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wo er Kammerjunker und Kammerassessor ge
wesen war, sich aber durch allerhand dumme
Streiche und Schulden unmöglich gemacht hatte.
Sein Kasseler Renommee schadete ihnr aber in
Hanau nicht, wo man Renegaten >des mit dein
erbprinzlichen auf gespanntem Fuße lebenden land
gräflichen Hofes gern aufnahm, machte ihn dort
vielmehr nur interessant. Der gewandte junge
Hofmann verstand es bald, sich eine feste Position
zu verschaffen und sich ohne offizielles Amt zum
anerkannten maître de plaisir aufzuschwingen, eine
Stellung, die vorher der oben erwähnte Eancriu
eingenommen hatte. Infolge seiner gesellschaft
lichen, literarischen und musikalischen Talente (er
dichtete und komponierte zu gleicher Zeit) war
Knigge auch der geeignete Mann für einen solchen
Posten, und da damals sich auch die beiden lebens
lustigen Brüder des Erbprinzen, Karl und Fried
rich, in Hanau befanden, und der Hof durch
die Gegenwart des ebenfalls mit einer dänischen
Königstochter verheirateten Prinzen Karl und sei
nen ganzen großer: dänischen Hofstaat zeitweise
einen besonderen Glanz besaß und größern Auf
wand als gewöhnlich machte, so hatte der geschäf
tige Knigge alle Hände voll zu tun. Unter seiner
Leitung wurde aus der Gesellschaft eine förm
liche Theatergruppe gebildet, der auch die Prinzen
angehörten und die fleißig ihre Rollen studierte.
In corpore fuhr der Hof nach Frankfurt und
Mannheim, um die dortigen Bühnen zu besuchen
und Anregungen für die eigne Theatersaison zu
sammeln, die den ganzen Winter hindurch den
neuen Theatersaal im Schlosse in Anspruch nahm.
Man führte hauptsächlich französische Stücke auf,
gab u. a. Alzire, L'Ecossaise und Nanine von Vol
taire, den Warwick von Laharpe und Beaumarchais'
Eugénie, aber auch einige deutsche Stücke, unter
denen àgels „Dankbarer Sohn" besonders gefiel.
Nach der Abreise des Prinzen Karl, der als Statt
halter der Herzogtümer Schleswig und Holstein
im Frühjahr 1778 wieder nach seiner Residenz
auf Schloß Gottorp zurückkehrte, wurde es wieder
stiller in Hanau, zumal auch der Erbprinz monate
lang in Schlesien weilte, wo er im Hauptquartier
Friedrichs des Großen am bayerischen Erbfolge
krieg tàahm. Nicht lange nach seiner Rückkehr
mußte Knigge, der in Hanau sein Erstlingswerk,
die „Theaterstücke" schrieb, dabei aber zu seinem
Unglück Zeit fand, sich an allerhand Hofintrigen
zu beteiligen, sehr gegen seinen Wunsch den Hof
und die Stadt verlassen, in deren Theaterleben
er eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hatte.
In Frankfurt trat er in den Illuminatenorden
und fand dort ein neues Feld seiner vielseitigen
Tätigkeit. Seine dramatischen Arbeiten sind völ
lig vergessen, nur eine, die Übersetzung des itali
enischen Textbuches von Figaros Hochzeit, hat ihn
überlebt.
Das Beispiel des erbprinzlichen Hofes reizte,
wie das gewöhnlich zu sein Pflegt, auch in der
Bürgerschaft zur Nachahmung. So bildete sich
neben der höfischen auch eine bürgerliche
L i e b h a b e r g e s e l l s ch a f t irr Hanau, die un
ter der rührigen Leitung der Herren Mäusehold
und Steitz um 1780 in dein Vorstadtgasthaus zu
den „Zwei Löwen" dramatische Aufführungen ver
anstaltete. Über ihr Programm und ihre Erfolge
ist uns aber leider nichts Näheres bekannt.
Wie seine beiden Brüder, so rvar auch der Erb
prinz Wilhelm selber öfters auf der Schloßbühne
als dramatischer Mitspieler aufgetreten. Er fand
aber denrr doch, daß „eilt Souverän sich keiner
Blamage und auch nicht den Vertraulichkeiten aus
setzen dürfe, die mit dem leichtfertigen Kömödien-
spiel zusammenhängen" und nahm sich — ver
mutlich nach einer solchen Blamage — vor, nicht
wieder mitzuspielen. Fortan überließ er es den
jüngeren Gliedern der Hofgesellschaft allein, bei
den Aufführungen mitzuwirken, die auch nicht mehr
regelmäßig, sondern nur bei besonderen Gelegen
heiten stattfanden. Am 10 . Juli 1780 wurde z. B.
Voltaires Nanine zur Feier des Geburtstages
der Erbprinzessin im Schloßtheater aufgeführt,
wobei eine bayerische Gräfin Bergheim mit Toch
ter und ein westfälischer Graf Münster, Gäste des
Wilhelmsbades, die Hauptrollen spielten. Als
die erbprinzlichen Kinder größer wurden, lebte
auch das Interesse für dramatische Aufführungen
am Hofe wieder auf, besonders als die Familie
des Prinzen Karl wieder einmal zu längerem
Besuche in Hanau weilte. Am 19. Dezember 1783
führte eine Gesellschaft, „die meistens aus fürst
lichen und cwelichen Kindern bestand", zur Feier
des Geburtstages des Prinzen Karl die „Über
raschung" aus Weißes Kinderfreund und danach
ein Ballett „Die Drescher" auf. Fräulein Wilhel
mine v. Ditfurth sprach den Prolog. „Jeder Zu
schauer von Geschmack, der die Vorstellung mitan
gesehen hat, konnte ihr den gerechtesten Beifall nicht
versagen" berichtete der Korrespondent des Ha-
nauischen Magazins, in dem wir wohl den Ver
anstalter der Aufführung, den Lehrer der fürst
lichen Kinder Kandidat Götz vermuten dürfen.
In ähnlicher Weise wurde auch am 30. Januar
1784 der Geburtstag der Prinzessin Karl gefeiert.
Diesmal gab man den „Abschied", ebenfalls aus
Weißes Kinderfreund und im Anschluß daran ein
„geschmackvolles ganz neu dazu eingerichtetes
Schäferballett ,La Fête de Louise' ", in dem Schäfer
und Schäferinnen sich mit Faunen in einem Wald-