Full text: Hessenland (38.1926)

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Zeit 30 Hexenbrände. Noch schlimmer ging es in 
Würzburg und Bamberg zu. Besonders von Würz 
burg hat uns Soldau in seiner Geschichte der Hexen 
prozesse die Berichte der einzelnen Brände gegeben, 
wobei die Opfer entweder mit Namen genannt oder 
sonstwie näher bezeichnet sind. Neuere Forscher 
haben die Ansicht aufgebracht, daß die Hexenprozessei 
eine Folge des Frauenüberschusses nach dem dreißig 
jährigen Kriege gewesen seien. Wenn man an die 
Enge der damals festummauerten Städte denkt, an 
das Fehlen jeglicher weiblichen Berufe, so halte ich 
es sehr gut für möglich, daß manches überflüssige 
Frauenzimmer durch unfreundliche Bemerkungen 
seiner Verwandten schließlich in den Ruf der Zaube 
rei kam und wegen solcher verurteilt wurde. Der 
Glaube au die Hexen war so fest in die Menschen 
eingehämmert, daß es schon gefährlich war, an dem 
Bestehen dieser Teufelsbündnisse zu zweifeln. Aus 
diesem Grunde hat Friedrich -von Spee, der viel 
genannte Gegner der Hexenprozesse, 1631 seine 
„cautio criminalis“ anonym erscheinen lassen. Aber 
seine Stimme verhallte leider angehört, wie auch der 
Hallenser Rechtsgelehrte Thomasius seine „Kurzen 
Lehrsätze von dem Laster der Zauberei mit den 
Hexen" 1703 vergeblich in die Welt gesandt hat. Der 
von zwei Dominikanern verfaßte, berüchtigte Hexen- 
hammer beherrschte die unteren Geister, von gelehr 
ter Seite fand man bei Carpzov, dem Leipziger 
Kriminalist (1595—1666), Rückhalt und Zustim 
mung für alles, was man an den Angeklagten tat. 
Ihm danken wir auch den Begriff von der „Wieder 
holung der Folter", wie sie bei einem so schweren 
Verbrechen wie Zauberei zur Anwendung zu kommen 
habe. Es gab also kein Überstehen der drei Grade 
mehr, sondern die Tortur wurde immer wieder von 
neuem fortgesetzt, bei einem jungen Mädchen in 
Nördlingen 22 mal, bis das 23. mal „mit den Glie 
dern auch die Seelenstärke des armen Kindes brach", 
wie Scherr uns in seiner „Geschichte der deutschen 
Frauenwelt" erzählt. Um sich klar zu machen, was 
Frauen auf der Folter aushielten, muß man sich 
ein solches Protokoll in allen Stadien vorstellen. 
So eins aus dem Jahre 1629: Branntwein auf den 
Kopf gegossen und angezündet — Schwefelfaden an 
die Arme und um den Hals gelegt, abgebrannt — 
hinten aufwärts gezogen und 3 Stunden hängen 
gelassen — Branntwein auf den Rücken gegossen 
und angezündet, aus die Leiter gelegt, mit unge 
hobeltem stachligen Brett auf dem Rücken — -die 
Beine an den Waden zusammengeschraubt — des 
andern Tages die Tortur wiederholt. Beliebt war 
es auch, Angehörige zu zwingen, den Martern ihrer 
nächsten Familienglieder beizuwohnen, um sie gegen 
seitig „mürbe" zu machen. Ich erinnere mich, im 
kunsthistorischen Seminar eine herzzerreißende Dar 
stellung gesehen zu haben, wo eine Tochter ver 
zweifelt die Arme nach der Mutter ausstreckt, die 
mit rückwärts aufgezogenen Armen hängt, den Kopf 
todesmüde zur Seite geneigt. Vielleicht war 
die alte Frau infolge der Schmerzen soeben ver 
schieden. 
Bei beit Prozessen handelt es sich immer ivieder 
darum, ob die angeklagte Person ein Bündnis mit 
dem Teufet eingegangen und ob sie die nächtlichen 
Hexentänze besucht habe. Man hielt die Frauen, 
als die körperlich Schwächeren, mehr den Ver 
führungen des Satans zugänglich, man traute ihnen 
auch weniger Festigkeit im Glauben zu. Dazu kam, 
daß im Mittelalter die Heilkunst teilweise noch 
von Frauen ausgeübt wurde. Zu dieser gehörte ein 
für allemal die Kenntnis der Gifte, was für viele 
schon ein höheres unheimliches Wissen bedeutete. 
Die Phantasie des Volkes hatte sich ausgemalt, daß 
der Versucher als freundlicher Besuch zu einsam 
lebenden Frauen, die irgendwie verlassen oder zu 
rückgesetzt zwischen ihren Mitmenschen wohnten, käme 
und diesen liebevollen Zuspruch und Teilnahme 
brächte, die sie vielleicht bei anderen entbehrten. 
Dem Unsinn liegt vielleicht die psychologisch ganz 
richtige Voraussetzung zu Grunde, daß ohne ver 
wandtschaftlichen und befreundeten Anhang lebende 
Personen, die noch dazu in bedrückten Verhältnissen 
sein konnten, leichter geneigt sind, dem bösen Prinzip 
ihre Seelen zu verschreiben und sich dadurch irgend 
welche irdischen Vorteile zu verschaffen, als solche in 
einem großen Kreise von Angehörigen und aus 
kömmlicher sozialer Stellung. 
Tie Hexensabbate wurden meistens an Orte ver 
legt, wo, um mit Eichendorff zu reden, die alten 
Götter die Runde machten. Frühere heidnische Opfer- 
stätten, die die christlichen Missionare wohl absicht 
lich in den Ruf des „Umgehens" gebracht, um sie 
den Menschen zu verleiden, waren da besonders be 
liebt. Soldau sagt in dem erwähnten Buche, daß 
die Zeitgenossen besser mit dem „Festprogramm" 
Bescheid gewußt hätten als im Katechismus. Wenn 
man es kurz zusammenfassen will, so handelt es 
sich im ersten Teil um eine Verhöhnung, gewisser 
maßen eine Parodie des christlichen Kultus. Im 
Mittelpunkte stand die Austeilung des Sakraments 
durch den Teufel, wobei die Hostie schwarz und zäh, 
der Wein trübe und stinkend gewesen. Zu Anfang 
hielt Satan eine feierliche Rede, in der er seine Ge 
treuen gemahnte, ihren Mitmenschen so viel Schaden 
zu tun als möglich und ihnen bei solch löblichem 
Beginnen seine Hülfe in Aussicht stellte. Vor der 
Kommunion hörte er die Beichte seiner lieben 
Kinder an, worin sie ihm die begangenen menschen 
freundlichen Werke gestanden und reuevoll zugaben, 
auch mal einem christlichen Gottesdienst beigewohnt 
zu haben. Die Strafe bestand in einer Züchtigung, 
wie man sie eigentlich nur bei unreinlichen kleinen 
Kindern vornimmt und der scharfen Ermahnung, 
solches nie wieder zu tun. Den zweiten Teil bil 
dete dann der berüchtigte Hexentanz, wobei Satan 
sich mit seinen Anhängern und diese untereinander 
„fleischlich vermengten". Der Niederländer Breughel 
hat uns ja die Darstellung eines solchen Tanzes ge 
geben. In der Wut ihrer Schmerzen haben die pein 
lich Befragten diese Feste, wo man kleine Kinder 
schlachtete, um die Hexensalbe zu gewinnen und die 
Zärtlichkeiten eines Menschen in Bocksgestalt er-
	        
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