Full text: Hessenland (34.1920)

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gescheit in die Welt hinein. Da lockte er sie mit 
den Bröckchen der Brotrinde, um vom Weg zu 
kommen. Daß der Wirt und seine Gäste die 
Hälse hinter ihm her reckten und sich vor Lachen 
schüttelten, merkte der alte Bursche nicht. Wachend 
-42-- 
waiabend 
träumte er einen betörender: Traum, in dem wirrterr 
sich Geißgemecker, rauschende Milchstrahlen im 
Eimer und raschelndes Rauhfutter zu einem Herr, 
lichen Klangbild zusammen. 
(Fortsetzung folgt.) 
int Dorfe. 
Und jeden Abend ist es so: 
Duftwellen kommen von irgendwo. 
Hoch in den Bergen vergrollt ein Gewitter; 
vorm Hause sinnen die jungen Mütter, 
und hinter den Gärten — das geht so nah — 
schluchzt eine Mundharmonika. 
Die Mädchen aber sind wie immer; 
stellen Flieder in alle Zimmer, 
öffnen heimlich Türen und Truhen. 
Und wenn sie längst in den Betten ruhen, 
singt selig noch der blaue Blick: 
Doch morgen — morgen kommt das Glück! 
Gtto Blüse. 
Weißenborn. 
Aus Heimat und fremde. 
Heinrich Bertel m a n n f. Eben kommt uns die 
tieftraurige Kunde, daß Heinrich Bertelmann einer 
schweren Krankheit erlegen ist. Wir werden im nächsten 
Heft versuchen, dem Andenken dieses prächtigen Menschen 
und Dichters gerecht zu werden. Die Redaktion. 
Die Kasseler F r ü h j a h r s a u s st e l l u n g 
19 20 wurde am 9. Mai im Oberlichtsaal des'Stände- 
hauses durch den Vorsitzenden des Arbeitsausschusses der 
Ausstellung Akademiedirektor Professor Dr. Bantze r 
eröffnet, der, an die letzte große Kasseler Ausstellung 
im Jahre 1913 anknüpfend, einen Rückblick über das 
seitherige Kunstschaffen in Hessen bot, die Aufgabe der 
bildenden Kunst in der Gegenwart schilderte und zum 
Schluß zu einer Würdigung der expressionistischen Kunst 
überging. Oberbürgermeister Scheide mann, der im 
Namen der Stadt der Ausstellung einen guten Erfolg 
wünschte, stellte in erfreuliche Aussicht, daß in abseh 
barer Zeit Räume für eine städtische Galerie bereit 
gestellt werden könnten. Über die vom Kunstverein und 
der Kasseler Kunstakademie veranstaltete Ausstellung 
selbst, die bis zum 4. Juli dauert, werden wir im 
nächsten Heft berichten. 
H o ch s ch u l n a ch r i ch t e n. ' Marburg : Der 
Direktor der medizinischen Klinik Prof. Dr. Gustav 
von Bergmann wurde nach Frankfurt versetzt und 
Prof. Dr. Alfred Schwenkenbacher, bisher an 
der Frankfurter Universitätsklinik, zu seinem Nachfolger 
ernannt. — Der Privatdozent und Oberarzt an der 
medizinischen Klinik Prof. Dr. med. Gerhard Katsch 
siedelte mit Prof, von Bergmann an die Klinik der 
Frankfurter Universität über. — Der a. o. Professor 
für Straf-, Strafprozeß- und Zivilprozeßrecht Dr. für. 
Woldemar Engelmann wurde zum 'ordentlichen Pro 
fessor ernannt. — Die philosophische Fakultät verlieh 
dem Prof. Adolf S t o l l in Kassel anläßlich seines 
70. Geburtstages ehrenhalber die philosophische Doktor 
würde. — Seit dem 1. April führt nach Anordnung des 
Volkswohlsahrtsministeriums die gesundheitspolizeilichen 
bakteriologischen Untersuchungen für den Regierungs 
bezirk Kassel und Waldeck das hygienische Universitäts 
institut Marburg und nicht mehr Frankfurt aus. — 
Das Sommersemester nahm am 29. April seinen Anfang. 
Die Zahl der Immatrikulierten beträgt 2997 Herren 
und 410 Damen. (Theologie 242 Herren und 8 Damen, 
Jura 585 Herren und 14 Damen, Medizin 937 Herren 
und 86 Damen, Philologie 1033 Herren und 302 
Damen.) — Gießen: Prof. Dr. Karl F e i st hat 
den an ihn ergangenen Ruf auf den Lehrstuhl der 
pharmazeutischen Chemie an der Universität Göttingen 
als Nachfolger Mannichs angenommen. — Dr. Johannes 
Com pernaß aus Salmünster bei Schlüchtern er 
hielt die venia legendi für byzantinische Philologie. 
P e r s o n a l ch r o n i k. Einer der bekanntesten ein 
stigen Willingshäuser Maler, Hans von Bolkmann 
in Karlsruhe, beging am 19. Mai seinen 60. Geburts^ 
tag. — Fräulein Dr. phü. Margret Heinemann, 
Tochter des Kasseler Stadt-Medizinalrates, wurde als 
Hilfsarbeiterin in das preußische Kultusministerium be 
rufen. Es dürfte der erste Fall sein, daß eine Frau in 
diesem Ministerium die Stelle eines vortragenden Rates 
erhält. 
Die Plätze der Kasseler Oberneustadt 
früher und jetzt. Zum zweitenmal in kurzer Zeit 
bot der Handels- und Gewerbeverein seinen Mitgliedern 
und Gästen einen bedeutsamen Vortrag mit Lichtbildern 
über die städtebauliche Entwicklung Kassels. Am 20. April 
sprach Stadtbauinfpektor Labes im dichtbesetzten Vor 
tragssaal des Landesmuseums über „Die Plätze der 
Oberneustadt früher und jetzt". Unsere Oberneustadt, so 
führte Redner einleitend aus, ist ein Werk des 18. Jahr 
hunderts, einer künstlerisch sehr hochstehenden Zeit, be 
gonnen im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts 
(1688, und vollendet um 1800. Diese Epoche sind 100 
Jahre großen architektonischen Aufschwungs und städte 
baulichen Glanzes und dann kommen 100 Jahre, die 
das Gegenteil sind, ein Niedergang der Architektur, eine 
Verkümmerung des Städtebaues. Was war das architek 
tonisch Große in dieser Glanzepoche? Jeder Bau, von 
der Kirche bis zum kleinsten Gartenhäuschen, war nach 
Grund- und Aufriß eine räumlich und künstlerisch klare 
Lösung, ein künstlerisches Objekt, das gesetzmäßig ge 
bildet war. Sodann war jeder Bau ein Glied eines 
größeren architektonischen Gedankens, der einen ganzen 
Stadtteil als Einheit umfaßte. Jeder Bau hatte die 
engste Beziehung zu den Nachbarhäusern, war Einzel 
glied einer Gesamtkomposition. Charakteristisch für Kassel 
war nicht, >vie etwa bei den Wilhelmshöher Kaskaden-
	        

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