Full text: Hessenland (38.1926)

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er einen großen Altar in Werkstein ans. Ferner 
entstanden eine große Anzahl von Entwürfen für 
kirchliche Gefäße, Monstranzen, Ciborien, Kelche 
usw., Bischofstäbe für Bischof Kettler von Mainz, 
für die Bischöfe von Trier und Utrecht, sodann Ent 
würfe zu einem großen Reliquienschrein für eine 
Brüsseler Kirche, bestimmt zur Aufnahme der Re 
liquien der 1870 heilig gesprochenen 19 Märtyrer 
von Jorkum. Der etwa 1,6 m lange Schrein wurde, 
in Kupfer vergoldet, vom Goldschmied Hellner in 
Kempen ausgeführt. Lebhaft beschäftigten ihn daun 
Konkurrenzarbeiten für bte innere Ausstattung des 
Kölner Domes, Entwürfe für einen Hochaltar in 
Verbindung mit dem Dreikönigsschrein, für den erz- 
bischöflichen Thron, für Sedilien, Kanzel, Lettner 
und Beichtgestühle, von denen eines nach seiner 
Zeichnung ausgeführt wurde; im übrigen unter 
blieben während des Kulturkampfes die Ausführun 
gen. Für einen von der Gilde St. Lukas in Mecheln 
ausgeschriebenen großen Ciborienaltar erhielt er den 
ersten Preis, und 1870 fiel ihm aus Grund einer 
allgemeinen Konkurrenz der erste Preis und die Aus 
führung des schönen Marktbrunnens in Lübeck zu; 
1872 schuf er im Auftrag des Herzogs von Mei 
ningen den Monumentalbrunnen für den Meininger 
Marktplatz. Ein Aufenthalt in Düsseldorf (1874 
bis 1879) bringt ihn der Malerei näher. Als dann 
1879 der unter Oswald Achenbach an der Düssel 
dorfer Akademie ausgebildete Louis Kolitz Direktor 
der Kasseler Akademie wurde, wurde noch im selben 
Jahr Hugo Schneider, der sich inzwischen einen 
Namen gemacht hatte, als Nachfolger v. Dehn-Rot- 
felsers an die Kasseler Akademie berufen. Noch in 
Aachen hatte er das schon erwähnte Projekt für den 
Aufbau des Turmes am Aachener Dom mit den 
im oberen Teil angebrachten Heiligtumskapellen 
und den Umgängen zum Zeigen der Heiligtümer 
angefertigt. Das Projekt lag sieben Jahre lang im 
Ministerium, weil ein Konkurrenzprojekt des da 
maligen Oberkonservators von Quast vorlag. Das 
Domkapitel hielt jedoch an Schneiders Plan fest, 
der dann auch schließlich genehmigt und unter seiner 
Leitung ausgeführt wurde. Schon in Aachen hatte er 
eine Skizze für den Aufbau, der Kasseler St. Mar 
tinstürme gezeichnet, hatte aber wieder-das Pech, 
daß — diesmal vom Nachfolger des erwähnten Ober- 
konservators, von Dehn--Rotfelser — wieder ein 
Plan vorlag. Das hatte zur Folge, daß Schneiders 
Plan wiederum Jahre lang zu den Akten gelegt, 
dann aber doch genehmigt und in den Jahren 1889 
bis 1891 ausgeführt wurde. Wie schwer das gewal-- 
tige Turmgerüst seinerzeit beim Brand des Rosen- 
zweigschen Hauses (14. Juli 1891) gefährdet war, 
hat Schneider selbst einmal in einem längeren Auf 
satz höchst fesselnd geschildert. Im Jahre 1883 er 
hielt er in allgemeiner Konkurrenz den zweiten Preis 
für das Projekt zum Aufbau der Aachener Rathaus 
türme und ferner den zweiten Preis für ein Kon 
kurrenzprojekt zu einem Monumentalürunnen für den 
Domplatz in Bremen. Bereits in das Jahr 1881 fielen 
Plan und Ausführung des Renaissance-Löwen 
brunnens am Kasseler Friedrich-Wilhelmsplatz. 1888 
erhielt Professor Schneider in engerer Konkurrenz 
unter vier Architekten den ersten Preis für Entwürfe 
und Modelle in natürlicher Größe zu Bronzetüren 
des Kölner Domes. Vier Türen des Turmportals 
und vier des Südportals wurden ihm in Auftrag 
gegeben und in den Jahren 1889—1891 ausgeführt. 
