Full text: Hessenland (37.1925)

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Grenzgang. 
Spätherbst liegt über dem Lande. — 
Verschleiert sind die Berge, die das weite 
Kasseler Talbecken einschließen. Nun muß ein 
Fleckchen Erde durchwandert werden, das keine 
Fernblicke kennt, das zwingt, in der Nähe zu 
verweilen. Das Fuldatal ist da gerade der 
rechte Platz. 
Den Franzgraben geht's Humus, und nur 
wenige Kasselaner denken bei seinem Namen 
daran, daß der Weg eigentlich nach der Familie 
Branthayn* hieß, die hier Grundstücke besaß.— 
Und drüben liegt der Fasanenhof, dessen 
mauerumsäumter Park zugleich noch mit der 
Hofanlage deren Entstehung in der repräsen 
tationsfrohen Rokokozeit ahnen läßt. 
Vor uns liegt Wolfsanger, zwei Siede 
lungen nebeneinander, eine fränkische und eine 
der Sachsen. Die der Franken scheint fast die 
jüngere zu sein. In dem Plane des Dorfes 
ist noch heute der Unterschied der beiden Siede 
lungen deutlich erkennbar, hier das fränkische 
Haufendorf, dort die weitläufigere Hofanlage 
der Sachsen. 
Und drüben strömt die Fulda zu Tal; noch 
immer, oder besser, wieder tot nach dem kur 
zen Anlaufe von 1895. Wann wird die Kana 
lisation endlich durchgeführt, daß auch die 
größten Weserkähne von Bremen bis Kassel 
durchfahren können? Hub wann können end 
lich die Personendampfer der Oberweser ihre 
Fahrten in Kassel beginnen? Wann werden 
sie an der Schlagd anlegen und Kassels Alt 
stadt dem Auge des Fremden zuerst zeigen? 
Ja, das wird sein, wenn erst die sieben Stau 
stufen fallen und zwei Walzenwehre mit krast- 
spendenden Turbinen an deren Stelle getreten 
sind! Kassel ist der natürliche Endpunkt der 
Weserschiffahrt, Bremen und Kassel ihre Pole. 
— Wir warten und hoffen! 
Jenseits des Flusses der Sandershäuser 
Berg. Dort verteidigte hessischer Landsturm 
den letzten Streifen hessischer Erde. Gedenkt 
der Kämpfer! —- Dort war auch einst, wo 
heute der Steinbruch den Berg angenagt hat 
und die alte Heerstraße zerrissen, das Hoch 
gericht. Und hinterm Berge, nach Osten hin, 
duckt sich der Hof Ellenbach in eine Boden 
falte. Aber seine Teufelsscheuer ist nicht mehr. 
Vor einigen Jahrzehnten hat sie das Feuer 
gefressen. 
* Um 1820 hieß es noch „Brondisgroben", aus dem 
dann „Franzgraben" verderbt wurde. D. Schriftl. 
Von Bruno Jacob, Kassel. 
Und nun kommt der Wald. Hier hatten die 
kurhessischen Jäger ihre Schießstände, als 
Kugelfang diente drüben der Sandershüuser 
Berg, ml dessen Fuße sich damals noch keine 
Straße hinzog. Wir wandern durch Reste 
von Anlagen, die die Jäger hier geschaffen. 
Auch eill Stein steht noch dort: ein Jäger 
horn, 2. Komp. I. B. 1856 steht darauf zu 
lesen. Letzte Erinnerung vergangener Tage. 
Drüben auf dem rechten User, dort, wo in 
enger Schlucht die hessisch-hannöversche Grenze 
voll den: Grenzzeichen nahe dem alten Zoll 
hause an der Hannöverschen Straße herunter- 
kolnmt (der Grenzstein trug noch in den neun 
ziger Jahren eine eingelassene Wappenplatte 
mit dem Löwen), sieht man auch itod) die Reste 
einer Steinbruchsbahn. Jetzt ist's still dort 
geworden, und kein Schiff nimmt dort mehr 
den Inhalt ihrer Kippkarren auf. Lange Zeit 
hindurch hatte auch iit dem unteren Teile des 
Tales der Schweinehirt von Spiekershausen 
unter einem Buchenbaume eine aus rohen 
Steinen gefügte Hütte. Sie ist längst zer 
fallen. Er selbst wohl auch. 
Und auf hessischem Ufer kommt nun die 
„Graue Katze". Als „Friedrichstal" ist das 
Haus auf der amtlichen Karte bezeichnet. Ein 
Zollhaus war's, das erbaut ward, als der 
Kaffeeschmuggel aus dem mit England ver 
bundenen Hannover hier in Blüte stand. Das 
Gelände war auch wie zum Schmuggel geschaf 
fen. Eine Hauptniederlage befand sich in dem 
Dorfe Landwehrhagen. Von dem „Geschäft" 
der Pascher erzählt auch unter andern: S. 
Mosenthals Geschichte „Tante Guttraud", die 
in dem Kassel der zwanziger Jahre des 
19. Jahrhunderts spielt. Was aber der „Grauen 
Katze" diesen Namen gab, war eine alte Frau, 
die den Zollwächtern das Essen kochte und 
eine rechte „Katzenmutter" war, die selbst bald 
im Volksmunde die graue Katze genannt ward. 
Und der Name blieb hängen. 
Im Schatten der tief hangenden Buchen, 
deren Wurzeln sich in das rote Gestein des 
Berges krallen, geht nun der Leinpfad bis 
zur Schleuse von Spiekershausen. Und drüben 
steht die Spiekershäuser Mühle. Einst, ehe 
man daran ging, die Fulda zu kanalisieren, 
— am 1. August 1895 ward die Schiffahrt 
eröffnet, — schäumte und brauste hier der Fluß 
über wild getürmte Massen eines steinernen 
Wehres, das auf der linken Flußseite einen 
Schiffahrtskanal freiließ für kleine Fahrzeuge.
	        
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