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lich näher und wurde durch Beurmann Mit
arbeiter an der erwähnten „Kurhessischen All
gemeinen Landeszeitung"; für das Beiblatt
„Die Wage" nahm er dem Dr. A. Geeh die
wesentlichste Arbeit ab. Das Blatt erschien
am 15. Mai 1837, aber als Dingelstedt kurz
vor seiner Reise, die ihn an den Rhein und in
den Taunus führte, diesen Brief schrieb, ahnte
er noch nicht, daß sein Blatt nach einem hal
ben Jahr Lebensdauer eingehen würde.
Kassel 2. Juli 37.
Nur 10 Worte, Herzbruder! und diese im größten
Fluge. Denn in i/2 Stunde sitze ich im Postwagen nach
Frankfurt a. M. Deine Zeilen durch Bethge sind mir
geworden. Er wird aber wohl nicht zum Gastspiele kom
men. Tu gehst nach Leipzig? Wenn es wahr ist, was
Bethge sagte, daß . ..
Mit Freude habe ich neuerdings Deine Arbeiten ge?
lesen. Tu bist unglaublich sleißig. In der neuen Mitter-
nachtsz. werden tvir uns begegnen.
Wegen der „Hessischen Ldszeitung", deren Coredacteur
ich bin, so nimm dem eigentlichen Herrn Dr. Geeh, sein
Schweigen nicht übel. Er hat viel mit dem Dinge zu
thun, ehe es so recht im Gange ist. Einweilen läßt er
Dir sagen: Du möchtest nur immer zu korrespondiren,
namentl. jetzt, da Eure Verhaltn, so interessant und
wichtig werden, und ivenn Du Geld haben wolltest,
so solltest Du's nur ihm melden! Probeblätter werden
Dir besorgt werden. Schicke für mein belletr. Beiblatt,
>v o m ö g l i ch umgehend, eine Novellette oder
Kritik, oder was Du willst. Geeh ist in Verlegenheit, da
Dr. Beurmann und ich ihn ä tcmpo verlassen. Er hono-
rirt getviß fetzt gut und pünktlich. Hörst Tu? Vergiß
nicht. Umgehend!
Wenn Tu mir in den nächsten 3 Wochen schreibst,
so adressir' es: „Fkfurt a. M., Nassauer Hof." Bald ein
Näheres. Geh' doch über Kassel nach Leipzig und
feiere ein Paar Tage bei mir!
Stets und ständig
Dein Frd. u. Br.
F. Dingelstedt.
Der Adressat des letzten Briefes ist Dr. Hein
rich Albert Oppermann (1812—1870) in Göt
tingeil, mit dem Dingelstedt zuletzt im Sep
tember 1837 zusammengewesen war, als er
an der Hundertjahrfeier der Universität teil-
genommen hatte. In denr Nachlaß Dingel
stedts, den Professor Dr. Rud. Göhler in Dres
den vertvaltet, befinden sich nach dessen freund
licher Mitteilung drei Briese von Oppermann,
allerdings aus wesentlich späterer Zeit; in
dem ersten (Göttillgen, 30. August 1855) er
innert Oppermann an die früheren Zeiteil:
„Die letzten Wochen haben mich mannigfaltig
Wandlung.
Heiliger Hauch durchströmt mein Blut,
Sonnenlicht und ewige Ruhe
Fällt auf müde Wanderschuhe
Und löscht aus der Unrast Glut.
München.
an Dich erinnert, während dieser Brief viel
leicht nur ein schwaches, jedeilfalls fein ge
treues Bild eines Jugendbekannten in Dir er
wecken ivird; denn insofern hat der rothe
Müller in Cassel unsere Zukuilft schon pro
phetisch vorhergesehen, daß er mich den damals
dünnen, als ben dicken abconterseite. Die Kari
katur ill der Du in gewohnter Müllerscher
Art, Hosrath Oesterley als Schah, -Bock als
Kosack, ich als Vollmond dargestellt wurde, be
sitze ich lloch, sie kömmt aber nur bei absonder
lichen Gelegenheiten zu Gesicht." Und später:
„Heute nachmittag ging ich mit (Adolfs Wis
sen [1815—72] und Thiermann [Dingelstedts
Vorgänger in Ricklingen] aus der Krone vom
Mittagessen den Weg, den auch einst wir mit
denselben Leuten (außerde m mit'Mühsenfen [ ?],
[Carl Will).] Wippermann, Bock) hinauf zum
Rohns [Vergnügungslokal in der Nähe von
Göttingen]; der mir aber nnendlich prosaisch
nüchtern und verwildert vorkam." Der Kreis
der hier und in Dingelstedts Brief erwähnten
Freunde wird besonders lebendig in einer et-
ivas versteckten Veröffentlichung: Ein Buch
über Göttingen aus dem Jahre 1842 (mit 16
unbekannten Briefen von Adolf Bock), heraus
gegeben voir Dr. Erich Ebstein, Göttinger Blät
ter für Geschichte und Heimatkunde in Süd
hannover. 1917, 3. u. 4. 1918, 1. u. 2. Stück.
Ich bin Herrn Dr. Ebstein zudem für einzelne
Aufklärungen noch besonders dankbar. — Das
in dem Briefe Dingelstedts erwähnt? und über
sandte Buch kann wohl nur sein Roman „Unter
der Erde" sein.
Tu hast scheint es, unsere Kasseler Nächte und die
Rotenburger Odyssee rasch genug vergessen, lieber Freund!
Anbei eine Erinnerung daran, und die Bitte, mein
neues Werk, — wohl das beste das mir gelungen — ge
legentlich in Deinen Kreisen anszeigsen zu wollen. Du
findest in Deinen Verbindungen, namentlich durch polr-
tische Korrespondenzen leicht Gelegenheit, mir und mei
nem Verleger sehr nützlich zu werden und verbindest
mich dadurch zu jedem Dir erwünschten, mir möglichen
Gegendienste. Laß inzwischen bald einmal etwas von
Dir hören und halte namentlich mit Übersendung des
versprochenen Nachlasses von N. N. Wort. Gruß an
Stern, Wippermann und andere Freunde dorten!
Von ganzem Herzen
Dein
Fr. Dingelstedt.
Fulda, Ausg. Juli 1810.
Mein vieltausendjähriges Ich
Eint sich mit den Sonnenhellen,
Neues Leben formt es sich
Aus den müdgewordenen Zellen.
Gustav Adolf Müller.
Meine Lasten geb' ich preis,
Werfe sie in grüne Fülle,
Zum Gedanken wandelt leis
Sich die körperlose Hülle.