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und so erschien 1612 ein weiteres Werk des Landgrafen
„Christliches Gesangbuch von allerhand geistlichen P>al-
inen und Liedern, so von Dr. M. Luther und arideren
gottseligen Männern gemacht, von Landgraf Moritz mit
etlichen lieblichen Melodien vermehrt". Hier also kehrt
er zu dem Schatz des deutschen protestantischen Kirchen
liedes zurück. Seine Kompositionsart ist übrigens ge
wandt und fließend, seine Melodien haben etwas spezifisch
Volkstümliches. Auf jeden Fall verdient er unter den
Komponisten des angehenden 17. Jahrhunderts genannt
zu werden als eine typische Übergangsgestalt in der Ge
schichte der Musik. Wenn auch seine Bemühungen um
die Einführung des calvinistischen Kirchengefangs ver
geblich waren, so verdienen doch seine Leistungen auf
dem Gebiet der Musik eine eingehende Würdigung. Auch
darf man nicht vergeben, daß er es >var, der den be
deutendsten Komponisten des 17. Jahrhunderts schon
an den Pranken erkannt und gefördert hat, nämlich
Heinrich Schütz, auf dem ein Bach und Händel aufbauen.
Die sich an den Vortrag anschließende Aussprache, an
der sich Zolldirektor W o r i n g e r, Bibliotheksdirektor
Dr. Hopf, Studienrat Dr. Fuckel und Regierungs
rat S t o l l beteiligten, brachte noch allerhand Ergän-
gänzungen und Anknüpfungen. So u. a., daß in der
niederhessischen Kirche noch Formen beibehalten wurden,
die sonst nur der lutherischen Kirche angehörten; dazu
gehörte vor kurzem noch das Räuchern und ferner das
Gebet vor Einnahme des Platzes in der Kirche. Ferner,
daß der in Hessen und besonders in der Schwalm häufige
Name Weckesser damals als Spottnamen für die Prote
stanten verwandt wurde, da sie keine .Hostie, sondern Brot
aßen. Die Schmalkalder Bewegung zitterte noch in dem
Bericht des Chronisten Geisthirt nach. Der Grundstock
der ausgedehnten musikalischen Sammlung der Kasseler
Landesbibliothek geht aus Moritz zurück, dessen Einfluß
auf das Musikleben in Kassel und Hessen nach lange
nicht gebührend untersucht ist. Die nächste Anregung
für den Calvinismus erhielt der Fürst außer von
seinem Erzieher Cruciger tvohl durch Calvins Nach
folger de Brtzze. Moritz hat dann eine ganze Reihe
junger Mitglieder der hessischen Ritterschaft mit Stipen
dien nach Genf geschickt. Die dortige Bibliothek besitzt
noch einen Band mit Wappen und Namensunterschrift
von etwa 200 hessischen Studenten aus dem 16. bis
18. Jahrhundert. Anknüpfend an frühere Veröffent
lichungen in der „Halleschen Zeitung" von einem Teil
nehmer an dem Gefecht von Bronzell entwarf General
E i s e n t r a u t ein anschauliches Bild dieses vielgenann
ten Scharmützels aus der Zeit der Bundesexekution und
seiner geschichtlichen Voraussetzungen und Nachwirkungen.
Der sagenumwobene Schimmel von Bronzell bildete den
Gegenstand lebhafter Diskussion. Studienrat Dr. Fuckel
ergänzte seine früheren Ausführungen über die Pilger
reise des Grafen Philipp von Katzenellenbogen dahin,
daß eine Schilderung dieser Reise in der „Zeitschrift für-
deutsches Altertum" abgedruckt ist und ein.weiterer Be
richt auf der Gießer Bibliothek vorhanden ist, nach dem
er noch eine Anzahl kulturhistorisch bemerkenswerter Er
gänzungen gibt. Vorgezeigt wurde das künstlerisch aus
geführte Notgeld der Stadt Schmalkalden sowie eine
Reihe älterer Flugblätter und Schriftstücke.
- In der stark besuchten Monatsversammlung des K a s -
s e l e r Vereins am 16. Januar hielt Bezirkskonservator
Baurat Dr. Holtmeyer einen durch zahlreiche Licht
bilder unterstützten Vortrag über die S t a d t b e f e st i -
g u n g von Kassel. Darüber, daß Kassel zur Blüte
zeit des deutschen Festungsbaues eine der bedeutendsten
Festungen Deutschlands war, kann kein Zweifel bestehen.
