Betzel und Kragenjacke, trägt, und läßt den Haus-
genossen und Gästen noch einmal Kaffee durch ihre
Tochter einschenken. Während das blonde Mädchen
ihrer Ellermutter und den andern einschenkt, er
zählt der Großvater, indem er sich die knochigen
Hände reibt, als spüre er noch die Kälte: „Ja,
Kinder, wir hatten es nicht so gut wie ihr. Im
kalten Winter standen wir vor Sonnenaufgang auf,
um in der zugigen Scheune zu dreschen. Und um
uns dann an Kaffee wärmen zu können, mußten wir
erst da unten im Tal bei der Richelsdorfer Hütte,
wo drüben Peter seine Wiese hat, Wasser holen, und
da geht man bald eine halbe Stunde. Während
dann meine Mutter Kaffee kochte, wurde das Vieh
gefüttert und danach gab es erst etwas Warmes in
den Magen." „Das ist nun alles anders geworden",
beginnt der rotbärtige Bauer, indem er seinem
Vater die lange Pfeife wieder ansteckt, die ihm bei
der Erzählung ausgegangen ist. „In ein paar
Tagen ist ausgedroschen im ganzen Dorf, wenn der
große „Dampfer" (Tampfdreschmaschine) kommt."
„Und wir brauchen auch nicht so früh aufzustehen,"
meint das fünfzehnjährige Bauernmädchen, „sondern
können'uns bald nach Kirmes; ausruhen"; sie be
merkt, daß ihre Großmutter ausgetrunken haj.
„Ellermutter, wollt ihr noch einen Kopf Kaffee,
trinken? Der Born (Wasserleitung) ist ja noch
nicht eingefroren." „Na ja, es ist eine gute Sorte
Kaffee, zu Christtag hat ihn unser. Herr Pfarrer
geschenkt." Wieder hüpft Anna mit der Kanne zu
seiner Eller und will der betagten Frau ein Stück
von dem Apfelkuchenberg anbieten, dessen Höhe
durch den gesunden Appetit seines rotbäckigen Brüder
chens schon wie Schnee an der Sonne zusammen
geschmolzen ist, da — — — geht die Tür auf,
flüchtig erscheint eine Gestalt, und . klirr klirr
— pump — pump — rollt eine Menge der ver
schiedensten Dinge über- den Boden unter Stühle,
Tisch, Schrank und Bänke. Die jungen Leute stürzen
zur Tür hinaus hinter der Erscheinung her, die sich
schleunigst aus dem Staube gemacht hat. „Peters
tag, Peterstag!", rufen mehrere Stimmen durch
einander. Die Mutter sammelt die Schätze, die der
flüchtige Geber „gemispelt", d. h. zur Türe hinein
geworfen hat, in vinen großen Korb. Das ist aber
ein buntes Durcheinander: Erbsen, Rüben, Bohnen,
Linsen, Äpfel und als besonders geeignete Lärm
erreger viele Scherben, die beim Fallen in tausend
kleine Stücke zersprungen sind und nicht mehr er
kennen lassen, ob sie Teller, Schüsseln oder Tcsisen
gewesen sind.
Nachdem die Gaben gesondert sind, kommen Anna
und Heinrich zurück, Base Sabine in ihrer Mitte.
„Ich bin gesprungen, so schnell meine Beine konnten,
aber es hat mir doch nichts geholfen", berichtet die
Base und wird zur Belustigung aller nach uralter
Sitte mit.. Ruß im Gesicht schwarz gemacht von
dem kleinen Heinrich, der siegesfroh ausruft: „Wenn
ich auch erst über deine Erbsen gestolpert bin, so
haben wir dich doch noch unten an der Tränke, wo
Barths Anna wohnt, gekriegt, und jetzt wirst du
schwarz gemacht." „Heute am Peterstag mußt du
dir das schon gefallen lassen," sucht Anna die Tante
zu begütigen; „du weißt ja, wer sich beim Mispeln
erwischen läßt, bekommt einen schwarzen Anstrich."
Heinrich vollendet lachend sein Werk und läßt dann
die Tante sich neben seine Mutter setzen. Es ent
spinnt sich ein lebhaftes 'Gespräch zwischen alt und
jung, alle wärmen ihre Kehlen am „Tränchen",
besehen und loben die gemispelten Gaben. Base
Sabine, die sich vom Laufen und vom Anstrich
wieder erholt hat, preist die gute Ernte des vorigen
Jahres, und die Großmutter erzählt dann in ihrer
gemütlichen Art, daß auch schon in ihrer Jugend
am Abend des Peterstages gemispelt wurde, und
schließt daran eine Mahnung an ihre Enkel: „Als
unser Heiland auf einer Wanderung den Petrus
aufforderte, ein auf dem Weg liegendes Hufeisen
aufzunehmen, und dieser Jünger es nicht tat, nahm
der Herr es selbst mit und kaufte für das Geld,
das ihm nachher ein Schmied für das Eisen gab,
schöne Kirschen. Diese warf er dann einzeln auf
die Straße, und wie Petrus sich nach jeder bücken
mußte, so müßt ihr euch auch oft nach den ge
mispelten Geschenken bücken und dürft nicht die
Mühe scheuen, wie es'zuerst Petrus tat, sondern
sollt immer eifrig und fleißig sein wie eure Eltern."
Indem die Großmutter ihre mit lebhaften .Hand
bewegungen begleitete Rede schließt, dringt von der
mondhellen Dorfstraße herein der Ruf des Nacht
wächters:
„Hört, ihr Herren, und laßt euch sagen:
Die Glock' hat zehn geschlagen.
Bewahrt das Feuer und auch das Licht,
Daß der Gemeinde kein Schaden geschicht,
Und lobet Gott den Herrn!"
Konrad, der wegen seines aus dem französischen
Schützengraben stammenden Rheumatismus am Ofen
sitzt, macht aus das Wächterlied aufmerksam. Wenn
wir irm.Krieg in der Champagne oder Flandern in
Stellung lagen, hat abends so oft mein Leutnant zu
mir gesagt: „Jetzt singt zu Hause in den Hessen
dörfern der Nachtwächter, da geht nun hier meine
Arbeit erst recht los. Laß das Feuer nicht aus
gehen und setze den Rübeneichelcichorienersatzkaffee
auf den Ofen, denn draußen ist's kalt und naß.
werde ich auch, wenn ich mit Willi, Walter und
Rudolf auf Patrouille gehe und durch Schlamm,
Granatlöcher und Stacheldraht krieche." Willi und
die anderen Ordonnanzen gingen dann mit ihm in