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Bitte hin überwiesen zur Verwendung für vorgeschriebene
Zwecke, bot Preußen Gelegenheit, einen Teil der Aus
gaben, die es Kurhessen schuldete, auf das Vermögen des
annektierten Landes abzuwälzen und den neuen Unter
tanen den Schein einer an Preußen ungewohnten
Generosität vorzutäuschen. Der Laudemialfonds
von rund 5 Millionen Talern wurde ohne jeden Um
weg der preußischen Staatskasse zugeführt. Im übrigen
hat bei der Fusionierung Kurhessen 27 Millionen Taler
mehr eingebracht als Preußen. Nach Oetkers Berech
nung erbrachten die kurhessischen Forsten ungefähr den
doppelten Reinertrag wie bte. preußischen. Im kur
hessischen Staatshaushalt von 1862 war der Erlös aus
den Forsten mit 950570 Talern eingestellt; im preu
ßischen Staatshaushalt von 1913 sind die Einnahmen
aus den Forsten des Regierungsbezirks Kassel mit
8794000 Mark eingesetzt. Die Angaben der Denk
schrift über die Minderwertigkeit der hessischen Forsten
seien durch diese Zahlen widerlegt und gebrandmarkt.
Auch die Angaben der Denkschrift über Preußens Ver
dienste um Kurhessen bedürften der Prüfung. Nach An
gabe der Denkschrift seien in Kurhessen unter preu
ßischer Verwaltung 500000 Hektar verkoppelt worden,
Kurhessen habe aber nur 411000 Hektar Ackerland; es
seien einfach die Zahlen für Hessen und Nassau berechnet
worden. Wenn die Denkschrift den Zuschuß für die
Universität Marburg in 50 Jahren auf 50 Millionen
Mark berechne, so habe sie um ganze 20 Millionen nach
oben abgerundet. Es sei ein starkes Stück, Kurhessen,
das finanziell so günstig stand wie kein anderer Staat
des Deutschen Bundes, für unfähig zu erklären, seine
Universität zu erhalten. Kurhessen sei, wenn es Herr
seiner Verwaltung und seiner Finanzen blieb, stark
genug gewesen, die Marburger Hochschule mindestens
ebenso hoch und reichlich auszustatten wie es Preußen
getan hat; es hätte auch die Eddertalsperre ohne fremde
Hilfe bauen können. Ein gesamthessischer Staat werde
gleichfalls ohne ~ Schwierigkeit leben und den Aufstieg
des Reiches fördern können, wenn ihm nur dieselben
Rechte in vollem Umfang belassen werden, die die
andern deutschen Länder besitzen, um ihre Pflichten er
füllen zu können. — Von einer Besprechung der Gegen
schrift wurde auf Beschluß des Vorstandes abgesehen.
Geheimrat Scheibe sprach hierauf über das 1895 im
Auftrag des Geschichtsvereins von Franz Gundlach
herausgegebene „Kasseler Bürgerbuch" (1520—1699), das
eine reiche Ausbeute für die Kultur- und Sprachgeschichte,
besonders aber auch für die Familienforschung bietet
und in einer Anzahl von Exemplaren noch vom Verein
käuflich abgegeben wird. Der Vorsitzende General Eisen
traut legte ein französisches Werk von 1761 vor, das
die Rechtfertigung des Grafen Wilhelm von Schaum-
burg-LiPpe-Bückeburg enthält, der im Februar 1761 die
Belagerung Kassels aufgeben mußte, und weiter das
dem Verein geschenkte Tagebuch des Kapitäns Vogeley.
1834 war mit dem Tode des Landgrafen Viktor Ama
deus die männliche Linie der Landgrafen von Hessen-
Rotenburg ausgestorben, und die Rotenburger Quart
hätte wieder an die Landgrafschaft Hessen zurückfallen
müssen. Während sich 1835 noch bei den Landständen
der Streit darum drehte, ob die Quart an den Kurstaat
oder das Kurhaus zurückfallen würde, erklärte die bisher
kinderlose Witwe des Landgrafen, eine geborene Prin
zessin Eleonore von Salm-Reifferscheid, daß sie ihrer
Niederkunft entgegensehe. Um eine Kindesunterschiebung
zu verhüten, wurde sofort eine Kommission ernannt uno
gleichzeitig ein militärisches Kommando von Kassel zu
eingehender Beobachtung nach Rotenburg geschickt. Schließ
lich mußte die Landgräfin erkennen, daß sie nicht in
anderen Umständen war. Sie ist 1855 in der Gegend von
Brünn an einem Stürz aus dem Wagen verstorben.
