Full text: Hessenland (37.1925)

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Jungfrau Maria, daher hieß ihre Bruderschaft 
auch „unserer lieben Frauen Brüderschaft". 
Von alten Zeiten her besorgten sie das „Ge 
leuchte", die Kerzen vor ihrer Schutzheiligen 
irr der Stiftskirche, auf eigene Kosten. 
Über die Bäckerzunft im Mittelalter ist nähe 
res nicht bekannt. Von ihrem Bestehen spricht 
nur eine Urkunde aus dem Jahre 1744. Da 
mals hatte der Schultheiß zu "Fritzlar den 
Gudensberger Bäckern auf Betreiben der Fritz- 
larer Zunft am Jahrmarkt ihre Waren kon 
fisziert, mußte sie aber auf erhobene Klage 
nach Befehl des Erzbischofs wieder freigeben, 
wenn die Gudensberger fernerhin den Fritz- 
larern die gleiche Freiheit des Verkaufes er 
lauben würden. 
Auch die Fischer bildeten eine Korporation; 
sie zerfielen in erzbischöfliche, stiftische und 
städtische Fischer, je nachdem, von wem sie die 
Fischerei in Erbpacht hatten. Noch um 1406 
war die Fischerei allen Bürgern gemeinsam. 
Selbst die Künste wurden in mittelalterlicher 
Zeit in Fritzlar nicht vernachlässigt. Meh 
rere Glanzstücke des Fritzlarer Domschatzes 
wurden daselbst angefertigt. Vor allem beweist 
es auch eine Notiz aus dem Jahre 1606. Hier- 
Fritzlar? 
Fritzlar — Friedenshaus! Ein köstlicher Name. 
Man denkt an das Höchste und Heiligste. Hier fand 
in ältester Zeit der schuldbeladene Flüchtling Frie 
den und durfte frei atmen, bis im Schutze der Gott 
heit der Rechtsspruch erfolgte. Durch Winfried 
wurde die Stadt Hüterin des .Heils, das in der christ 
lichen Lehre den deutschen Ganen aufging. 
Man muß unten an der Edder stehen, um den 
friedevollen Zauber dieser hessischen Bergstadt ge 
nießen zu können, den man hier mit einem Blick um 
faßt. über dem Goldgeheimnis des schimmernden 
Flusses schwellende Baumkronen, die Wiesengrüße 
zu den Berggärten tragen, dahinein sich lachende 
Giebel neigen, den farbenbunten Lichtgesängen zu 
lauschen, die das Jahr hier jubelt. Darüber reißt 
den Blick der Don: in den Himmel empor. Aus dem 
efvig rauschenden Gewässer steigt das Auge auf 
über grünes Gewoge und rotes Dächergewirr zur 
lastenden Stille des Gotteshauses, dessen Türme in 
die Ruhe des Himmels verweisen. Das Schauen 
wird zu einer Friedensfahrt, wobei die Farben 
harmonie aus deutscher Grüne und Dächerrot, 
Mauergrau und Himmelhelle ans Herz greift. Eine 
Stimmung überkommt uns, wie sie die Juden emp 
fanden, wenn sie Jerusalem entgegenwanderten. In * 
* Aus „Hessische Höhenluft" I. N. G. Elwertsche Ver 
lagsbuchhandlung, G. Braun, Marburg, 1918. 
nach wurde das Orgelwerk der Stadtkirche zu 
Schmalkalden (wohl die berühmte Schmalkalder 
Orgel) in Fritzlar für 300 Gulden verfertigt. 
Je mehr nun die Gilden ihre Kraft fühlten, 
desto mehr strebten sie danach, ihre Befugnisse 
auf Kosten des Stadtrats, mit dessen Schwäche 
und Willkür man besonders im 15. Jahr 
hundert sehr unzufrieden war, immer mehr 
auszudehnen. Dies ging so weit, daß es 1499 
und 1561 zu einem regelrechten Aufruhr kam, 
bei dem die Zünfte die Führung hatten. 
Weitere Nachrichten über das Zunftwesen im 
Mittelalter sind uns im wesentlichen nicht 
übermittelt. Aber aus den, wenn auch zum 
Teil spärlicheu Nachrichten erkennt man, daß 
das Handwerk in Fritzlar in ungeahnter Blüte 
stand und weit und breit geachtet wurde. Tüch 
tigkeit und Gewerbefleiß haben diese Blüte 
herbeigeführt. Mögen sie auch weiterhin in 
Fritzlars Mauern heimisch bleiben, dann wird 
unser Handwerk auch seine jetzige Krise gut 
überstehen. Möge auch'weiterhin unsere Stadt 
im 13. Jahrhundert ihres Bestehens alle Kreise 
der Bürgerschaft einer neuen segensreichen 
Blüte, einer besseren Zukunft entgegenführen. 
Von Heinrich Bertelmann. 
der Tat, Fritzlar steigt wie Jerusalem unmittelbar 
in den Himmel hinein. Wie Jerusalem steht es mit 
seinen Mauern und Türmen gerüstet da. 
Streitbar, kühn drängt es sich an des Berges 
Rand, dem es entsprungen scheint, wachen Auges 
Feuer und Gefahr erspähend. Wie Jerusalem den 
Olberg, so hat Fritzlar den Büraberg zur Seite, zu 
dessen lindenbehüteter Kapelle die Pilger wallfahren, 
heiliger Erinnerung voll. Denn auch hier stand einst 
ein Heiliger, dessen Spuren in Erdentagen nicht 
untergehen. 
Wenn Finken und Amseln schlagen und die Veil 
chen an den Hängen duften, wenn der Sommer seine 
grünen Stürze und Gefälle über die'Mauern breitet 
und reichen Obstsegen in: Schoße birgt, wenn der 
Herbst seine Farbensymphonie anstimmt, wenn der 
Winter gilt und der Schnee die letzte Linie der alten 
Nester und Giebel herausholt — immer lohnt es 
sich, dieses schöne Stadtbild zu betrachten. Und die 
alten Türme tun es einem immer wieder an. Diese 
Recken, die sich vornahmen, bis ans Ende auszu 
harren, scheinen blind in den Tag zu rufen: Kommt 
.nur heran mit eurer List! Haut nur zu, wir haben 
harte Schädel, wir weichen nicht! 
Diesen fremden Gesellen aus vergangenen Zeiten 
entsprechen die im Winde schillernden Silbertürme 
der Pappeln im Tale. Gleich weitgewanderten Pil 
grimen schreiten sie festlich herzu dem Heiligtum
	        

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