Full text: Hessenland (38.1926)

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Illustrierte MnatSblätter für Heimatforschung, Kunst und Literatur 
Schristletter Paul Heidelbach, Kassel. Unter Mitwirkung von Bezkrkskonservator Baurat Oi. H o l 1 m ey er, Kassel,- 
Direktor der LandesbibliothekOr. Hops, Kassel,-LyzeallehrerKeller,Kassel,- Staatsarchivrat Or. Knetsch, Marburg,- 
OberbibliothekarProfessor Or.Losch, Steglitz,- Schriftsteller Heinrich Ruppel, Homberg,- Professor Or. Schaefer, 
Kommissar für Naturdenkmalpflege im Reg.-Bez. Kassel,- Geheimrat Universitätsprofessor Or. Schröder, Göttingen,- 
Universitätsprofessor Or. Schwantke, Marburg,- Or. Werner Sunkel, Marburg,- Professor Or. Bonderau, Fulda,- 
Universitätsprofessor Or. W e d e k i n d, Marburg. 
' 3m Einverständnis mit den Vereinen: — 
Verein für hessische Geschichte und Landeskunde,- Hessischer GebirgsvereknKnüllgebirgsverein,- Allgemeiner Deutscher 
Sprachverein, Kassel,- Verein für Naturkunde, Kassel,- Geologischer Verein, Marburg,- Biologische Vereinigung, Marburg,- 
Gesellschaft für Familienkunde in Kurhessen und Waldeck,- Hessischer Volksschullehrerveretn. 
- Bezugspreis vierteljährlich 2.— Mark ————————— 
38. Jahrgang Heft 10 Kassel, Oktober 1926 
Aus dm letzten Tagen des 
Nicht allzu viele werden alte, ganz alte Freunde 
an die Tage erinnern, die sich nun zum 60. Male 
jähren: die letzten des letzten Kurstaats: „Weißt 
du noch, wie wir preußisch wurden?" 
Waren sie's wirklich geworden, als an jenem Ok 
tobermittag der Regierungspräsident v. Möller auf 
der Straße zum Unternenstädter Pfarrer Ebert 
äußerte, es sei doch „eine schöne Feier" gewesen 
(die der Einverleibung meinte er)? Oder gar schon 
an dem Septembertag, als am Berliner Dönhoff-« 
platz die Beschlagnahme von vier bis dahin selb 
ständigen deutschen Staatswesen -gesetzlich bestimmt 
wurde? Kurhessische Herzen schlugen noch lange, 
nachdem der Hanauer Wilhelm Pfeiffer (nachmals 
Generalsuperintendent der unierten Kirchengemein 
schaft) aus dem Marburger Bahnhof vor einer 
Schar von Studenten und Bürgern — vorab wohl 
seinen weißbemützten Verbindungsbrüdern — auf 
den abdankenden und abreisenden „allergnädigsten 
Kurfürst" ein Abschiedshoch ausbrachte, — nicht nur 
in den älteren oder auch jüngeren „alten Hessen", 
die mit viel Stimmung und noch mehr Stimme 
zu schmettern liebten: 
„Da rief er in die Burg hinein, 
es zittern lalle Scheiben: 
Wir wollen keine Preußen sein. 
Wir wollen Hessen bleiben" 
knt den Witzelnden freilich in freundschaftlichem 
Widerspruch: „Was sein mä? Preußen sein mä? 
En Dreckchen sein mä! Un wer das spricht, das is 
en Esel. Un das spreche ich! —" Kurhessische 
Herzen schlugen nicht nur ärgerlich wallend in 
denen, die auf Wilhelmshöh oder in der Au über 
die von den „hergelaufenen Preußen" zum Rasen- 
letzten Kurstaates. 
Von Adolf Deichmann. 
schütz und zum Sinnbild ihrer eigenen Anstößigkeit 
angebrachten „Stolperkötzerchen" stolperten. Sie, 
schlugen auch in besonders gewissenhaft oder beson 
ders geschichtlich Denkenden, die mehr meinten als 
Fuldawellen, Edderburgen und Lahnberge, wenn sie 
mit Karl Altmüller fühlten: 
„Ich kann es nimmermehr vergessen, 
das schöne Land der blinden Hessen." 
Kurhessische Gesinnung ernsteren, insbeson 
dere gegenpreußischen Gepräges hielt sich in den 
Reihen der kirchlichen „Renitenz'' und der „Hessischen 
Rechtspartei". Sicherlich war als solche sogar noch 
nach 52 Jahren manches anzusprechen, was man 
hier und da beim Zusammensturz des preußisch 
deutschen Thrones empfand. Weit seltener als diese 
Gesinnung bewahrte sich der Name. Ehe um die 
Jahrhundertwende des obersten Kriegsherrn ver 
ständnisvolles 'Entgegenkommen Regimenter und 
Bataillone des 11. Armeekorps wieder als „kur 
hessische" bezeichnete, ist er mir kaum anderswo als 
im „Sonntagsboten aus Kurhessen" begegnet, jenem 
lange unscheinbaren, später auflebenden, jetzt vor 
züglich geleiteter: Wochenblatt, das aber diesen hei 
matlichen Zusatz längst — als er noch politisch 
klang — aufgegeben hat. Gerade in seinem nun 
mehr altmodischen Klang aber wird er vielen wie 
ein Lied „aus der Jugendzeit", der eigenen oder 
der väterlichen, klingen, dieser Name, immerdar 
weiterklingend. Der Kurstaat schwand. Kurhessisches 
blieb und bleibt. 
Ob Kurhessen selbst im eigentlichen Sinn? Weib 
rückwärts kann man seine „letzten" Tage zählen. 
Sie reichen in gewissem Sinne fast bis zum Beginn 
des Kurstaates hinauf. Sehnlich! hatte sich Wil-
	        
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