Vogeley, der dem Rotenburger Kommando angehörte,
gibt in seinem Tagebuch eine eingehende Schilderung der
dortigen Vorgänge. Zolldirektor Woringer knüpfte
an die bekannte Lewaltersche Hypothese an, daß der
„Y ankee-Doodle“, das volkstümlichste Lied Ame-
-rikas, ursprünglich ein Schwälmer - Tanz sei und im
Unabhängigkeitskrieg 1776 als Tambourmarsch mit den
hessischen Truppen nach Amerika gekommen sei. Woringer
hat nun ermittelt, daß die Melodie bereits 1775, ehe die
Hessen nach Amerika kamen, von englischen Militär
musikern gespielt wurde. In Amerika wurde sie am
häufigsten von den Wales-Füsilieren gespielt, die im
7 jährigen Krieg mehrere Jahre in Hessen und auch
monatelang in der Schwalm gestanden haben. Höchst
wahrscheinlich ist sie also durch diese Füsiliere nach
Amerika gelangt, wo sie die Amerikaner als englischen
Marsch kennen lernten, der dann immer weiter bekannt
und schließlich zur Melodie des Vankee-vooäle wurde.
Hauptlehrer Boß machte zum Schluß noch eingehende
Ausführungen über sächsische Siedlungen im fränkischen
Hessengau, an die er Vermutungen über die ursprüng
lichen Wohnsitze der sächsischen Siedler knüpfte.
In der Monatsversammlung des K wsße l e r Ge -
s ch i ch t s v e r e i n s am 20. Nov. zeichnete ennä. MI.
Franz Flaskamp aus St. Vit bei Wiedenbrück in
Wests. — bekannt durch mehrere neuere Bonifatius-
studien, u. a. Bonifatius und die Sachsenmission: Ztschr.
f. Missionswissenschaft VI (1916) 273—285; Bonifatius
als Missionsfeldherr: Jllustr. Missionsblätter VI (1918)
37—42 — ein Bild der Bekehrung Hessens zum Christen
tum. Ende 721 — Anfang 722 kam Bonifatius ins
damalige Hessen, das Gebiet der unteren Edder. Dieses
war bis dahin ein noch vollkommen heidnisches Land;
an der Donnereiche auf der Höhe bei Geismar a. Elbe
hatte es seinen religiösen und damit politischen Mittel
punkt, Ostern oder Pfingsten 722 fand bereits die erste
Mässentaufe im Ed der tale statt. Papst Gre
gor II. (715—731; ernannte, durch diesen Erfolg er
mutigt, am 30. November 722 Bonifatius zum Ger
manenbischof, übertrug ihm damit die volle Bekehrung
des hessischen Volkes, wies ihn aber auch schon auf die
kirchliche Ordnung Thüringens hin. Die Größe der
Aufgabe und Mangel an Hilfskräften erforderten ein
Einsetzen seiner Person in einer bedeutenden Tat: das
war die Eichenfällung von Geismar im
Herbst 723. Aus dem Holze des Götterbaumes haupt
sächlich zimmerte die Missionsgemeinde auf der Berges
höhe ein schlichtes Bethaus und weihte es dem Apostel
fürsten Petrus. Anfang 724 fügte man ihm eine kleine
Zellensiedlung von Benediktinermönchen bei unter dem
Namen „Frideslar", d. h. Friedensstätte. Als der
Heilige Ende des Jahres nach Thüringen weiterzog,
übertrug er seinem Landsmann Wigbert d. Ä. die Lei
tung als Abt. Dieser legte durch Gründung einer
Klosterschule (schola interior) den Boden für eine Ver
schmelzung von Mission und Volk. Um 737/38 segnete
Wigbert das Zeitliche; Tatwin wurde sein Nachfolger,
der angelsächsische Priester Wigbert d. I., mittlerweile
in Hessen angelangt, Vorsteher der Klosterschule. Etwa
735 hatte Fritzlar schon einen hochbegabten deutschen
Novizen empfangen, den Bayern Sturm. Er wurde hier
gegen 740 zum Priester geweiht, wirkte dann ungefähr
drei Jahre in der hessischen Seelsorge und unternahm
Frühjahr 743 mit Zustimmung und Weisung des
Bonifatius seine Forschungsreise im Fuldawalde; am
12. März 744 pflanzte er das Kreuz in der Eichloh an
der oberen Fulda auf und begann damit die Gründung