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fenbach Andran). Gelingt es Bekker, diese nielversprechen
den Aufgaben regietechnisch, darstellerisch und orchestral
nach Beseitigung aller noch vorhandenen Hemmungen
in eigener Weise zu lösen, so ist hier ein hoffnungsvoller
Vom Schauspiel
Die Spielzeit neigt dem Ende zu. Kehrausstimmung
im Spielplan, unter den Künstlern. Mit einem etwas
gepfefferten Schwank gelingt es dem Staatstheater noch
einmal, die Rampe zu füllen. Leo Lenz ist der ver
schmitzte Lieferant. Unter dem harmlosen Titel „Hei m-
liche Brautfahrt " verbirgt sich manches, was
früher auf dieser Bühne unmöglich gewesen wäre. Herr
Lenz hatte auch damals seine Beziehungen zum ehe
maligen Hoftheater, sein Lustspiel „Wieselchen" war
lammfromm und suchte stark die Nähe der unsterblichen
Frau Birch - Pfeiffer. Aber er hat auch umgelernt, man
bevorzugt wieder einmal das Pikante, warum also sollte
er nicht. Zwar die tolle Prinzeß, die wie ein Bub er
zogen, reiten, fechten, fluchen und rauchen kann und ihr
Gegenspieler, der junge Fürstensproß aus längst ver
gangener Kleinstaaterei, der von ihr richtig zur Strecke
gebracht wird: die beiden könnten ebensogut in einem
Roman der Courths-Mahler stehen. Dazu wirken das
Nokokomüntelchen und die im Hintergründe auftauchende
Gestalt des intriganten Ministers Brust mit seinem vom
Weltenweh leise angekränkelten sächsischen Herrscher nur
als guter Maskenscherz. Den eigentlichen Erfolg bringt
erst die Ent- und Verkleidungsszene, die ebenso gut hinter
den Kulissen sein könnte, in der der schlaue Komödien
schreiber von seinen beiden lustigen Dämchen soviel von
den luftigen Hüllen fallen läßt, daß nicht mehr allzuviel
übrig bleibt- ja, die „Dessous"! Verend als Spielleiter
hatte dre tolle Sache draufgängerisch-übermütig gestaltet,
Berta Hermann lachte und quecksilberne durch die Komödie
und lieh ihren klugen Kopf über das Herz triumphieren.
Eine glänzende Reißerrolle bot Warbeck als sächselnder
Hoffriseur.
Auf Höhen der darstellenden Kunst führte in der
Pfingstwoche das Gastspiel Albert Bassermanns als
Mephisto, Helmer (Nora), Traumulus, Striese. Der
große Künstler hat es selbst einmal als den Gipfel der
Schauspielkunst bezeichnet, wenn der Schauspieler seine
Figur so erlebt und durchführt, daß der Zuschauer das
Theater vergißt. Bis in die letzten Möglichkeiten hat er
dies Ziel erreicht, die Kritik sagt wirklich nicht zu viel,
wenn sie von einer „Mitdichtung" Bassermanns in ein
zelnen Szenen spricht. Zur Würdigung dieses feinfühligen
und menschlichsten der Darsteller kann kaum etwas hin
zugefügt werden. Der Intendanz gebührt Dank, daß
sie uns dieses Gastspiel bescherte, im Rahmen des alten
Theaters war sein Auftreten nicht möglich, da de.r Künst-
ler, nach der Meinung der damals Maßgebenden, „kein
Organ" habe.
Die letzte, bedeutende Neueinstudierung vom „ Som
me r n a ch t s t r a u m " war zugleich ein sachlicher Ab
schied unseres Oberspielleiters Pape. Er wählte da
mit eine der allerschwersten Aufgaben der Bühne, denn
darin sind sich alle Dramaturgen einig, daß dieses in
Grazie und Schönheit getauchte Märchenland seine eigcnt-
Rote Rosen.
