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Zeit 30 Hexenbrände. Noch schlimmer ging es in
Würzburg und Bamberg zu. Besonders von Würz
burg hat uns Soldau in seiner Geschichte der Hexen
prozesse die Berichte der einzelnen Brände gegeben,
wobei die Opfer entweder mit Namen genannt oder
sonstwie näher bezeichnet sind. Neuere Forscher
haben die Ansicht aufgebracht, daß die Hexenprozessei
eine Folge des Frauenüberschusses nach dem dreißig
jährigen Kriege gewesen seien. Wenn man an die
Enge der damals festummauerten Städte denkt, an
das Fehlen jeglicher weiblichen Berufe, so halte ich
es sehr gut für möglich, daß manches überflüssige
Frauenzimmer durch unfreundliche Bemerkungen
seiner Verwandten schließlich in den Ruf der Zaube
rei kam und wegen solcher verurteilt wurde. Der
Glaube au die Hexen war so fest in die Menschen
eingehämmert, daß es schon gefährlich war, an dem
Bestehen dieser Teufelsbündnisse zu zweifeln. Aus
diesem Grunde hat Friedrich -von Spee, der viel
genannte Gegner der Hexenprozesse, 1631 seine
„cautio criminalis“ anonym erscheinen lassen. Aber
seine Stimme verhallte leider angehört, wie auch der
Hallenser Rechtsgelehrte Thomasius seine „Kurzen
Lehrsätze von dem Laster der Zauberei mit den
Hexen" 1703 vergeblich in die Welt gesandt hat. Der
von zwei Dominikanern verfaßte, berüchtigte Hexen-
hammer beherrschte die unteren Geister, von gelehr
ter Seite fand man bei Carpzov, dem Leipziger
Kriminalist (1595—1666), Rückhalt und Zustim
mung für alles, was man an den Angeklagten tat.
Ihm danken wir auch den Begriff von der „Wieder
holung der Folter", wie sie bei einem so schweren
Verbrechen wie Zauberei zur Anwendung zu kommen
habe. Es gab also kein Überstehen der drei Grade
mehr, sondern die Tortur wurde immer wieder von
neuem fortgesetzt, bei einem jungen Mädchen in
Nördlingen 22 mal, bis das 23. mal „mit den Glie
dern auch die Seelenstärke des armen Kindes brach",
wie Scherr uns in seiner „Geschichte der deutschen
Frauenwelt" erzählt. Um sich klar zu machen, was
Frauen auf der Folter aushielten, muß man sich
ein solches Protokoll in allen Stadien vorstellen.
So eins aus dem Jahre 1629: Branntwein auf den
Kopf gegossen und angezündet — Schwefelfaden an
die Arme und um den Hals gelegt, abgebrannt —
hinten aufwärts gezogen und 3 Stunden hängen
gelassen — Branntwein auf den Rücken gegossen
und angezündet, aus die Leiter gelegt, mit unge
hobeltem stachligen Brett auf dem Rücken — -die
Beine an den Waden zusammengeschraubt — des
andern Tages die Tortur wiederholt. Beliebt war
es auch, Angehörige zu zwingen, den Martern ihrer
nächsten Familienglieder beizuwohnen, um sie gegen
seitig „mürbe" zu machen. Ich erinnere mich, im
kunsthistorischen Seminar eine herzzerreißende Dar
stellung gesehen zu haben, wo eine Tochter ver
zweifelt die Arme nach der Mutter ausstreckt, die
mit rückwärts aufgezogenen Armen hängt, den Kopf
todesmüde zur Seite geneigt. Vielleicht war
die alte Frau infolge der Schmerzen soeben ver
schieden.
Bei beit Prozessen handelt es sich immer ivieder
darum, ob die angeklagte Person ein Bündnis mit
dem Teufet eingegangen und ob sie die nächtlichen
Hexentänze besucht habe. Man hielt die Frauen,
als die körperlich Schwächeren, mehr den Ver
führungen des Satans zugänglich, man traute ihnen
auch weniger Festigkeit im Glauben zu. Dazu kam,
daß im Mittelalter die Heilkunst teilweise noch
von Frauen ausgeübt wurde. Zu dieser gehörte ein
für allemal die Kenntnis der Gifte, was für viele
schon ein höheres unheimliches Wissen bedeutete.
Die Phantasie des Volkes hatte sich ausgemalt, daß
der Versucher als freundlicher Besuch zu einsam
lebenden Frauen, die irgendwie verlassen oder zu
rückgesetzt zwischen ihren Mitmenschen wohnten, käme
und diesen liebevollen Zuspruch und Teilnahme
brächte, die sie vielleicht bei anderen entbehrten.
Dem Unsinn liegt vielleicht die psychologisch ganz
richtige Voraussetzung zu Grunde, daß ohne ver
wandtschaftlichen und befreundeten Anhang lebende
Personen, die noch dazu in bedrückten Verhältnissen
sein konnten, leichter geneigt sind, dem bösen Prinzip
ihre Seelen zu verschreiben und sich dadurch irgend
welche irdischen Vorteile zu verschaffen, als solche in
einem großen Kreise von Angehörigen und aus
kömmlicher sozialer Stellung.
Tie Hexensabbate wurden meistens an Orte ver
legt, wo, um mit Eichendorff zu reden, die alten
Götter die Runde machten. Frühere heidnische Opfer-
stätten, die die christlichen Missionare wohl absicht
lich in den Ruf des „Umgehens" gebracht, um sie
den Menschen zu verleiden, waren da besonders be
liebt. Soldau sagt in dem erwähnten Buche, daß
die Zeitgenossen besser mit dem „Festprogramm"
Bescheid gewußt hätten als im Katechismus. Wenn
man es kurz zusammenfassen will, so handelt es
sich im ersten Teil um eine Verhöhnung, gewisser
maßen eine Parodie des christlichen Kultus. Im
Mittelpunkte stand die Austeilung des Sakraments
durch den Teufel, wobei die Hostie schwarz und zäh,
der Wein trübe und stinkend gewesen. Zu Anfang
hielt Satan eine feierliche Rede, in der er seine Ge
treuen gemahnte, ihren Mitmenschen so viel Schaden
zu tun als möglich und ihnen bei solch löblichem
Beginnen seine Hülfe in Aussicht stellte. Vor der
Kommunion hörte er die Beichte seiner lieben
Kinder an, worin sie ihm die begangenen menschen
freundlichen Werke gestanden und reuevoll zugaben,
auch mal einem christlichen Gottesdienst beigewohnt
zu haben. Die Strafe bestand in einer Züchtigung,
wie man sie eigentlich nur bei unreinlichen kleinen
Kindern vornimmt und der scharfen Ermahnung,
solches nie wieder zu tun. Den zweiten Teil bil
dete dann der berüchtigte Hexentanz, wobei Satan
sich mit seinen Anhängern und diese untereinander
„fleischlich vermengten". Der Niederländer Breughel
hat uns ja die Darstellung eines solchen Tanzes ge
geben. In der Wut ihrer Schmerzen haben die pein
lich Befragten diese Feste, wo man kleine Kinder
schlachtete, um die Hexensalbe zu gewinnen und die
Zärtlichkeiten eines Menschen in Bocksgestalt er-