Full text: Hessenland (38.1926)

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mit seinem erkrankt gewesenen und dadurch völlig 
mittellos gewordenen Vater über Land, um bei 
einem Verwandten in dem hessischen Landstüdtchen 
R. eine kleine Schuld einzukassieren. Unterwegs 
erkrankte der 60 jährige Vater in einem Dorfe, das 
die beiden auf ihrer Wanderschaft berührten. Ludc- 
wig Milde suchte Hilfe beim Pfarrer des Dorfes, 
der auch herbeieilte, aber nur noch tröstende Worte 
spenden konnte. 
Der alte Milde stirbt und Pfarrer Ackermann 
behält den jungen Milde bei sich und erzieht ihn 
mit seinen Kindern. Durch den siebenjährigen Krieg 
verliert er aber sem kleines Vermögen, kann den 
Pflegesohn nicht länger erhalten und schickt ihn 
deshalb zu seinem jüngeren Bruder in Hamburg, 
damit er bei diesem, der dort ein gut gehendes Ge 
schäft betreibt, die Handlung erlerne. Dieser Kauf 
mann Ackerniann unterhält Handelsbeziehungen mit 
Ostindien, die ihn eines Tages nötigen, einen seiner 
Leute dorthin zu schicken. Er bestimmt dazu Lud 
wig Milde, der mittlerweile ausgelernt hat und 
als Kommis im Ackermannschen Geschäfte arbeitet. 
Das Schiff, mit dem Milde die Reise unternimmt, 
geht, nachdem es das Kap der guten Hoffnung um 
segelt hat, in einem Sturm unter. Sämtliche In 
sassen finden den Tod in den Wellen bis auf Milde, 
der an den Strand einer einsamen und unbewohn 
ten Insel geworfen wird. Im Gegensatz zu dem 
Ur-Robinson, der nur wenige Gerätschaften von 
seinem Schiffe rettete und sich im wesentlichen alle 
seine Bedarfsgegenstände selbst anfertigen mußte, 
fand Milde an der Küste seiner Insel nicht nur 
2 Boote seines Schiffes, sondern auch zahlreiche 
Kisten und Fässer mit Vorräten aller Art. So 
befand er sich binnen kurzem im Besitze von Mehl, 
gesalzenem Fleisch, Salz, Zwirn, Garn, Nähnadeln, 
Scheren, Spiegel, Barbier- und einigen Taschen 
messern, Wein, Arrak, mehreren Schinken, Würsten 
und geräuchertem Fleisch, blauem,Tuch, 12 Stücken 
Leinwand, einigen Paar Stiefeln/12 Paar Schuhen, 
Sägen, Beilen, Hämmern, Zangen, Feilen, Nägeln, 
Meißeln, Schreibzeug, Papier, einer Bibel, 20 
Stück Jagdgewehren, Pulver, Blei und Flinten 
steinen. Damit ließ sich schon auf der Insel leben, 
zumal diese eine große Anzahl Bäume und Sträucher 
aufwies, deren Früchte und Beeren genießbar 
waren, und auch verschiedene Tierarten beherbergte, 
deren Jagd frisches Fleisch lieferte. Ludwig Milde 
zimmert sich denn auch alsbald eine Hütte aus an 
geschwemmten Brettern, fängt sich eine Antilope, 
einen Affen, mehrere Schafe, 2 Papageien und 
einen jungen Schakal, den er zähmt, als .Haustiere 
und führt ein ganz behagliches Dasein. Einen 
großen Teil seines Buches stillt der Verfasser mit 
der Beschreibung aller auf der Insel vorkommenden 
Pflanzen und Tiere, wobei er so ziemlich alles auf 
der Insel wachsen und gedeihen läßt, was nur 
irgend in den Tropen vorkommen kann. 
