Full text: Hessenland (38.1926)

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FMdrich damals nicht mehr Erbprinz war, 
sonder^' Landgraf von Hessen und König von 
Schfveden und als solcher fast immer in Schwe 
den weilte, so auch im Jahre 1732. Eher mög 
lich scheint es, daß Bach dieses Zusammen 
treffen mit dem Erbprinzen Friedrich schon in 
früheren Jahren hatte, allerdings konnte er 
dann nicht aus Leipzig kommen, wie Beller 
mann angibt, was wohl leicht auf einen Irr 
tum des Autoren zurückzuführen ist. Eiire 
zweite Möglichkeit ist rroch, daß Bach nur ein 
mal in Kassel war, nämlich 1732, darrn kann 
aber nicht Friedrich der Fürst gewesen sein, der 
>Bach spielen hörte, sondern vielleicht sein 
Bruder Wilhelm, der für ihn in Hessen die 
Regierungsgeschäfte führte. Die erstere Mög 
lichkeit hat die größere Wahrscheinlichkeit für 
sich. Landgraf Friedrich war im Jahre 1731 
auf einige Monate von Schweden nach Kassel 
gekommen, und es ist als durchaus möglich zu 
bezeichnen, daß er — das Zusammentreffen 
mit Bach in früheren Jahren vorausgesetzt — 
bei der damals in vollem Gange befindlichen 
Herstellung der großen Orgel sich des Meisters 
erinnerte und ihn für die Prüfung der Orgel 
vorschlug. 
Weitere Nachrichten über Bachs Kasseler 
Aufenthalt haben mir nur in einigen Rech 
nungsaufzeichnungen über die dabei entstan 
denen Unkosten. Im Stadtarchiv Kassel be 
findet sich unter M. 138 ein Rechnungsbeleg: 
,,Bon Herrn Consistorial Rath Jngebrandt 
haben aus dem Mittags Opfer empfangen das 
1/3 Theil zum Presente und Reyße Kosten an 
den H. Capellmeister Bach 25 Thlr 10 alb so 
dem H. Potter geliefert haben, solches be 
scheinige 
Cassel d. 23. Septembris 1732 
Johann george Damm."* 
In den Gotteskastenrechnnngen befindet 
sich eine Aufzeichnung über die Gasthauskosten, 
und zwar in der Jahresrechnung 1733: 
„28 rthlr Herrn Holzschue, alß H. Bach 
Capellmeister von Leipzig die Orgell exami- 
niret an Speisung, logiment und anderes 
zahlt." 
Bach wohnte in der Stadt Stockholm; an 
den Wirt, Herrn Holtzschue, waren nachher 
84 Taler zu zahlen. Die hohe Summe für 
* Die Jahreszahl 1732 ist in dem Schriftstück in 
1734 geändert, der Grund ist nicht ersichtlich. — In die 
Kosten teilten sich zu je einem Drittel: das Stift St. 
Martin, der Gotteskasten und die Stadtkämmerei. 
einen so kurzen Aufenthalt läßt eine Notiz 
wahrscheinlich erscheinen, derzufolge Bach,nicht 
allein in Kassel war, sondern von seiner Frau 
begleitet wurde. Es wird dies in einer Rech 
nung angeführt, die von vr. Carl Scherer in 
dem Archiv des Stadtbauamtes eingesehen 
wurde und die von ihm in einem Aufsatz in 
den Monatsheften für Musikgeschichte 1893 
aufgezeichnet ist. Die Schriftstücke sind heute 
nicht mehr aufzufinden, so daß ich den Wort 
laut ans Scherers Aufsatz nehmen muß. 
„Rechnung über Einnahm und Ausgabe gelt, 
bey Verfertigung der orgell in hiesiger St. 
Martini, unter der direction des Bürger 
meisters Herrn Lt. Hartmanns, welche ver- 
ferttigt aimis 1730 1731 et 1732 . . . 
S. 80 Ausgabe Geldt Extra ordinaire 
dem Cappelmeister Hrn. Bach Volk Leypzig 
welcher das orgelwerk examiniret auch pro- 
biret hat, seindt 50 Thlr. zum praefent und 
26 Thlr. Reyße-Kosten accordiret worden 
welche demselben nach befehl & quittung .... 
bezahlt seindt No. 211 76 Thlr. —alb—hl. 
S. 81. Ausgabe Geldt Extra ordinaire 
Zehrungs Costen dem Cappelmeister Hn. 
Bach et uxori allster die Zeit über sie al- 
hier logiret, all Hn. Holtzschue nach befehl & 
quittunge .... bezahlt No. 212 84 Thlr." * 
Damit sind die Nachrichten über Bachs Auf 
enthalt erschöpft. Wir können auch nicht mit 
Bestimnktheit feststellen, lvie die Abnahme der 
Orgel ausgefallen ist. Es ist aber anzunehmen, 
daß Bach im allgemeinen zufrieden war, denn 
all Hand der Akten ersieht man, daß nach der 
Prüfung nebelk kleineren Arbeiten nur im 
Jahre 1733 die Bälge tiefer gelegt wurden, was 
wohl auf Bachs Gutachten hiir geschehen ist. 
Vielleicht interessiert es noch zu hören, daß 
die von I. S. Bach geprüfte Orgel der St. 
Martinskirche sich in ihren wesentlichen Teilen 
bis 1896 erhalten hat, dann aber einer mooer- 
nen Orgel der Firma Ladegast aus Weißen 
fels weichen mußte, nachdem sie fast drei Jahr 
hunderte gestanden und lange Zeit die größte 
und schönste Orgel Hessens — mit Ausnahme 
von Fulda — gewesen war, entsprechend der 
Bedeutung der Kirche, in der sie stand. 
* „6t uxori“ ist von mir gesperrt. Es ist das ein 
zige Mal, daß Bachs Gattin in den auf uns überkom 
menen Aufzeichnungen von Bachs Kasseler Aufenthalt 
erwähnt wird. Auch die „Casselische Polizey- und Com- 
merzienzeitung" meldet nur Bachs Ankunft, doch liegt 
darin kein Beweis, daß er seine Frau nicht bei sich gehabt 
hätte.
	        
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