürmern" und den Friedewalder 
„Schneegänsen". Um manche Orte hat sich ein gan 
zer Kranz von lustigen Spottgeschichten gelegt; hier 
sei Schwarzenborn an erster Stelle genannt, aber 
auch Rotensee, wo zur Kirmes ein Frosch gemästet 
wird, sei nicht vergessen. Ganze Täler haben ihren 
Spottnamen, der Rohrbachgrund ist der „Besew- 
grund", weil früher dort viel Besen hergestellt 
wurden, und der Geisgrund ist der „Beiderwands- 
grund", tveil in ihm früher viel Beiderlvand (ein 
photogr. Institut der Technischen Hochschule, Darmstadt. 
d. h. da gibt's was Gutes auf dem Tisch, ärmlich 
aber ist es in Biedebach: 
Die B i e r e b a ch, die Bierebach 
hat mich das Betteln müd gemacht. 
Die Dörfer streiten sich auch um den Vorrang, und 
dabei beansprucht das ebengenannte Biedebach keinen 
schlechten Platz: 
Die Tann, die Tann, die Ruhrbach, 
Gerterod on Drunsbach 
Engerngäis (Untergeis) on Ewerngäis (Obergeis), 
B i e r e b a ch läit en der Mett vorn Kräis, 
d. h. in der Mitte vom Kreis, das will sagen: Biede 
bach ist das erste Dorf in jenem Bezirk. Ganz deut 
lich wird Rotensee: 
R o r e s e e es Herr- 
En gerhühn (Unterhaun) es derr (dürr), 
Ewernhühn (Oberhalin) es 'n Heckennäst, 
Seckels (Sieglos) es schon lang gewäst.
	        
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