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die vom Vogelsberg kommenden Wassermassen
der Ohm sein Volumen verdreifacht hatte und
in übermütiger Kraft schäumend und strudelnd
dahinftrömte. Aber hinter Felsblöcken und im
Wasser vorspringenden Landzungen gab es stille
Stellen mit brodelndem Rückwasser — dort
lauerten die Raub- und Strauchritter der
Binnengewässer mit ihrem schlanken, silber
geschuppten Leib, ihrem unheimlich großen
Rachen voll dolchscharfer Zähne.
Behutsam pürschten wir uns heran, jede Er
schütterung des Erdbodens vermeidend. Mit
dem langen Hechtprügel schlängelte ich mich in
den kühnsten Kurven zwischen Bäumen und
Gestein hindurch, der Pharmazeut rollte mit
Fischkessel und Schnapsflasche, dem unentbehr
lichen Requisitum jedes Hechtbruders, schnau
fend hinterher. Nachdem ich in der ersten
Stunde außer einem lausigen halbstündigen
Barsch nichts gefangen hatte, kletterte Wickborn
den Berg hinan, um auf dein in halber Höhe
führenden Weg durch einen kleinen Dauerlauf
sein erstarrtes Geblüt wieder etwas in Wal
lung zu bringen. Kaum war er meinen Blicken
entschwunden, da ging der erste große Kork
stopfen der Angel sachte in die Tiefe und blieb
drei Hand breit unter Wasser regungslos
stehen. „Aha," dachte ich, „ein vorsichtiger
alter Bursche, der schon einmal Pulver ge
rochen hat, jetzt heißt's aufgepaßt." Langsam
zogen die übrigen Stopfen an und verschwan
den in der Richtung nach einem Wurzelgestrüpp.
Bevor aber der Räuber mit seiner Beute den
Schlupfwinkel erreichen konnte, haue ich an
und reiße ihm den dreiteiligen Haken in den
Rachen. Ein aufregender Kampf entspann sich,
nach minutenlangem Anziehen und Nachgeben
gelang es mir, den ermatteten Kämpen an
einer flachen Stelle zu landen. Es war ein
Haupthecht, mindestens vierzehn Pfund schwer.
Als ich aber vor Freude einen Jndianertanz
um den toten Recken aufführte, da fiel es mir
plötzlich zentnerschwer auf die Seele, „Mensch,
den hast du ja Wickborn versprochen". Ich
spähte umher, von Wickborn war nichts zu
sehen. Offenbar war er nach Kölbe hinüber
gewechselt und saß beim Vater Kranz in der
Schenke. Zu meiner Schande muß ich gestehen,
daß in dem nun anhebenden Kampf mit dem
Versucher dieser auf der ganzen Linie siegte.
In meiner schwarzen Seele beschloß ich, den
Freund um seinen Vierzehnpfünder zu prellen.
Sorgsam buddelte ich ihn in den Schnee und
angelte mit schlechtem Gewissen flußaufwärts
weiter. Aber St. Petrus grollte mir offenbar,
nur einen eineinhalbpfündigen Springinsfeld
warf ich noch in hohem Bogen ans Land.
Schon dämmerte es, da erschien endlich in
vorzüglicher Stimmung Wickborn. Nachdem er
den kleinen Hecht verächtlich in seinen Rucksack
versenkt hatte, betraten wir den Rückwechsel.
Als wir an der Stelle vorüberkamen, wo mein
Vierzehnpfünder im Schnee ruhte, sagte ich
mit scheinheiliger Miene zu meinem Begleiter:
„Ich möchte wetten, daß in diesem Loch ein
schwerer Hecht steht, ich halte die Angel noch
einmal hinein." „Unsinn," entgegnet Wickborn,
„es ist ja schon dunkel im Wasser, übrigens
auf die Wette gehe ich du." „Gut," sage ich,
„es geht um das Abendessen." Ich mache
meinen größten Köderfisch, einen silberglän
zenden Schipperling, an den Haken und spreche
erfolggewiß von innerer Stimme, von Vor
ahnungen und dergleichen. Fünf Minuten ver
gehen, zehn Minuten; Wickborn sieht mich
triumphierend an und erklärt, er verspüre einen
Mordshunger, in Gedanken sehe er sich schon
mit aufgekrempelten Hemdsärmeln vor einem
sechsschläfrigen Eierkuchen mit Schinken sitzen.
Ich bitte ihn mit dem Gesicht eines betrübten
Lohgerbers, meinen Rucksack zu holen, den ich
wohlweislich hundert Meter vorher verstohlen
hatte fallen lassen, mittlerweile wolle ich die
Angel zusammenlegen. Munter den Dessauer
marsch pfeifend, holt der Ahnungslose den
Rucksack. Schnell hake ich meinen Vierzehn
pfünder an die Angel und ziehe ihn, als Wick
born noch zwanzig Schritt von mir entfernt ist,
zum zweiten Mal aus der Lahn. Zu meiner
Beschämung muß ich gestehen, daß der voll
mir urn Hecht nnb Abendessen geprellte Freund
in ein uneigennütziges, derart dröhnendes
Freudengeheul ausbrach, daß sogar die Dorf
köter in dem eine gute Viertelstunde entfernten
Kölbe im Chorus mit einstimmten.
Inzwischen war es völlig dunkel geworden,
und wir wanderten über die Wiesen nach
Wehrda, woselbst meine Fischerstammkneipe
lag. Im Wirtszimmer saßen aus langer Bank
eine Anzahl Bauersleute, darunter die dörf
lichen Honoratioren, vor dem üblichen Känn
chen Schnaps. Mitten zwischen ihnen thronte
der „Elefantenjäger", eine im Marburger
Kreis wohlbekannte Erscheinung. Dieser hes
sische Tartarin hatte in tropischen und sub
tropischen Urwäldern Zentralafrikas manchen
erfolgreichen Kampf gegen wehrhaftes Groß
wild in Ehren bestanden und jagte mit seinen
abenteuerlichen Erlebnissen Schillings, Kuh
nert und Berger, unsere drei gewaltigsten afri