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Zllustnette Monatsblätter für Heimatsorschung, Kunst und Literatur
Schriftleiter Paul Heidelbach, Kassel. Unter Mitwirkung von Bezirkskonservator Baurat Dr.H o ltmeyer, Kassel,-
Direktor der Landesbibliothek vr. Hopf, Kassel,- Lyzeallehrer Ke ller, Kassel,- Staatsarchivrat vr. Kn et sch, Marburg,-
Oberbibliothekar Professor vr. Losch, Steglitz,- Schriftsteller Heinrich Ruppel, Homberg,- Professor vr. Schaefer,
Kommissar für Naturdenkmalpflege im Reg.-Bez. Kassel,- Geheimrat Universitätsprofessor vr. Schröder, Göttkngen,-
Unkversitätsprofeffor vr. Schwantke, Marburg,- Werner Sunkel, Marburg,- Professor vr. Vonderau, Fulda,-
Universitätsprofessor vr. W e d e k i n d, Marburg.
------ 3m Einverständnis mit den Vereinen: »— -
Verein für hessische Geschichte und Landeskunde,- Hessischer Gebirgsverein,- Knüllgebirgsverein,- Allgemeiner Deutscher
Sprachverein, Kassel,- Verein für Naturkunde, Kassel,- Geologischer Verein, Marburg,- Biologische Vereinigung, Marburg,-
Gesellschaft für Familienkunde in Kurhessen und Waldeck.
" " Bezugspreis vierteljährlich 4,50 Mark — -
37. Jahrgang - Heft 8 Kassel, August 1925
Witzenhausen.
Hart an der hannoverschen und sächsischen
Grenze gelegen, gehört die Werrastadt Witzen-
hausen unstreitig zu den anmutigsten Städten
des einstigen Kurhessen. Sie istbesonders reizvoll,
wenn der Blütenschnee die Berghänge über
schüttet und die Waldberge, von deren Hori
zont in ruhiger Pracht die Burgen Haustein
und Lüdwigstein, die Schlösser Arnstein und
Berlepsch herabgrüßen, im ersten Grün des
jungen Frühlings stehen und sich aus den
kleinen Gärten die bunte Pracht der Büsche
und Bäume neigt. Die Bahn bleibt hoch auf
den Bergen, und steil führt von hier der Weg
hinab über die alte, in ihren schlichten Formen
wie eine Radierung wirkende Werrabrücke, an
deren östlichem Brückenkopf jenes vornehme
Rokokohaus steht, in dessen weiten Räumen
Ernst Koch, der unglückliche Dichter des „Prinz
Rosa-Stramin", seine glückseligen Jugendtage
verlebte. In den Fluten des Stromes spiegeln
sich jenseits die wuchtigen Reste des ehemaligen
Wilhelmitenklosters, das mit einer ganzen
Gruppe von Neubauten heute die erste deutsche
Kolonialschule beherbergt, eine Hochschule für
In- und Auslandssiedlung, die auf dem gan
zen Erdenrund gekannt und geschätzt ist. Am
Marktplatz fesselt uns weniger das schmucklose
Rathaus, das vor etwas mehr als hundert
Jahren aus den Trümmern seines 1809 einem
verheerenden Brande zum Opfer gefallenen
Vorgängers wiederhergestellt wurde, wohl aber
bereitet hier manches stattliche Bürgerhaus, vor
allem das jetzt so prächtig wiederhergestellte
„Steinhaus" unsrem Auge Freuden des
Schauens. Auch sonst finden wir in den Stra
ßen und Gassen des Städtchens neben zierlichen
Rokoko- und Biedcrmeierhäusern noch so man
chen ehrwlirdigen Zeugen aus den Tagen der
Gotik und Renaissance. Der eindringlichen
Wucht der Liebfrauenkirche, deren Inneres die
Grabdenkmäler der Familien von Boden
hausen, von Berlepsch und Motz schmücken und
deren in breiter Masse aufstrebenden Turm ro
manische Baumeister begannen und Meister des
Barock vollendeten, steht die zierliche Eleganz
der in ihrem steinernen Filigranwerk so köst
lichen Hospitalskapelle St. Michael vor dem
Walburger Tor gegenüber, und drüben in den
Weinbergen weist die einst einem kleinen
Fischerdorf als Gotteshaus dienende St. An-
nenkapelle noch in romanische Zeit zurück.
„Lenzbach" hat der Hessendichter einst diese
Stadt genannt, und wer je einmal zur Lenzzeit
in Witzenhausen weilte und von hier aus am
Silberband der Werra entlang der Sonne ent
gegenging oder am Johannisberg und am
Fuße der Weinberge nächtens dem Sang der
Nachtigallen lauschte, oder auch, wer in mil-
den Frühlingsnächten durch die selbstgewach
senen Straßen wanderte, wenn der Mond durch
die Zweige schimmerte und die schlaftrunkenen
Fassaden der alten Häuser umschmeichelte, den