Full text: Hessenland (37.1925)

7 
prahlte damit, daß ihm nun kein Mensch mehr 
zu kommandieren habe. Genossen fand er in 
dem gleichgesinnten Bäckermeister Klee von 
Borken und dem Feldjäger Klöckner von 
Homberg, der schon im dortigen Amt „Raub 
und Aufruhr" gepredigt und getrieben hatte. 
Was diese drei Gesellen nun eigentlich ge 
macht haben sollen, geht aus dem Strubeschen 
Bericht nicht allzuklar hervor. Strube erwähnt 
den Überfall auf den Marftallstransport mit 
keinem Wort, sagt nur, daß die „schrecklichen 
Auftritte nur während der Nacht verübt wurden, 
um unerkannt zu bleiben", und daß die ganze 
Bevölkerung noch allzusehr in Furcht vor der 
fluchtig gewordenen Rotte schwebe und darum 
nicht wage, rückhaltlose Aussagen „für eine ge 
naue Geschichtserzählung" zu machen. Nur so 
viel stehe fest, daß Kaufmann und Klee es 
vorzüglich waren, die in Borken „Gräuel" ver 
übt hätten. Diese Greuel bestanden darin, daß sie 
„ganze Nächte hindurch Kugeln gossen und sich 
verschworen hatten, alle hiesige Cassenbediente 
zu arretiren, die herrschaftliche Gelder und 
Fruchtmagazine zu plündern und alles nieder 
zuschießen, was sich ihrem Vorhaben nicht 
augenblicklich fügen werde, den hiesigen amts 
führenden Bürgermeister in Riemen zu schnei 
den und denjenigen vom Rathause herabzu 
stürzen, welcher noch irgend eine Verordnung 
publiciren wolle." Sie hätten den Kaufmann 
Wolf unter Androhung des augenblicklichen 
Todes, „wobei Kaufmann bereits auch in 
seiner Gegenwart 2 Böller in seine ebenwohl 
geraubte Flinte lud", gezwungen, ihnen Pulver 
zu geben und die Nachtwachen, die sie zur Ruhe 
ermahnten, niederzuhauen gedroht. „Letztere 
entging ihrem Tode nur durch die Flucht, und 
zerschlagene Fenster und tiefe Säbelhiebe in 
die Fenster-Rahmen zeugen noch von der Wuth 
dieser Menschen." 
^Kaufmann soll auch sein „mit doppelten 
Schüssen geladenes" Gewehr in die Fenster 
des Kaufmanns Wolf und des Justitiarius 
S ch ö n h a l s gehalten haben! Nur die flehent 
lichsten Bitten vermochten ihn zu bewegen, 
nicht abzudrücken. Seine Wut gegen den Justi 
tiarius wurde damit erklärt, daß ihn dieser ein 
mal auf seinem Apfelbaum erwischt und zur 
Rede gestellt habe. Bei all diesen Vorgängen 
seien gegen 80 „z. Th. scharfe" Schüsse ge 
fallen und „solche oft absichtlich aus die gefähr 
lichsten Stellen gerichtet", und wenn nicht ge 
rade zur rechten Zeit sich die Nachricht vom 
Einrücken der Franzosen in Jesberg verbreitet 
hätte, so wäre es sicher zu der längst ver 
abredeten Plünderung gekommen und würde 
„manches Opfer der Mord- und Raublust auch 
würcklich noch gefalleu sein". 
Die Proklamation des Geheimen Staats 
ministeriums, die zur Ruhe ermahnte und zur 
Abgabe der Waffen -aufforderte, suchte der 
Amtmann persönlich auf der Straße und durch 
Anschlag bekannt zu machen, hatte damit aber 
wenig Erfolg, da das im Amte Homberg durch 
den Landbereiter geschehene Aufgebot aller 
Waffenfähigen mit der Versicherung der Auf 
rührer, „sie wären höheren Ortes beauftragt, 
alles dahier ebenwohl aufzubieten", der mini 
steriellen Proklamation widersprach und die 
Bevölkerung nicht wußte, was sie davon hal 
ten, wem sie Glauben schenken sollte. Es ge 
lang dem Amtmann zwar, den Bäckermeister 
Klee, der stürmen wollte, vom Glockenturm 
fern zu halten; am selben Nachmittag (der 
Tag ist nicht genannt) erschien aber auf einmal 
Kaufmann, der „ohne Scheu in den dem 
französischen Stallmeister geraubten Kleidern 
prunkte", wieder in Borken, zog die Sturm 
glocke, sammelte schuell seinen Anhang um sich 
und drohte, jeden niederzuschießen, der sich 
ihnen widersetzen würde. Als dann die Kunde 
kam, daß die Franzosen in Homberg einge 
zogen seien, flohen die beiden Rädelsführer 
nach Marienrode, einem bei Borken gelegenen 
Hof, mit der Drohung, daß mindestens noch 
10 Franzosen von ihrer Hand sterben würden, 
ehe sie sich kriegen ließen. Sie hatten dabei 
„die Frechheit, ihre Gewehre von neuem dop 
pelt zu laden". Kaufmann muß indessen 
bald darauf wieder nach Borken zurückgekehrt 
sein; denn als unvermutet die Franzosen ein 
rückten, die Ausgänge der Stadt besetzten und 
Haussuchung hielten, wurde er und der „eben 
wohl an dem Raub Anteil genommene" 
Schmied K a y s e r verhaftet. Bei der Fest 
nahme betrug sich Kaufmann noch „so frech, 
daß dieses wahrscheinlich allein die Franzosen 
zu den gewaltsamen Maßregeln gereizt hat". 
Aus Rabes Aufsatz in der Sonntagspost 
wissen wir, daß weniger das „freche" Auftreten 
des Verhafteten als vielmehr das ungünstige 
Zeugnis des Amtmanns dem unglücklichen 
Kanonier den Hals gebrochen hat. Denselben 
Eindruck hatte scholl der Minister v. Baum 
bach, der an den Kurfürsten schrieb, daß Strube 
wohl „auch einigen Antheil an der Arrestation 
des K. zu haben scheine". 
Die Verhafteten wurden von den „Fran 
zosen" — in Wirklichkeit waren es deutsche 
Soldaten des Fürsten Primas Dalberg — ge
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.