Was schlug mein Herze bange,
Wie ward mein Kopf so rot —
Du schautest an mich lange
Kassel Und brachtest mich in Not.
Weg zu Gesundung und Aufstieg und damit endlich die
Aussicht für die Kasseler Bühne auf individuelle Geltung
im deutschen Theaterleben wiedergewonnen.
Or. Gustav Struck.
m Staatstheater.
liche Heimstätte im Bühnenraum nie finden wird.
„Nur mit den Augen des Geistes kann es ganz so
gesehen werden, wie der Dichter es vorgeschaut." Wenn
also auch in dieser Wiedergabe nicht alle Blütenträume
reiften, so liegt das wahrlich nicht an einem Versagen
des Spielleiters, der die innere Einheit der drei Reiche
soweit geschaffen hatte, wie sie mit den vorhandenen
Kräften und Mitteln möglich war. Dabei unterstützte
ihn Ludwig M a u r i ck , der die Geniemusik des jungen
Mendelssohn ganz der Dichtung anschmiegte und nicht
nach eigenen Lorbeeren schielte. Wesentlich gehoben wurde
der äußere Rahmen durch die schmückenden Entwürfe des
Münchener vr. K. G u t z e i t, die farbenfroh den Mit-
sommernachts-Zauber untermalten. Aus dem darstellen
den Kreise war Berta Hermann als Puck eine ein
prägsame Leistung, die Poesie und Humor zu kräftigem
Gebilde vereint hatte. Unter den Kronenträgern ver
blieb etwas steife Würde, während die Komik des Rüpel
stückes von Pickert, Verend und Genossen voll aus
gemünzt wurde.
Dann nahm Alfons Pape persönlich Abschied in
Fuldas „Jugendfreunde". Vor 12 Jahren war
er zu uns gekommen als Salonheld, Lebenskünstler —
Bonvivant in der Theatersprache. Er hat uns in den
ersten Jahren durch manch lustigen Schwerenöter die
Sorgen für ein paar Stunden weggezaubert, denn er
konnte lachen, herzlich, ansteckend, was man so selten
ber den modernen Schauspielen noch hören kann, aber
auch manche Charakterrolle gelang ihm trefflich, so sei
nur an seinen Flemming im „Flachsmann", seinen
Higgins in „Pygmalion", seinen Heinik im „Konzert"
erinnert. Bald aber fand dieser kluge Bühnenkenner
das eigentliche Arbeitsgebiet: die Spielleitung. Eine
Reihe von guten Aufführungen folgten, deren Krönung
zweifellos „Die heilige Johanna" war. Ob er freilich
die unerläßliche Bedingung erfüllt hat, die dem guten
Spielwart eigen sein muß, nämlich die künstlerische Kraft
seiner Mitwirkenden zu erkennen und sie auf den rechten
Platz zu setzen, möchte ich — siehe Wehlau und seine auf
fallend geringe Beschäftigung — gelinde bezweifeln. Der
letzte Abend, sein Ehrenabend, endete in jubelnden Zu
rufen und Blumen. Dann sprach er zu seinen Zuhörer
schar von Dank und Nichtvergessen, wie oft haben wir
ähnliche Beteuerungen an dieser Stelle gehört. Er sprach
auch von dem „Personal" des Staatstheaters und der
guten „Disziplin" dort. Er meinte die Künstlerschaft
und ihr einmütiges Zusammenstehen, ihr Vertrauen zu
ihm. Und das letzte hat er vollauf verdient, denn er
kannte die Sorgen und Nöte, verstand das rein Mensch
liche des Künstlers und hatte den Mut, für ihre billigen
Forderungen einzutreten. Mit diesen Vorzügen als
Mensch und Künstler wiro Herr Pape auch in München
seinen Weg machen. Unsere besten Wünsche begleiten ihn.
A. L a t w e s e n.
Du gabst mir rote Rosen
Und küßtest meine Hand.
Ich könnt' dich nicht verstoßen,
Als ich so vor dir stand. Käthe Reltz.