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gegen Abend stiegs in der Ferne schwarz am Hori
zonte auf. Gott Aeol fing an zu blasen und
Jupiter Pluvius zu blitzen, gleichsam, als wenn
beide sich verabredet hätten, nachdem sie das Fest
4 Tage hindurch mit der schönsten Witterung be
günstigt gehabt, jetzt dem Schwärmen ein Ende zu
machen, und Feierabend zu bieten.
Der Windgott wehete zuerst von dem Felde her
auf, als Avantgarde, eine solche Staubwolke, auf
die eine Tafet los, daß die daran Sitzenden, ganz in
eine Staubwolke eingehüllt, und die auf der Tafel
stehenden delicaten Braten und Kuchen mit Sand
staub incrustirt wurden. Jetzt rückte Schalk Jupiter
mit seinem schweren Geschütz näher, schleuderte einige
Blitze mit Donnergetöse und ließ einige Regen
tropfen fallen. Aber nun entwickelte sich das Ganze
in einen wahren Ameisenhaufen, die Braten und
Kuchen wurden zusammengerafft, alles lief durch
einander und eilte nach der Stadt zu, wie der Troß
von einer geschlagenen Armee. Die beiden Schalk-
götter hatten es aber doch im Ernst nicht so gemeint,
denn sie zogen sich nach vollendetem Schalkstreich
wieder zurück, der Himmel wurde wieder heiter, aber
das Oro8 der Gesellschaft, und mit ihm die Damen,
wär doch auseinander gesprengt. Ein großer Theil
alter und junger Burschen waren trotzend sitzen
geblieben, und hatten sich durch jenen Überfall
nicht verjagen lassen, zechten und jubelten fort, bis
mitten in die Nacht hinein, — zogen dann in Einem
Trupp nach der Stadt zurück, und brachten als
Pinnitz ihrem Prorektor ein Vivat.
Die Kaufleute und andere Bürger hatten auf dem'
Rathhause einen solennen Ball unter sich veranstal
tet, und dazu auch einige Burschen besonders ein
geladen.
Hiermit war nun das 4te Tagewerk und mit
ihm das eigentliche Jubelfest beendigt. Traurend
über die nun beginnende Trennung, drückte man sich
noch einmal die Hände, — legte den Burschen ab,
und zog den Philister mit seinem Joche wieder an,—
gab sich den Abschiedskuß mit viel bedeutender
Empfindung ob der Zukunft, und im Augenblick des
Scheidens hieß es:
Brüder, zum künftigen Jubiläum sehen wir von
oben herab, wie die von dem vorigen zum heutigen!
Dort kommen wir dann wieder zusammen! Lebt
wohl!!!
Noch einige Lpseialia, die sich im Context nicht
so anbringen ließen, will ich Dir noch nachträglich,
auftischen, weil sie als Bemerkungen mit zum
Ganzen gehören.
Daß während des ganzen Festes kein eigentlicher
Hauptexceß, woraus böse Folgen hätten entstehen
können, kein Unglück u. d. gl. gefährliches Ereigniß
vorgefallen, — daß das Fest und die allgemeine
Freude durch nichts gestört worden, ist der klugen
Maßregel der Behörden, sich um das Treiben und
Toben der alten und jungen Burschen gar nicht zu
bekümmern, zu verdanken, — gereicht aber auch
jenen selbst zur größten Ehre! Bor 100 Jahren soll
es, wie die Nachrichten sagen, viel wüster her
gegangen seyn. Das lag aber in dem Jahrhundert
selbst. Schade, daß die Nachrichten von den da
maligen Ereignissen so unvollständig sind.
Möge doch jetzt einer sich das Verdienst machen,
und sammle deren zum Archiv für unsere Nach
kommen.
Nach den 4 Verzeichnissen über die Fremden
darfst Du deren Zahl nicht bestimmen. Es sind
deren gewiß noch die Hälfte mehr da gewesen, die
aber nicht gemeldet worden. Mich selbst z. B. wirst
Du darin nicht finden, und doch war ich gewiß da.
Ich schätze die Zahl der Fremden auf eiroa 2500,
und die der Studios aus 500. Vor 100 Jahren
waren der letzteren 800 zusammen, versteht sich mit
den hiesigen.
Die beiden ältesten Burschen waren aus den
OO ziger Jahren, der Kurhessischen Justiz-Beamte,
Rath Theiß aus Wetter, und der Landgräfliche
Geheimer Rath Haupt von Homburg vor der Höhe,
— ersterer 1766 immatriculirt, und jetzt 79 Jahre
alt, ist der älteste Staatsdiener und erhielt auf dem
Jubiläum die vtr Würde, — letzterer 1767 imma
triculirt.
Aus ben folgenden beiden Jahrzehnten waren
nicht so viele da, wie man wohl hätte erwarten
sollen. Nimm Dein Stammbuch und den jetzigen
Adreß-Kalender, wie viel findest Tu noch aus
unserer Zeit, den 80ziger Jahren?
Aber weiter herab, aus den 90 ziger Jahren, und
aus denen von 1800 bis 1812, und noch weiter
herab, waren sehr viele da. Aus dem Lehrstande
die meisten, natürlich weil deren die meisten sind.
Unter den herausgekommenen Gedichten zeichnen
sich, nach dem Urtheil competenter Richter, die
Ode und der Rundgesang bei dem Fackelzuge von
dem Studenten Wolf aus dem Fuldaischen, vor
allen anderen aus. Ich schicke Dir alles.
Schließlich muß ich auch noch rühmend des
Toasts erwähnen, den am letzten Tage an einer
tadle d’höte ein junger Studio Marburg's Bürgern
ausbrachte, — und hiermit Punctum!
Es grüßt Dich Dein alter treuer
Peregrinus.
Herr Oberbibliothekar Prof. vr. L o s ch - Berlin teilt
uns zu obigem Bericht mit: Der „alte Bursche" in
Nr. 9 p. 184 sf. hieß Carl Friedr. Herm. Frömbling und
war Amtssekretär zu Wetter (* 15. 1. 1769, f 22. 10.
1856 zu Kassel). Sein p. 185 erwähnter Sohn hieß
Wilhelm und war später Aktuar zu Gudensberg. Der
Studio Wolf p. 187 hieß Kilian Wolf, * 1. 1. 1802 zu
Hattenhof, f 28. 11. 1836 als Or. phil. und Gymnasial
lehrer zu Fulda. Er verfaßte auch eine Denkschrift
„Marburgs 3. Säkularfeier. Mbg. 1827". Von seinen
Gedichten wurde eins von Spohr komponiert.