1902 erhielt er in beschränkter Konkurrenz den 
ersten Preis für den geplanten Neubau der Kasseler 
Lutherkirche, die 1902—1907 erbaut wurde. Auch 
das Grabmal des Oberpräsidenten von Möller und 
das Uhrtürmchen in der Hohenzollernstraße find 
Schneiders Werk. Eine im Juni 1923 im Kasseler 
Bose-Museum veranstaltete Ausstellung seiner Ent 
würfe zu Kirchenbauten und deren Innenausstat 
tung, zu Denkmälern und Brunnen sowie zu kunst 
gewerblichen Gegenständen, aber auch seiner farbigen 
Bildskizzen, Kohlezeichnungen und Szenenbilder gab 
noch einmal einen Überblick über sein gesamtes 
Schaffen. In das Jahr 1908 füllt feine, malerischen 
Studien gewidmete zweite Jtalienreise, der 1912 
eine dritte zu demselben Zwecke folgte, nachdem er 
1910 in den Ruhestand getreten war. Es ist über 
haupt bemerkenswert, daß Hugo Schneider sich in 
seinen späteren Lebensjahren mit besonderer Vorliebe 
der Malerei zuwandte. Noch in seinen letzten Tagen 
arbeitete der Unermüdliche vor der Staffelet. Daß 
er auch aus diesem Gebiet Bemerkenswertes leistete, 
mag sein in der Murhardbibliothek hängendes 
lebensgroßes Bild des einstigen Kasseler Akademie 
direktors Professor Friedrich Müller zeigen, des 
Verfassers des aufschlußreichen Werkes „Kassel seit 
70 Jahren". 
Professor Hugo Schneider ließ ein reich aus 
geschöpftes, arbeitsvolles und von Erfolg gekröntes 
Leben hinter sich. In glücklicher Ehe mit Emma 
Roghs aus Bremen verbunden, traf den schon Be 
tagten der schwere Schlag, daß die einzige Tochter, 
deren Gatte, Bibliothekar Dr. Legband, als Haupt 
mann im Weltkrieg fiel, kurz nach der Geburt 
ihres Kindes vom Tod dahingerafft wurde. Mehr 
als drei Jahrzehnte hat Hugo Schneider in seiner 
Vaterstadt Kassel als Akademieprofessor gewirkt, 
lind noch für lange Zeit wird das Kasseler Stadt 
bild Spuren seines Schaffens ausweisen. Es ist 
verständlich, daß Schneider den Wandel des Ge 
schmackes, der sich an seinem Lebensabend vollzog, 
nicht mitmachen konnte. Die Zeit des Eisens und 
Betons paßte wenig zu den Idealen mittelalter 
licher Kunstübung, wie sie Hugo Schneider erfüllten. 
Wenn die Gegemvart z. B. auch bei Wiederherstel 
lung der Martinstürme nicht aus die Ausdrucks- 
sormen einer vergangenen Zeit zurückgreifen würde, 
so ist eben jeder Mensch und nicht zuletzt der bil 
dende Künstler ein Produkt seiner Zeit, und die 
Zeit, in der der aus der Schule Ungewitters und 
aus der Kölner Dombauschule hervorgegangene junge 
Kasseler Architekt seine stärksten Eindrücke empfing, 
sah eben in der Gotik die eigentlich deutsche Kunst. 
Aber es war bei Schneider wie bei seinem berühmten 
Lehrer Ungewitter weniger der Geist der Gotik, als
	        
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