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eines ihn hart behandelnden Kapitäns in die des
Kapitäns Briede versetzt worden sei. So hörte ich
auch in diesem Fall, wie bei jeder sonstigen Gelegen
heit, meinen guten Vater loben.
Wenn ich auch bei dem Justizamt ganz nach
Lust und Belieben sowie mit steter Rücksicht auf
meine Gesundheit arbeitete, so habe -ich doch dort
manches gelernt und mich im gerichtlichen Leben
freier aufzutreten gewöhnt. Während meines Auf
enthalts in Kirchhain fand eine „Qualifizierung"
der Referendare bei dem Obergericht zu Kassel statt;
die Rubriken der„Qualifikationstabelle"(vom Monat
Mai 1846) wurden dabei für mich folgendermaßen
ausgefüllt:
Grad der Rechtskunde: sehr gut.
„ des Scharfsinns und der Beurteilungs
kraft: sehr gut.
„ der Sorgfalt und Gründlichkeit: . . sehr gut.
„ der Geschäftsfertigkeit: gut.
„ des Fleißes: . sehr gut.
Einige Verzögerungen hatten ihren Grund
nicht in Unfleiß, sondern in zu ausführ
licher Geschaftsbehandlung.
„ der Ordnungsliebe: sehr gut.
„ der Besonnenheit im Benehmen: . . gut.
„ der Rechtlichkeit und guten Sitten: . sehr gut.
Qualifikation zum Assessor eines kol-t gut, mit Rücks.
legialischen Untergerichts: . . > auf die geringere
„ zum Richtergehülfen: . . . . j Produktivität.
Obgleich diese Beurteilung im allgemeinen eine
recht günstige war, so wurde sie doch durch die
beiden Zusätze heruntergedrückt; sie waren leider
begründet, der erstere namentlich durch die zu aus
führliche und meine Zeit zu sehr irr Anspruch
nehmende Relation in einer Strafsache gegen einen
gewissen, wegen Totschlags angeklagten Dehn sowie
durch die zu umständliche Behandlung einer Reihe
von gleichartigen Zivilprozeßsachen. Nachdem ich zu
Anfang November 1846 nach Kassel zurückgekehrt
war, wurde ich wieder dem Zivilsenat zugeteilt. Hier
tauchte der Gedanke in mir auf, noch die Assessorats-
prüfung abzulegen. Ich erwirkte mir daher auf
einige Zeit Entbindung von den Arbeiten bei dem
Obergericht, doch das Geschick führte mich in eine
andere Laufbahn. Der damalige Kriegsminister-
Schmidt, ein Freund meiner Eltern, ließ mir näm
lich am 9. Januar 1847 durch seinen Sohn Fritz,
nleinen Freund, anheimstellen, ob ich mich rticht
um die soeben zur Erledigung gekommene Stelle
eines rechtskundigen Sekretärs im Kriegsministerium
bewerben wolle. Als neugebackener Bräutigam
— ich hatte mich am Tag vorher verlobt — ging
ich ohne Bedenken darauf ein und bewarb mich
alsbald um die Stelle. Meine Aussichten, sie zu
erhalten, waren aber anfangs nicht sehr groß. Die
Stelle war nämlich mit einem (auf dem Etat des
Gesamtstaatsministeriums ausgebrachten) Gehalt von
600 bis 1000 Taler, einer für die damaligen
Zeiten hohen Besoldung, ausgestattet, und die bis
herigen Inhaber waren von ihr zu höheren, ein
träglichen Stellungen im Justizdienst befördert wor
den. Es meldete sich daher eine Mehrzahl von
Juristen, die meist älter als ich waren und zum
Teil schon in richterlichen Stellen sich befanden
oder bereits die Assessorprüfung abgelegt hatten.
Freunde meines Vaters, die mir wohl wollten
— außer Kriegsminister Schmidt selbst insbesondere
Generalmajor Gerland und Oberstleutnant a. D.
Briede, auch wohl Major v. Roques —, verwen
deten sich jedoch sehr für mich.
Der höchsten Orts gestellte Antrag auf meine
Beauftragung mit der Stelle gegen eine Vergütung
von 300 Taler wurde denn auch durch Entscheidung
des Kurprinzen und Mitregenten vom 11. Februar
1847 genehmigt. Nach empfangener Benachrichtigung
des Kriegsministeriums meldete ich mich bei dem
Obergericht alsbald ab und bei jener Behörde an
und wurde bei dieser am 16. Februar verpflichtet.
In meiner neuen Stellung fielen mir alle die
jenigen Geschäfte des Kriegsministeriums zu, deren
Erledigung mehr oder weniger Rechts- und Gesetzes
kunde erheischte, z. B. zweifelhafte oder bestrittene
Forderungen an den Militär-Fiskus, Zivilprozeß-
und Strafrechtssachen, Vertragsangelegenheiten und
Sachen, die in die freiwillige Gerichtsbarkeit ein
schlugen; Enteignungen, Heiratskautionen, Ge
meindeverhältnisse und (in späterer Zeit) Ehren
sachen der Offiziere; Unterstützungen auf Grund
des Staatsdienstgesetzes vom 8. März 1831; Gesetz
gebungssachen, wie in 1848 die Abänderung der
Militärstrafen; Ende der 1850er Jahre eine neue
Militärstrafrechts-Ordnung; wiederholte Bearbeitung
eines neuen Rekrutierungsgesetzes; in den 1850er
Jahren dieEntwerfung neuerStatuten fürdieMilitär-
Witwen- und Waisenanstalt usw. Sekretariats
arbeiten lagen mir nur ganz ausnahmsweise ob.
Die geschäftliche Stellung war also im wesentlichen
dieselbe wie die der Justitiarien der preußischen
Verwaltungsbehörden. Ter Umfang der Geschäfte
war, wenn auch hin und wieder größere, längere Zeit
erfordernde Arbeiten vorkamen oder die politischen
Verhältnisse, namentlich in 1848, 1850 und den fol
genden Jahren zahlreichere und schwierigere Geschäfte
veranlaßten, doch im allgemeinen ein sehr mäßiger.
Was insbesondere die Zivilprozcsse anlangt, so
waren in solchen die Instruktionen für den Staats
anwalt auszuarbeiten, was von mir in der Regel
so geschah, daß der Staatsanwalt sie zur Einreichung
als Prozeßschriften nur mit Kopf und Schwanz
zu versehen brauchte. Diese Instruktionen hatte ich
jedoch zunächst immer an den mit der Oberleitung
der Strafprozesse beauftragten Beamten im Justiz-