' Wir wissen es aus zahlreichen Reisebeschreibungen jener
Zeit, und auch alte Abbildungen, besonders des 17. Jahr
hunderts, stellen die Stadt immer in ihrem Charakter
als Festung dar. Aber alle diese Abbildungen reichen
nicht aus, uns von der ursprünglichen Befestigung ein
Bild zu geben, das wir nur noch auf rekonstruktivem
Wege finden können, indem wir uns klar machen, welche
Bedingungen für die Anlage der Tore und Mauern
gegeben waren, welche Wege nach Kassel führten und
wo diese das Stadtbild verließen. In Kassel kreuzten
sich zwei große Heerstraßen, die sich auf dem Altmarkt
schnitten. Die eine, vom Main kommend, führte vom
Altmarkt aus links nach Holland, rechts zur Weser;
der zweite Weg war die Straße von Thüringen und
Sachsen zum Rhein, also die alte Leipziger Straße,
die über den Altmarkt zur Kölnischen Straße führte.
Die Hauptstraße, die Herrengasse (Wildemannsgasse)
war auf den alten Königshof an der Stelle des jetzigen
Justizpalastes eingestellt; der Name des Steinwegs
bezeichnet eine der ivenigen Straßen, die Steinpflaster
besaßen. Die Siedlung von 1150 besaß zuerst Mauern
und Türme, und somit auch Tore. Zunächst das
Zwehrentor, das aber damals noch der Burg gegenüber
lag, etwa an Stelle des alten Hofmarschallgebäudes
(Schloßplatz 15). Es wird 1269 erwähnt. In der jetzigen
Marktgasse lag das sog. Markttor; der Absatz am
Schützenhaus bildete gleichsam die Taille, um den Ver
kehr künstlich einzuengen und so dem Torwärter die
Kontrolle zu erleichtern. Dieselbe Einschnürung im
Straßenbild zeigt uns noch die Lage des alten Mühl
häuser Tores am Ausgang der nach dem ehemaligen
Torf Mühlhausen führenden Herrengasse. Das Wo'lfs-
anger-, später Ahnaberger- und dann Wefertor genannte
Tor lag an der jetzigen Klosterstraße. 1330, also zur
Zeit der Blüte deutscher Städtebaukunst, fand, eine Er
weiterung der Stadt durch die „Freiheit" statt; die
Bezeichnung rührte daher, daß den künstlich zugezogenen
neuen Einwohnern unter der Bedingung, daß sie sich
anbauten, gewisfe Freiheiten beim Bau und auch Steuer
freiheit zugesichert wurde. Damals entstand der „Graben",
in dessen auf der Nordseite gelegenen Häusern die Höfe
vielfach tiefer liegen, tveil hier der alte Stadtgraben
bis zum Rande aufgefüllt werden mußte. Ein Stück
der mittelalterlichen Stadtmauer ist noch in den Häu
sern der „Kolonnaden" erhalten. Die Entwickelung der
Feuerwaffen machte auch eine Verstärkung der Festung
notwendig. Der Bering der Stadt wurde nun bezeichnet
durch einen Turm an der Stelle der jetzigen Kriegsschule,
ferner den Druselturm, das hohe Tor, den Breulturm,
das Müllertor, den Knickturm am Ende der Knickgaße,
das Wolfsanger Tor am Ende der Fliegengasse, den nach
den Jungfrauen des Ahnaberger Klosters benannten
Jungfernturm und das Brückentor am jetzigen Zaiten-
stock neben dem Wimmelhaus. Der Turm des Zwehren-
tores bildete das Gefängnis für die besseren Stände,
besonders für vornehme Gefangene vom Hof; 1568
war dort z. B. ein Pfarrer von Kleinenglis untergebracht,
1606 sollte der Hofjunker von Holzhausen ebenfalls dort
festgesetzt werden, entzog sich dem Gewahrsam jedoch durch
die Flucht. Der berühmteste Gefangene des Zwehren-
turmes tvar der Hofjunker Rudolf von Eckardsberg, der
1615 den Hofmarschall von Hertingshausen erschossen
und dem dafür vor den Augen des Landgrafen Moritz
auf dem Marställer Platz bei lebendigem Leibe das Herz
herausgerissen wurde. Die Legende läßt, wie im Ahna
berger Tor, auch im Zwehrentor die Eiserne Jungfrau
untergebracht sein; allerdings wurde auf dem Boden
der jetzigen Landesbibliothek vor Jahren eine Folterbank
und andere Marterinstrumente gefunden, die sich jetzt im
Landesmuscum befinden. Der an der 'Außenseite des