Full text: Hessenland (37.1925)

geschickt Aller Augen zu entziehen gewußt, 
zugleich so unbesonnen und tölpelhaft bey Aus 
führung der That verfahren können; so war 
es auf der anderen Seite Glicht minder un 
begreiflich, wie der Lakai Bechstädt, der in 
seiner Art ein ziemlich gebildeter vorsichtiger 
Mann war, ein Glas Grog von einem un 
bekannten Menschen ohne allen Anstand an 
nehmen und bis auf den Grund austrinken 
konnte. Dazu kam aber noch, daß der Grog, 
wenn ihm ein Zusatz von Arsenik in der hier 
vorhanden gewesenen Quantität gegeben wird, 
nach den angestellten chemischen Versuchen, 
eine hellere, dem Eyerwein ähnliche Farbe an 
nimmt, und daß dieser Umstand dem Bechstädt, 
der unstreitig zum öftern Grog gesehen und 
getrunken, verdächtig vorkommen mußte. Aber 
noch mehr mußte man erstaunen, wenn may 
bedachte, daß der Lakai Bechstädt, der, wie 
die Untersuchung ergab, sich keiner einzigen, 
von allen auf dem Balle anwesend gewesenen 
Personen, nicht einmal seinen Freunden uno 
Bekannten zu erkennen gegeben, auf einmal 
das ihm befohlene Jncognito mittelst Ablegung 
der Maske außer Augen gesetzt haben sollte, 
um von einem Unbekannten eine sehr geringe 
Gabe annehmen zu können. 
Schon das eben Angeführte mußte noth 
wendigerweise ein großes Mißtrauen in die 
Wahrheit der von Bechstädt erzählten That 
sachen herbeiführen; die weitere Untersuchung 
aber ergab noch mehr, daß dieser ganzen Er 
zählung überall kein Glauben bcyznmessen sey. 
Zuvörderst nemlich nruß man es für eine 
Erdichtung halten, daß Bechstädt gegen zwey 
Uhr nach Mitternacht noch ans dem Masken- 
balle gewesen sey. Schon eine Stunde früher 
war er vermißt worden und aller Nach- 
suchungen ungeachtet nicht zu finden gewesen. 
Diese Nachforschungen waren eine geraume 
Zeit hindurch fortgesetzt worden und Bechstädt 
mußte davon Kenntniß erlangen, wenn er sich 
auch für einen Augenblick aus dem Ball- und 
Schenkzimmer entfernt gehabt Hütte. Ta er 
aber noch eine volle Stunde nach dem Ab 
gänge seiner höchsten Herrschaft auf dem Balle 
anwesend gewesen seyn will, so hätte er doch 
während dieser ganzen Stunde wohl einmal 
den Beruf in sich gefühlt, sich nach des Kur 
prinzen Hoheit, oder dem Hauptmann von 
Steuber zu nähern, um etwaige Befehle ent 
gegen zu nehmen; und solchergestalt würde er 
dann die Entfernung seiner höchsten Herr 
schaft haben bemerken müssen. Damit mußte 
auch die vom pp. Bechstädt vorgebrachte, an 
sich schon wenig zu rechtfertigende Entschuldi 
gung: daß er sich wegen großen Uebelbefindens, 
ohne vorgüngige Anzeige bey seiner gnädigsten 
Herrschaft, vom Balle entfernt habe, allen 
Glauben verliehren. Weit eher konnte man 
annehmen, daß Bechstädt, wenn er mit schlech 
ten und liederlichen Personen Umgang gehabt, 
an einem ganz anderen Orte, ver 
giftet worden sey; allein die, auch hieraus ge 
richtete Untersuchung ergab, daß er niemals 
eine ausschweifende Lebensart geführt, son 
dern stets sittlich gelebt und überall keinen 
näheren Umgang, am wenigsten mit Personen 
von schlechtem oder zweideutigem Rufe gehabt 
habe. . 
Hiernächst hatten sämmtliche auf dem Mas- 
kenballe anwesend gewesenen und von der Poli- 
zeybehörde, wie von dem Jnstruetionsrichter 
vernommenen Personen, weder einen verdäch 
tigen Vorgang überhaupt, noch insbesondere 
den Umstand bemerkt: daß eine schwarze Maske 
mit schwarzem Domino einer anderen Maske 
im Anzuge des Bechstädt ein Glas Grog ge 
reicht und daß die letzte Maske sich hierauf 
demaskirt und das Glas ausgetrunken habe. 
Bey der stattgehabten guten Erleuchtung des 
Ball-Locales Hütte doch wohl einem von 260 
Ballgästen ein solcher Vorgang bemerklichwcr- 
den müssen, zumal das Ablegen der Maske 
und das Austrinken des Grog's nicht das Werk 
eines kurzen Augenblicks seyn konnte. Es hat 
aber auch Niemand bemerkt, daß sich irgend 
Jemand wegen Übelbefindens beklagt und ent 
fernt habe. 
Nicht minder grundlos erscheint die weitere 
Angabe des Bechstädt, daß ihm das Glas Grog 
von einer schwarzen Maske im schwarzen 
Domino gereicht worden sey. Zwar befanden 
sich auf dein Balle eine Menge von Personen, 
die schwarze Domino's trugen; aber nur einige 
wenige Personen trugen neben den schwarzen 
Dominos auch schwarze Masken und die sie 
trugen kannten bcn Bechstädt entweder gar 
nicht oder doch nur dem Namen nach, und ihr 
rechtlicher Ruf und die persönlichen Verhält 
nisse in denen sie leben, sprechen sie frei von 
einem jeden Verdacht. 
Endlich kann aber auch die Angabe des Bech 
städt, daß ihm — von irgend Jemand — ein 
Glas Grog gereicht iuorbeu sey, nicht als 
wahr angenommen werden. 
Nach den ersten Angaben des Wirthes Schrö 
der und seiner Domestiquen waren überhaupt 
während des Balles nur 4 Gläser Grog be 
reitet und ausgegeben worden. 'Allein eine
	        
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