Full text: Hessenland (38.1926)

13 
jähr starb am 26. Dezember der Geheime Oberregierungs- 
rat Robert P a e h l e r in Kassel. Zu Essen 1842 ge 
boren, wurde er 1894 als erster katholischer Schulrat in 
das Kasseler Provinzialschulkollegium berufen, an dessen 
Spitze er dann als Nachfolger Lahmeyers 1904—19 
stand. Mit Gustav Freytag und Bodenstedt befreundet, 
hat er sich auch als wissenschaftlicher Schriftsteller be 
tätigt. 
Schloß Wilhelmshöhe und die Fürsten- 
a b f i n d u n g. Die „L. N. N." teilen über Einzel 
heiten des zwischen der preußischen Regierung und dem 
ehemaligen preußischen Königshause abgeschlossenen Ver 
gleichs u. a. mit, daß — allerdings nach dem Wehr 
beitragswert von 1913 — Schloß und Park Wilhelms 
höhe mit 35 611060 Reichsmark, das Kasseler Stadt 
schloß mit 3 095 540 Reichsmark eingeschätzt wuckden. Da 
das Wilhelmshöher Schloß schon wiederholt in der Presse 
mit der erwähnten Fürstenabfindung in Beziehung ge 
bracht wurde, wäre es sehr wünschenswert, wenn von 
zuständiger Stelle eine Aufklärung erfolgte; unseres 
Wissens wurden beide Schlösser nach der Annexion nicht 
als Eigentum, sondern nur zur Nutznießung über 
nommen. ! 
Aus Kassel. Die Osauna-Glocke im Südturm des 
Martinsdomes ist gesprungen und wird dem Einschmelzen 
verfallen sein. Die etwa 80 Zentner schwere, populärste 
Glocke Kassels bildete (nach Holtmeyer) einen Umguß 
der alten, 1441 gegossenen Osanna-Glocke aus der 1526 
abgebrochenen Cyriakuskirche auf dem Marställer Platz, 
die von dort auf den Turm der Martinskirche kam. 
Umgegossen wurde die Glocke 1818 durch Henschel. Be 
kanntlich gehörte es zu den Kasseler Wahrzeichen, daß 
diese Glocke, vom Türmer von vier Uhr morgens bis 
sieben Uhr abends mit der Hand angeschlagen, mit täg 
lich 100 Schlägen die vollen Stunden angab. 
Aus Fulda. Am 10. Januar konnte die hiesige 
Benediktrnerinnen-Abtei die 300jährige Wiederkehr ihrer 
Gründung begehen. Anfang 1626 waren die ersten vier 
Benediktinerinnen von Zella aus dem Eichsfeld auf den 
Ruf des Fürstabtes Johann Bernhard Schenk zu 
Schweinsberg nach Fulda gekommen, und am 24. März 
fand die Grundsteinlegung des Klosters statt. 1631 
feierte der Fürstabt in der neuen Klosterkirche das erste 
Meßopfer. 
Aus Homberg. 400 Jahre werden am 21. Ok 
tober verflossen sein, seit hier unter dem Vorsitz Land 
graf Philipps des Großmütigen die Homberger Synode 
stattfand, die die endgültige Einführung der Reformation 
und Aufhebung der Klöster in Hessen zur Folge hatte. 
Die 400-Jahrfeier soll festlich begangen werden. 
Aus Treysa. Von den sieben Märkten, die hier 
abgehalten werden, hat nur der Scherzmarkt, am Tage 
nach dem Weihnachtsfest, seine Bedeutung behauptet. 
Nachweislich bezeichnet der Treysaer Scherzmarkt seit 
Jahrhunderten für die junge Welt im Schwalmtale den 
Höhepunkt der winterlichen Vergnügungen. An diesem 
Tage gibt sich das Jungvolk der Umgegend in unserer 
Stadt ein Stelldichein, bei dem auch die Alten nicht 
fehlen wollen. Die Treysaer Geschäftsleute und Gast 
wirte treffen für diesen Tag besondere Vorbereitungen. 