Nachdem etwa ein Jahr verflossen war, scheiterte 
abermals ein Schiff vor der Insel und von den 
Insassen wurden ein Engländer, namens .Hutson, 
mit seinem Sohn und seiner Tochter, einem Dienst 
mädchen und 2 Matrosen auf den Strand gespült, 
zugleich aber mich zahlreiche Kisten und Fässer mit 
reichen Vorräten aller Art, so daß auch für diese 
vermehrte Bewohnerschaft der Insel auf Jahre 
hinaus ein ganz behagliches Leben gesichert ist. Nach 
einiger Zeit heiratete dann Ludwig Milde die Tochter 
Hutsons und der junge Hutson das Dienstmädchen. 
Ackerbau und Viehzucht wurden betrieben und es 
fehlte den Ansiedlern eigentlich an nichts. 
Nach Verlauf eines weiteren Jahres landet dann 
ein malayisches Schiff (in dem Buche ein „moh- 
risches" genannt) von der Malabarküste unter seinem 
Kapitän Hassan Mulay, das Havarie gelitten hatte. 
Mit Hilfe der Inselbewohner werden die Schäden 
ausgebessert und das Schiff segelt wieder ab, nicht 
ohne auch wieder eine Anzahl Haustiere und nütz 
liche Gerätschaften zurückzulassen. Der alte Hutson 
schifft sich bei dieser Gelegenheit nach Goa ein, um 
dem dortigen englischen Gouverneur Meldung von 
der Entdeckung der Insel zu machen. Nach 10 
Monaten kehrt er mit dem Schiff «zurück und bringt 
einen Kommissar der englisch - ostindischen Kom 
pagnie mit, der die Insel nach Mildes Vornamen 
Lewis tauft und Milde selbst zum Gouverneur mit 
600 Pfund Sterling Gehalt, dessen Schwager Hutson 
aber zum Faktor mit 500 Pfund Sterling Gehalt 
ernennt. Mit dem Schiffe trifft auch eine Anzahl 
Kolonisten ein, die bei der bisherigen Wohnstätte 
Mildes und Hutsons angesiedelt werden. Der neue 
Ort erhält nach dem König von England den 
Namen Georgetown. Es entwickelt sich nun ein 
regelmäßiger Schiffsverkehr mit Ostindien; immer 
mehr Kolonisten treffen ein und der Gouverneur 
von Kalkutta schickt Kamele, .Haustiere und Vorräte 
aller Art. Damit schließt der erste Band. 
Im zweiten Band wird zunächst erzählt, daß der 
Kaufmann Ackermann, dem wie seinem Bruder,. 
dem Pfarrer, von Milde Briefe zugegangen sind, 
ein dänisches Schiff mietet und mit europäischen 
Handelsprodukten nach der Insel Lewis sendet, um 
Handelsverkehr anzuknüpfen. Auf der Insel sind 
mittlerweile weitere 78 Ansiedler, darunter 2 Pre 
diger und ein Arzt eingetrosten, die nun ein neues 
Dorf, namens Neucork, gründen. Von einem vor 
der Insel strandenden Schiffe werden 124 Menschen 
gerettet, die sich alsbald entschließen, auf der In 
sel wohnen zu bleiben, und ein weiteres Dorf, Hard- 
field, gründen. Die Gesamteinwohnerzahl der In 
sel beträgt jetzt schon 386 Seelen. Mit einem von 
der ostindischen Kompagnie bewilligten Vorschuß 
von 35 000 Pfund Sterling wird eine Zucker 
siederei und eine Baumwollenmanufaktur angelegt. 
Dann bringen zwei Schiffe von Ostindien weitere 
200 Kolonien, die ein viertes Dorf anlegen. Eine 
Brigg wird gekauft und damit Seefischfang be 
trieben. Die Insel führt jetzt schon Baumwolle, 
Kautschuk, Sago, Tamarinden, Zimt, Ingwer, 
Zucker, spanisches Rohr und Rohseide aus. Auch 
Perlen werden gefischt, Gold gegraben, wobei auch 
Diamanten und verschiedene andere Edelsteine ent-
	        
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