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duldete, so genau beschrieben, als wenn sie sie selber
erlebt hätten. > Was ein von Folterqualen verirrtes
Gemüt und eine durch Aberglauben und Lüsternheit
aufgepeitschte Phantasie sich an Obszönitäten vor
stellen und bis ins kleinste ausmalen konnte, wurde
auf diese Schaufeste verlegt — haben doch selbst
kaum den Kinderschuhen entwachsene Mädchen aus
der Folter gestanden, daß Satans Umarmung nicht
angenehm, sondern „kalt und haarig" gewesen sei.
„Ich mag nicht weiter singen von Jammer und
von Not." Auf dem Bahnsteig von Bürgeln sah ich
fröhliche Mädchen in bunter Festtracht stehen, die
städtisch gekleidete Altersgenossinnen zum abend
lichen Kirmestanze am Zuge abholten. Als dieser
mich nach Marburg führte, saßen im Wagen Frauen
beieinander, die sich ohne Scheu allerlei von Krank
heit, Vieh- und Menschensterben aus dem Heimat
dorfe erzählten. Noch einmal tauchte bei der Einfahrt
der Hexenturm vor den kleinen Fenstern des Wagens
auf, und in mir erklang der befreite Ausruf Tells
bei Geßlers Tod:
Frei fhtb die Hütten,
Sicher ist die ,Unschuld.
Neuer Aufruf zu einer Iubiläums-Gabe
der gesamten Provinz Hessen-Nassau, aller alten Marburger Studenten und aller Freunde deutscher
Wissenschaft un hlk UtTtWf fttät Äluröurg aus Anlaß der Feier ihres 400jährigen Bestehens.
Beginn der Grund st einlegungsfeter.
(Aufnahme des KunstgeschichUichen Seminars.)
Im Juli 19 2 7 wird die Philipps-Uni-
v e r s i t ä t i n Marburg die F e i e r i h r e s 4 0 0 -
jährigen Bestehens begehen. Aus diesem
Anlaß erging im Juni vorigen Jahres an alle Freunde
deutscher Wissenschaft, an die alten Marburger Studenten
und insbesondere an die gesamte Provinz Hessen-Nassau
unser Aufruf zu einer Jubiläumsgabe zwecks Errichtung
eines Jubiläumsbaues für die alma muter Philippina.
Stolz und dankbar dürfen wir auf den bisherigen Erfolg
unseres Aufrufes blicken. In gleicher opferfreudiger Weise
haben die öffentlich-rechtlichen Korporationen unserer
Provinz und des Landes Waldeck, die Bezirksverbände,
die Landkreise, die Städte, die .Handels-, Handwerks- und
Landwirtschaftskammern wie privatrechtliche Korpora
tionen und private Stifter aus allen Berufsständen,
aus Handel und Industrie, akademischen, Beamten-,
Angestellten- und Arbeiterkreisen innerhalb und außer
halb unserer Provinz, ja über Deutschland hinaus, zu
der Spende beigetragen.
Aber trotz der großzügigen Unterstützung, die wir von
allen Seiten erfahren haben, sind die Mittel für
den Jubiläumsbau noch nicht vollstän
dig gesichert. Dennoch wurde, damit der Bau
rechtzeitig zum Jubiläumstage fertiggestellt werden kann,
am 9. Mai dieses Jahres die Grundsteinlegung gewagt,
in der festen Zuversicht, daß kein Freund unserer