18
"* i %.!i j*
FMdrich damals nicht mehr Erbprinz war,
sonder^' Landgraf von Hessen und König von
Schfveden und als solcher fast immer in Schwe
den weilte, so auch im Jahre 1732. Eher mög
lich scheint es, daß Bach dieses Zusammen
treffen mit dem Erbprinzen Friedrich schon in
früheren Jahren hatte, allerdings konnte er
dann nicht aus Leipzig kommen, wie Beller
mann angibt, was wohl leicht auf einen Irr
tum des Autoren zurückzuführen ist. Eiire
zweite Möglichkeit ist rroch, daß Bach nur ein
mal in Kassel war, nämlich 1732, darrn kann
aber nicht Friedrich der Fürst gewesen sein, der
>Bach spielen hörte, sondern vielleicht sein
Bruder Wilhelm, der für ihn in Hessen die
Regierungsgeschäfte führte. Die erstere Mög
lichkeit hat die größere Wahrscheinlichkeit für
sich. Landgraf Friedrich war im Jahre 1731
auf einige Monate von Schweden nach Kassel
gekommen, und es ist als durchaus möglich zu
bezeichnen, daß er — das Zusammentreffen
mit Bach in früheren Jahren vorausgesetzt —
bei der damals in vollem Gange befindlichen
Herstellung der großen Orgel sich des Meisters
erinnerte und ihn für die Prüfung der Orgel
vorschlug.
Weitere Nachrichten über Bachs Kasseler
Aufenthalt haben mir nur in einigen Rech
nungsaufzeichnungen über die dabei entstan
denen Unkosten. Im Stadtarchiv Kassel be
findet sich unter M. 138 ein Rechnungsbeleg:
,,Bon Herrn Consistorial Rath Jngebrandt
haben aus dem Mittags Opfer empfangen das
1/3 Theil zum Presente und Reyße Kosten an
den H. Capellmeister Bach 25 Thlr 10 alb so
dem H. Potter geliefert haben, solches be
scheinige
Cassel d. 23. Septembris 1732
Johann george Damm."*
In den Gotteskastenrechnnngen befindet
sich eine Aufzeichnung über die Gasthauskosten,
und zwar in der Jahresrechnung 1733:
„28 rthlr Herrn Holzschue, alß H. Bach
Capellmeister von Leipzig die Orgell exami-
niret an Speisung, logiment und anderes
zahlt."
Bach wohnte in der Stadt Stockholm; an
den Wirt, Herrn Holtzschue, waren nachher
84 Taler zu zahlen. Die hohe Summe für
* Die Jahreszahl 1732 ist in dem Schriftstück in
1734 geändert, der Grund ist nicht ersichtlich. — In die
Kosten teilten sich zu je einem Drittel: das Stift St.
Martin, der Gotteskasten und die Stadtkämmerei.
einen so kurzen Aufenthalt läßt eine Notiz
wahrscheinlich erscheinen, derzufolge Bach,nicht
allein in Kassel war, sondern von seiner Frau
begleitet wurde. Es wird dies in einer Rech
nung angeführt, die von vr. Carl Scherer in
dem Archiv des Stadtbauamtes eingesehen
wurde und die von ihm in einem Aufsatz in
den Monatsheften für Musikgeschichte 1893
aufgezeichnet ist. Die Schriftstücke sind heute
nicht mehr aufzufinden, so daß ich den Wort
laut ans Scherers Aufsatz nehmen muß.
„Rechnung über Einnahm und Ausgabe gelt,
bey Verfertigung der orgell in hiesiger St.
Martini, unter der direction des Bürger
meisters Herrn Lt. Hartmanns, welche ver-
ferttigt aimis 1730 1731 et 1732 . . .
S. 80 Ausgabe Geldt Extra ordinaire
dem Cappelmeister Hrn. Bach Volk Leypzig
welcher das orgelwerk examiniret auch pro-
biret hat, seindt 50 Thlr. zum praefent und
26 Thlr. Reyße-Kosten accordiret worden
welche demselben nach befehl & quittung ....
bezahlt seindt No. 211 76 Thlr. —alb—hl.
S. 81. Ausgabe Geldt Extra ordinaire
Zehrungs Costen dem Cappelmeister Hn.
Bach et uxori allster die Zeit über sie al-
hier logiret, all Hn. Holtzschue nach befehl &
quittunge .... bezahlt No. 212 84 Thlr." *
Damit sind die Nachrichten über Bachs Auf
enthalt erschöpft. Wir können auch nicht mit
Bestimnktheit feststellen, lvie die Abnahme der
Orgel ausgefallen ist. Es ist aber anzunehmen,
daß Bach im allgemeinen zufrieden war, denn
all Hand der Akten ersieht man, daß nach der
Prüfung nebelk kleineren Arbeiten nur im
Jahre 1733 die Bälge tiefer gelegt wurden, was
wohl auf Bachs Gutachten hiir geschehen ist.
Vielleicht interessiert es noch zu hören, daß
die von I. S. Bach geprüfte Orgel der St.
Martinskirche sich in ihren wesentlichen Teilen
bis 1896 erhalten hat, dann aber einer mooer-
nen Orgel der Firma Ladegast aus Weißen
fels weichen mußte, nachdem sie fast drei Jahr
hunderte gestanden und lange Zeit die größte
und schönste Orgel Hessens — mit Ausnahme
von Fulda — gewesen war, entsprechend der
Bedeutung der Kirche, in der sie stand.
* „6t uxori“ ist von mir gesperrt. Es ist das ein
zige Mal, daß Bachs Gattin in den auf uns überkom
menen Aufzeichnungen von Bachs Kasseler Aufenthalt
erwähnt wird. Auch die „Casselische Polizey- und Com-
merzienzeitung" meldet nur Bachs Ankunft, doch liegt
darin kein Beweis, daß er seine Frau nicht bei sich gehabt
hätte.