Mit der Bahn, zu Wagen und zu Fuß kamen die Leute 
der Umgegend in dichten Scharen hier an, und ohne 
Zweifel ist wieder manches Liebesband geknüpft worden, 
das zum Ehestaud führen wird. Auch die vielen Verkäufer 
nrachten gute Geschäfte, besonders Zuckerbäcker und Buch 
binder, da die Zuckerherzen (das ewig jung bleibende 
Symbol des Sichsuchens und Sichfindens) ein sehr be- 
gehrter Artikel waren; die letzteren fanden guten Absatz in 
Fibeln, Bibeln und Gesangbüchern, die als Patengeschenke 
gekauft wurden. Am Nachmittag und abends fand in 
vier Sälen Tanzmusik statt. Dabei gruppierten sich 
Burschen und Mädchen aus den verschiedenen Ortschaften 
zusammen, auch Schwülmer haben ihre bestimmten Lo 
kale, in denen sie am liebsten verkehren. Überaus be 
friedigt verließen die Schwälmer den „Treeser Scherz-' 
markt" (von scherzen, d. h. den Dienst wechseln), auf 
den sie sich schon lange Zeit vorher freuten und der für 
die Spinnstuben der langen Winterabende den Gesprächs 
stoff liefern muß. (Fuldaer Ztg.) 
Aus S ch m a l k a l d e n. Das von dem Meinin- 
gischen Staatsarchiv mitverwaltete Hennebergische Ar 
chiv, das der historischen Feststellung nachbarlicher Be 
ziehungen zwischen Thüringen und Hessen dient und be 
sonders den Forschungen des Hennebergischen Geschichts 
vereins zu Grunde liegt, erhält durch einen Staatsvertrag 
mit Preußen eine Subvention in Höhe von einem Viertel 
der Bezüge des Staatsarchivs. 
A u s H u n g e n. In Hungen fand unter sehr starker 
Beteiligung aus allen Teilen Hessens der zweite hessische 
Schäferappell statt. Kreisveterinärarzt Professor Dr. 
K u e l l sprach zunächst über Bedeutung der Schafzucht. 
Dann wurde ein Festzug aufgestellt, der von zwölf deut 
schen Micheln, einer Reitergruppe des Landbundes, er 
öffnet wurde. Es folgten Standesherrschaften, Bürger 
meister der Gemeinden, Gesangvereine, die Schäfer, 
deren Führer auf einem Esel ritt, und ein Festwagen. 
Aus dem Festplatz ertönte Schäfers Sonntagslied: „Das 
ist der Tag des Herrn." Der Vorsitzende des hessischen 
Schäfervereins, Schäfer Müller aus Stangenrod, for 
derte die Schäfer auf, die jetzige Not des Bauernstandes 
mittragen zu helfen und treu und gewissenhaft ihren 
Dienst zu tun zum Wohle unseres Volkes. Namens der 
Landwirtschaftskammer sprach der zweite Vorsitzende, der 
die Bedeutung des Hirtendienstes hervorhob und den 
Schäfern Dank und Anerkennung zollte. Geheimsekretür 
Dr. Wagner würdigte die Schafzucht, die besonders 
in der Kriegs- und Nachkriegszeit zu Ehren gekommen 
sei. Lebhaftes Interesse fand. ein Wettlauf der Schäfer 
buben und Schäfermüdchen; das beste Paar der Läufer 
wurde Schäferkönig und Schäferkönigin. Auf dem 'Rück 
märsche erfolgte ein Vorbeimarsch der Schäfer, die in 
ihrem schmucken Schäferkleid mit Schäferschippe und 
breitem Hut einen guten Eindruck machten. Alsdann 
wurde ein Schafzuchtfilm vorgeführt. (Oberh. Ztg.) 
Aus D a r m st a d t. Die „Darmstädter Zeitung", 
das amtliche Organ der hessischen Landesregierung, trat 
am 1. Januar in ihren 150. Jahrgang. 
Ausgrabungen auf der Amöneburg. Dem 
bekannten hessischen Archäologen Professor Vonder- 
a u - Fulda sind vom preußischen Kultusministerium be 
trächtliche Mittel zur Verfügung gestellt worden für 
Bodendurchforschungen nach weiteren K l o st e r st ä t t e n 
auf hessischem Boden. Professor Vonderan hat sich be 
kanntlich durch seine erfolgreichen Ausgrabungen am 
Fuldaer Dom und in der Hersfelder Stiftskirche einen 
wissenschaftlichen Namen erworben. Er beabsichtigt, im 
kommenden Frühjahr mit seinen Bodendurchforschungen 
auf der A m ö u e b u r g zu beginnen. Da es sich hier 
ebenfalls um eine über '1200 jährige Siedlung des Boni- 
fatius handelt, sieht man den Ausgrabungen in der 
wissenschaftlichen Welt mit Erwartung entgegen. Mitten 
im Ohmtale erhebt sich das kleine Städtchen auf einem 
etwa 150 Meter hohen, nach. allen Seiten ziemlich steil 
abfallenden Plateau. Ehemals eine kurmainzische Festung,
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.