Full text: Hessenland (38.1926)

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und ist dieser noch heute Überschwemmungsgebiet und 
bei anhaltendem Regenwetter, bei Gewittergüssen 
und namentlich bei der Schneeschmelze im benach 
barten Gebirge gewaltigen Überflutungen ausgesetzt. 
Er war deshalb früher — und ist es streckenweise 
noch heute — ein unpassierbares Sumpfgebiet, mit 
Auenwaldungen bestanden und von Lachen-und toten 
Flußarmen durchzogen. Die Ortschaften sind des 
halb fast sämtlich an die Talkanten gerückt und liegen 
auf alten Flußterrassen. Auch die Straße mied und 
meidet, so weit es angängig ist, das Flußufer und 
den eigentlichen Talgrund. Ja, in alter Zeit war 
sie wegen der Hochwassergefahr zeitweilig gar nicht 
gangbar. Schon Landau hat 1856 auf diesen Um 
stand aufmerksam gemacht (cf. „Beiträge zur Ge 
schichte der alten Heer- und Handelsstraßen in 
Deutschland" in der „Zeitschrift für deutsche Kultur 
geschichte", Jahrgang 1856). Der Verkehr suchte 
deswegen mehr die Hochstraßen, die über trockenen 
Boden führten und gar nicht solche Terrainschwierig- 
Auf der Ronneburg. Skizz- aus 
„Mit der rothaarigen Hexe geht's wirklich net 
länger mehr so weiter!" klagte die behäbige Schaff 
nerin ganz erregt dem Befehlshaber der Ronne 
burg, dem schnauzbärtigen hessischen Wachtmeister. 
„Das Mensch wird immer fauler und steckt damit 
die anderen Mägde an. Weiter nix wie Flausen 
hat sie im Kopf und macht das ganze Mannsvolk 
auf der Burg verrückt! — Hättet Ihr sie doch da 
mals im Walde liegen lassen —!" 
„Aber, Dörte," erwiderte der stattliche Wacht 
meister, „das hättet Ihr selber auch net übers .Herz 
gebracht! Und Ihr hattet mir doch auch gerade an 
dem Tage darüber geklagt, daß Ihr die ganze 
Kocherei und Wirtschaft für die verstärkte Besatzung 
mit zwei Mägden allein net mehr schaffen könntet! 
Da war es doch wie eine Schicksalsfügung, daß 
wir bei dem Erkundungsritt das Frauenzimmer ohn 
mächtig vor Überanstrengung im Walde liegen 
fanden!" 
„Ich habe schon manchmal bei mir gedacht, Wacht 
meister," entgegnete'die dicke Schaffnerin, „daß das 
alles nur Verstellung von der roten Trud' war — 
ich trau ihr net recht über'n Weg: die ganze Ge 
schichte, die sie uns da immer wieder vorerzählt von 
ihrem ungetreuen Liebhaber bei den schwedischen 
Reitern, der sie mit einem anderen Weibsbild be 
trogen und in ihrer Krankheit hat sitzen lassen, und 
dem sie dann so ins Blaue hinein zu Fuß nach 
gelaufen ist, um sich an ihm zu rächen — ich weiß 
net, das klingt doch " 
„ ganz glaubwürdig, beste Dörte!" fiel ihr 
der Wachtmeister scharf ius Wort. „Rur eins kann 
man dabei net verstehn, mein' ich: daß der Zange 
Kaspaft so ein verteufelt hübsches Weibsbild hat 
los werden wollen, noch dazu, wo sie eine deutsche 
Landsmännin von ihm war!" 
„Ach,, geht mir doch mit der verteufelten Hübsch 
heit! Mir gefällt sie gar net mit dem brandroten 
keiten zu überwinden hatten, wie Unkundige vielfach 
annehmen. Dies gilt besonders von den Vogelsberg 
straßen, die deshalb bis in die neue Zeit hinein viel 
mehr begangen wurden als die Kinzigstraße. Erst 
als sich Frankfurt a. M. und Leipzig als Meßorte 
entwickelten, als diese Straße zur Kunststraße 
(Chaussee) ausgebaut wurde und als an Stelle des 
zweiräderigen Karrens der vierräderige Frachtwagen 
trat, wurde sie von den Kaufleuten und Reisenden 
vor jenen bevorzugt. Das hat aber nicht Vonderau, 
dessen Verdienste um die Archäologie des Fulder- 
landes beileibe nicht geschmälert werden sollen, zu 
erst erkannt, das hat man vielmehr im Kinziggebiet, 
wo Vonderau ja völlig Fremder ist, schon längst 
gewußt. Ebenso ist der vorrömische Ursprung dieser 
Straße den einheimischen Forschern längst nicht mehr 
zweifelhaft und wird auch wieder durch die jüngst 
gemachten Funde, die Professor Bremer wohl nicht 
bekannt geworden sind, bestätigt. 
G. Maldfeld, Steinau. 
dem Jahre 1636. Von Herm. Hollender. 
Haar und den kohlschwarzen Augen, der langen 
dünnen Nase und überhaupt der ganzen dürftigen 
Gestalt " 
„Na ja — neben Euch ist sie die reine Else", 
lachte der Wachtmeister. 
„Für so was hält sie sich vermutlich auch!" 
brummte Dörte. „Sie dünkt sich zu zart und zu fein 
für unsere Arbeit — am liebsten möchte sie wie 
so eine Elfe tanzen und umherschwirren, nämlich 
von einem Männerarm in den andern! Der lange 
Kaspar wird wohl auch bald gemerkt haben, woran 
er mit ihr ist — die Untreue beruht sicher auf Gegen 
seitigkeit! Und das dumme Geschwätz von ihrer 
beabsichtigten Rache an ihm — das glaub', wer will, 
sie denkt gar net dran!" 
„Weil ich ihr, wie ich Euch doch wohl schon ein- 
mal sagte, die Aussichtslosigkeit, ihn zu finden, 
vorgestellt habe," erwiderte der Wachtmeister mit 
Nachdruck, „und den Rat gegeben, sie sollte den un- 
getreuen Menschen vergessen oder ihn am besten da 
durch strafen, daß sie sich ebenso wie er anderweitig 
tröstete!" 
„Ja, ja," versetzte die Schaffnerin lachend, „am 
liebsten mit einem gewissen Herrn Wachtmeister — 
na, werdet nur net gleich böse, Ihr wißt ja ebenso 
wie ich, daß das net der Fall ist und das gerissene 
Frauenzimmer es versteht, alle Männer in sich ver 
rückt zu machen, ohne daß einer davon sich wirklich 
ihrer Liebe rühmen kann. Ich glaube, die hat gar 
kein Aerz net im Leib, kein Gemüt — sie denkt ja 
auch gar net einmal daran, sich dankbar zu zeigen 
für die Aufnahme bei uns! Sonst müßte sie sich doch 
mehr bemühen, uns Dienste zu leisten. Ich mein' 
daher, Wachtmeister: schickt das undankbare, herz 
lose, faule und unnötige Mensch sobald als möglich 
fort! Ich werde auch ohne die Landstreicherin mit 
der Arbeit fertig werden — wahrscheinlich sogar 
besser!"
	        
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