Länge, und als er nach acht Wochen nochmals um
Verlängerung seines Urlaubs einkommen mußte,
erhielt er statt des Urlaubs unerwarteter Weise den
Abschied. Seine Gesundheit wurde aber nach län
gerer Zeit wieder hergestellt, und er begab sich danach,
im Jahre 1757 nach Lvschwitz bei Dresden, wo
Friedrich der Große damals sein Hauptquartier
hatte. Er stellte sich in der Hoffnung, wieder an-
gestellt zu werden, dem Könige vor, der ihn aber
mit den brüsken Worten: „Herr, Er ist ja noch
ganz krank!" abfertigte, von Schliessen wandte
sich nun nach Hessen, dessen Truppen ja auf Seiten
Friedrichs des Großen kämpften, und trat als Fähn
rich in das Regiment Isenburg ein. Hier in Reffen
erkannte man besser als in Preußen, was in dem
körperlich unscheinbaren jungen Mann steckte. Fast
stets als Generalstabsoffizier im Siebenjährigen
Kriege verwendet, wurde er noch im Jahre 1757
Leutnant, am 3. Mai 1758 Kapitän, 25. Oktober
1759 Major, 4. März 1760 Major in der 1. Garde
mit Oberstleutnantsrang, 14. November 1760 Kom
mandeur der 1. Garde und Generaladjutant des
Landgrafen, 28. Juni 1762 Oberst und Komman
deur der Gardedukorps, 14. Juni 1763 General
major und 1 . Generaladjutant. Er hatte also in
den sieben Kriegsjahren alle Stufen der militärischen
Hierarchie vom Fähnrich bis zum Generalmajor
durchflogen. Vielfach führte er als Generalstabs
offizier größere Truppenteile zu besonderen Unter
nehmungen oder entwarf die Pläne zu solchen, bei
spielsweise zur Schlacht bei Minden, wofür er, da
die Verleihung von Orden damals noch nicht üblich
war, von dem Führer 0 er Armee, dem Herzog Fer
dinand von Braunschweig, ein Geldgeschenk von
4000 Talern erhielt. Er hatte aber sein altes Vater
land nicht vergessen. In Gemeinschaft mit den
zahlreichen anderen preußischen Offizieren, die vor
und im Siebenjährigen Kriege in hessische Dienste
getreten waren, wirkte er darauf hin, daß Landgraf
Friedrich II. in seinem Bunde mit Preußen ver
harrte. Das war von Wichtigkeit, obwohl der Land
graf wohl niemals daran gedacht hat, von Preußen
abzufallen. Hätte er es getan, so würde wahr
scheinlich der Sieg Preußens sehr fraglich gewesen
fein. Schliessen sehnte sich aber nach Preußen zu
rück. Im Jahre 1762 machte er einen Versuch,
sich wieder in Preußen niederzulassen. Herzog Fer
dinand von Braunschweig wandte sich deshalb befür
wortend an den König Friedrich II., der aber
unterm 14. November 1762 aus Meißen antwor
tete, der Oberst von Schliessen, der aus Preußen
stamme und ohne Erlaubnis des Königs sein Vater
land verlassen habe, habe seine Güter verwirkt, die,
wenn er nach Preußen zurückkehre, eingezogen wer
den würden. Daraufhin blieb Schliessen in hessischen
Diensten, in denen er am 26. Oktober 1772 General
leutnant und Staatsminister wurde. Als solcher
war er der eifrigste Berater des Landgrafen Fried
rich II. und wirkte 1776 als Gesandter in London
wesentlich für den Abschluß der Subsidienverträge
mit England. Eine Reise nach Mannheim unter-
nahni er zu dem Zwecke, oen Pfalzgrafen Karl
Theodor für einen Fürstenbund zu gewinnen, der im
preußisch-evangelischen Sinne gegenüber den mit
Österreich verbundenen katholischen Fürsten wirken
sollte. Schliessens Plan kam aber nicht zum Ab
schluß. Als 1785 sein Gönner, Landgraf Fried
rich II. von Hessen, gestorben und im folgenden
Jahre König Friedrich II. von Preußen ihm gefolgt
war, hielt ihn nichts mehr in Hessen und auch seiner
Rückkehr nach Preußen stand nichts mehr im Wege.
So nahm er denn 1786 seinen Abschied, worauf
ihn König Friedrich Wilhelm II. von Preußen
am 10. März desselben Jahres zum Generalleutnant
von der Armee ernannte. Am 25. April 1789
wurde er Gouverneur von Wesel, erhielt im Mai
desselben Jahres den Schwarzen Adlerorden und
wurde am 21. Januar 1791 Chef des bisherigen
Regiment Eichmann in Wesel. 1789 wurde er an
die Höfe im Haag und in London geschickt, um mit
beiden Höfen wegen der Maßregeln zu verhandeln,
die infolge der Unruhen in Brabant nötig geworden
waren. In deren Ausführung rückte er 1790 als
Oberbefehlshaber der preußischen Truppen in das
Bistum Lüttich ein. Auch sonst vielfach zu diplo
matischen und militärischen Aufgaben verwendet,
nahm er 1792 seinen Abschied und zog sich nach
Windhausen zurück, dessen tzerrschaftsgebäude er
4769 erbaut hatte. Er wohnte aber meist nicht in
diesem Gebäude, sondern in einer schilfgedeckten
Eremitage. In Kassel hatte er sich ein Wohnhaus
am Königsplatz gebaut, den späteren Gasthof zum
König von Preußen. Er lebte von nun an ganz
den Wissenschaften und verfaßte eine Reihe von
Schriften, von denen heute noch zwei von Wert sind:
eine Familiengeschichte der von Schliessen und seine
eigene Lebensgeschichte, letztere unter dem Titel:
„Einige Betreffnisse und Erlebungen Martin Ernsts
von Schliessen." Das Werk ist sehr schwer lesbar,
weil der Verfasser alle Fremdwörter vermieden, an
ihrer Stelle aber Ausdrücke gewählt hat, die nicht
ohne weiteres verständlich sind. Er nennt z. B.
den Generaladjutanten „Hauptfeldhandbieter", den
Adjutanten „Schaardienstbesteller", das Garnisons
regiment „Besatzungsschaarheit", den Gesandten
„Geschäftsführer" usw. Dem Verkehr mit Menschen
ging er ganz aus dem Wege und trat nur noch
einmal öffentlich auf. Dies letzte Erscheinen war
sehr eigentümlicher Art. 1813, beim Angriff
Czernitscheffs aus Kassel, begab er sich nämlich nach