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hatten Mühe, bei Glatteis über Berg und Tal zu
kommen. Ab und zu brach man auch durch diel
dünne Eisdecke in Sumpf und Morast ein. Kassel
entschädigte den Reisenden vollauf, und er preist fast
überschwenglich diese „Residenz eines der vortreff
lichsten Fürsten des deutschen Reiches". Nach seiner
Ansicht verdient es die ganze Aufmerksamkeit eines
Fremden. Freilich dringt immer wieder das Vor
urteil gegen die mittelalterliche Schönheit unserer
alten Städte durch, die man damals einfach nicht
zu würdigen wußte. Die Neustadt, von französischen
Kolonisten erbaut, findet unser Briefschreiber „regel
mäßig und schön, wodurch sie sich merklich von der
Altstadt unterscheidet. Ihre Gassen sind breit, die
Häuser nach der allerneuesten Bauart und fast von
einer Höhe . . . Die allerliebste Esplanade ist sogar
gegenwärtig, da ihre Bäume von Laub entblößt
stehen, ein sehr angenehmer Spaziergang." Die sehr
verfallene Fuldabrücke zwischen Alt- und Neustadt
gefiel weniger. „Indessen hatte sie uns doch so ziem
lich zu dem vorbereitet, was wir in Ansehung der
Bauart noch in der andern alten Hälfte der Residenz
zu sehen bekommen sollten; und es war mir in der
Tat bei dem Eintritt in die Altstadt nicht anders,
als wenn ich plötzlich aus der Gesellschaft des
liebenswürdigsten Mädchens, in das finstre Gemach
einer abgelebten Matrone geworfen würde." Ein
winterlicher Ausflug nach dem Karlsberg wird neben
anderen Sehenswürdigkeiten in Kassels Umgebung
enthusiastisch beschrieben: „Ich glaube nicht zuviel
zu sagen, wenn ich dieses Wasserwerk für eines der
prächtigsten Kaskaden in Europa halte." Auch der
Herkules wird bestiegen: „Fünf von uns stiegen ganz
bequem in diesen ungeheuren herkulischen Körper,
der innwendig ausgehöhlt ist, und ich übersähe aus
dem einen Auge dieser kolossalischen Statue, wie
aus einem Flügelfenster, die ganze weite Gegend um
diesen Karlsberg herum, die, da die Sonne sehr
heiter schien, ungemein anmutig war . . . Um
das Auge noch mehr zu ergötzen, so sind alle Steine
an dieser Kaskade vorne mit einem dünnen glän^-
zenden Blech belegt, welches, wenn die Sonne drauf
scheint, das Wasser so hell als einen Krystall machen
muß . . . ." In einem anderen aus Kassel datierten
Briefe erwähnt der Livländer den Kasseler Pagen
hofmeister Engelbronn, der ihm die Bildergalerie
zeigte. Die Wachtparade machte einen vorteilhaften
Eindruck. Der Fremde sah hier „lauter wohlgestreckte
Aufruf für den Ludwigstem.
Noch einmal rufen wir zu einer Werbewoche für den
Ludwigstein auf. Viel ist geschaffen, aber manches bleibt
bis zur gänzlichen Fertigstellung noch zu tun,. Nur
durch zähes Festhalten an dem Ziel und durch die große
Opfersreudigkeit der Jugend und ihrer Freunde ist der
größte Teil der Arbeit geleistet. Damit aber die Burg
das wird, was sie sein soll, ein würdiges Denkmal für
unsere im Weltkrieg gefallenen Brüder, rufen wir noch
mals auf, uns bei der Vollendung des Werkes zu helfen.
Schwerer denn je ist es heute, die Mittel für den
weiteren Ausbau auszubringen, aber viele Wenig machen
und schöne Leute, die ihre Manövers mit vieler Fer
tigkeit machten, und deren Ansehen es schon anzu
kündigen scheint, daß sie tapfere Soldaten sind".
Auch ihre Offiziere werden als gesetzt und höflich
gelobt; „wie denn selbst ein gewisser Oberster, der
an der Spitze des Regiments stand, und der meine
Freude über das vortreffliche Manöver merkte, so
gütig war, mich neben sich hin treten zu lassen, um
alles desto besser übersehen zu können". Die Ev-
zeugnisse der damaligen Kasseler Industrie werden
als preiswert und brauchbar gerühmt, so daß dev
Reisende verschiedene Stoffe und Tücher einkaufte.
In einem dritten Briefe findet sich der Schreiber
veranlaßt, Kassel gegen Vorurteile in Schutz zu
nehmen, da es sich in beit letzten Jahrzehnten sehr
zu seinem Vorteil verändert habe: „Ich finde in
der That in den Manieren der polizierten Ein
wohner nichts von jener Rauhigkeit, um derenb-
tvillen man die alten Hessen auch die blinden
Hessen zu nennen pflegte. Ihr Betragen ist sein,
wie man dies in allen gesitteten Städten von Europa
zu sehen gewöhnt ist . . . ich muß sagen, daß mir
das schöne Geschlecht eher ein bischen zu lebhaft
und zu galant, als zu rauh oder misantropisch zu
seyn scheint. Die Beziehung, in der die Einwohner
in dem letzten Kriege mit den Franzosen gestanden
haben, hat sie um vieles gebessert oder verschlimmert,
wie sie es nennen wollen; und eben diese Nation,
der wir Deutsche so gern die Sitten wie die Moden
abborgen, haben einen gewissen Geschmack in dieser
Stadt zurückgelassen, den unsere nur gar zu ein
förmige Vorfahren, noch wohl vor 40 bis 50 Jahren,
gewiß äußerst getadelt haben . . . Außer den Straß-
burgeriunen halte ichdas hiesige Frauen-
zinrmer für das schön st e im ganzen
oberrheinischen Kreise; und ich habe oft
das Vergnügen gehabt, sehr artige Gesichter, so
wohl in den Gesellschaften, wo ich bekannt war, als
noch mehr in der Oper anzutreffen. Wirklich hat
man hauptsächlich in der Oper, auf die der Fürst
sehr große Kosten wendet, eine sehr angenehme Ge
legenheit, seine Augen tausendfach zu weiden."
Nur ungern verließ der Reisende Reffen und zu
mal Kassel, um auf dem schlechten Postwege nach
Göttingen weiterzureisen, wo die leichte Postchaise
aus dem Gebirge sehr Gefahr lief, umgeworfen zu
werden.
ein Viel, und unser Ruf geht daher an weite Kreise der
Jugendbewegung und ihre Freunde. Die Hauptarbeiten
sind beendet. Die Burg hat Licht und Wasser. Der
Rohbau ist gänzlich fertiggestellt, der rechte Flügel ist
ausgebaut. Es geht jetzt an den Ausbau des linken
Flügels und des Querflügels. Schaffung besserer Bleiben,
Wasch- und Baderäume, Ausbau des Saales und des
Gedenkraumes sind die nächsten Aufgaben. Wir hoffen,
einen Teil der Arbeit noch in diesem Winteir leisten
zu können, wenn genügend Mittel zur Verfügung stehen.
Im nächsten Jahre gedenken wir dann das Werk zum