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Geboren am 24. Oktober 1860 zu Rotenburg als Sohn
des als bester Kenner des hessischen Fischereiwesens be
kannten späteren Amtsgerichtsrats Friedr. Wilh. Seelig
(1° 1897) entstammte er einer altkasseler Bürgerfamilie,
die durch Generationen das Handwerk der Färberei be
trieb. Auch seine Mutter, eine geborene Breithaupt
aus der bekannten Mechanikerfamilie, war eine Kasse-
kanerin, so daß er, obwohl in Rotenburg geboren^
aber in Kassel aufgewachsen, sich ganz als Kasselaner
fühlte. Als primu3 omnium des Jubiläumsjahres 1879
verließ er das Lyceum Fridericianum, studierte Germa
nistik und Geschichte, promovierte zu Straßburg als
Schüler Wilh. Scherers und begann auch dort seine
bibliothekarische Laufbahn. 1889 wurde er Assistent an
der Kasseler Landesbibliothek und 5 Jahre später mit
der Verwaltung der Fuldaer Landesbibliothek beauf
tragt. Ein nervöses Leiden, das eine stetige für seinen
Berus erforderliche Tätigkeit hinderte, zwang ihn trotz
seiner unleugbaren Begabung und tüchtigen Kenntnisse
dem bibliothekarischen Beruf zu entsagen. 1902 wurde
er Lehrer zu St. Goarshausen, ließ sich dann 1904 als
Privatlehrer, Redner und Schriftsteller zu Bronzell
nieder und siedelte schließlich nach Holstein und 1907
nach Hamburg über, wo er eine „Allhessische Aus-
.kunfter für wissenschaftliche Anfragen aller Art" be
gründete. Von 1892—95 redigierte er die Touristischen
Mitteilungen aus beiden Hessen und Nassau. Von
seinen selbständigen Schriften seien „Der Name Hessen
und das Chattenland" (1889), „Geschichtsbilder aus der
Kasseler Vergangenheit" (1891) und „Der Schimmel von
Bronzell" (1900) erwähnt. Als Mitarbeiter des „Hes
senland" veröffentlichte er u. a. eine Übersicht über die
Landgraf Philipp-Literatur (1904). Seelig war eine
hochbegabte Natur mit vortrefflichen namentlich histo
rischen und genealogischen Kenntnissen aus der hessischen
und fuldaischen. Geschichte, aber die unstete Hast und
nervöse Unruhe seines Wesens ließ seine reichen Gaben
nicht zur Entwicklung kommen. Bezeichnend für ihn ist,
datz er seit dem 400. Geburtstage Philipps des Groß
mütigen seinen Schriftstellernamen „aus zwingenden
Gründen" in S e e l i n g abänderte (vgl. Hessenland 18,
343) und später noch einmal eine solche Namensänderung
in Seelick vornahm, die er öffentlich ankündigte. L.
Am 15. Februar verstarb zu Hilders im 79. Lebens
jahr der zu Kassel geborene Pfarrer Breitung.
Im Jahre 1864 zum Priester geweiht, war er längere
Zeit Religionslehrer in Fulda und wurde 1873 Pfarrer
in Hilders. Er war ein großer Freund der Rhön,
seit Jahren Vorsitzender des Rhönklub-Zweigvereins
Hilders und stolz aus sein Milseburggebiet.
Am 16. Februar starb zu Straßburg im Elsaß an
einer schweren Lungenentzündung der Professor der Geo
graphie und Ethnologie an der dortigen Kaiser-Wil
helm-Universität Georg Gerland, nachdem er am
19. Januar sein 86. Lebensjahr vollendet hatte. Aus
Kassel gebürtig, war er zwei Jahrzehnte lang Gym
nasiallehrer in Hanau, Magdeburg und Kassel, ehe er
— sofort als ordentlicher Professor — ins akademische
Lehramt trat. Er hat sich außer durch treffliche anthro
pologische und ethnologische Arbeiten durch seine er
folgreichen Bestrebungen auf dem Gebiete der inter
nationalen Erdbebenforschung verdient gemacht. Her
vorzuheben sind namentlich seine ausgezeichnete Bear
beitung des letzten Bandes von Th. Waitz' „Anthro
pologie der Naturvölker" und sein vielgebrauchter „At
las zur Völkerkunde" (1891-^92). Auch seine sagen
geschichtlichen und sprachwissenschaftlichen Arbeiten sind
zum Teil nicht ohne Bedeutung, so namentlich seine
Forschungen über Flutsagen. Seit seiner Berufung an
die Straßburger Universität wandte Gerland sein beson
deres Interesse der Geophysik, vor allem der Erdbeben
forschung, zu. Seit 1887 gab er die „Beiträge zur
Geophysik" heraus. Auf seine Anregung wurde vor
drer Jahrzehnten von etwa zwanzig europäischen und
außereuropäischen Staaten die Internationale Seis
mische Assoziation ins Leben gerufen, deren Zentral
stelle nach Straßburg gelegt und seiner Leitung anver
traut wurde. Auch die Leitung der auf sein Betreiben
errichteten „Kaiserlichen Hauptstation für Erdbeben
forschung" wurde ihm 1900 übertragen. Seit 1910
hatte sich der Gelehrte von der akademischen Lehrtätig
keit zurückgezogen und war nur noch schriftstellerisch
tätig.
Am 20. Februar verstarb fast 78 jährig der Kastellan
an der Kasseler Gemäldegalerie Friedrich Kann.
Seit 1858 beim Kurfürstlichen Marstall angestellt, be
gleitete er den Kurfürsten in die Verbannung nach
Prag, wurde dessen Leibreitknecht und gehörte zu denen,
die 1875 die Leiche ihres einstigen Landesherrn nach
Kassel zurückführten. Seit 1885 war er bei der Ge
mäldegalerie und zwar seit 1906 als Kastellan angestellt.
Im Alter von erst 57 Jahren verschied zu Kassel
der Baurat Anton K a r st. Als junger Architekt
war er in den achtziger Jahren von Darmstadt nach
Kassel übergesiedelt. Als Hochbausachverständiger war
er Mitglied des Kasseler Magistrats, auch war er Mit
glied der städtischen Kunstkommission. Außer dem Hof
theaterneubau am Friedrichsplatz schuf Karst u. a. das
Landesversicherungsgebäude, die Handelskammer und die
Villa des Geheimrats vr. Karl Henschel.
Das Kasseler Musikleben erlitt einen empfindlichen
Verlust durch das am 7. März erfolgte Hinscheiden des
Lehrers am Lyceum und Oberlyceum Musikdirektor
August Klein. Er war 1854 zu Somplar im
Kreise Frankenberg geboren, kam 1876 an die Bürger
schule in Kassel und 1890 an das jetzige Lyceum, wo
er Nachfolger des Musikdirektors Brede wurde. Klein
war lange Jahre hindurch Leiter des Kirchenchores zu
St. Martin und Dirigent des „Liederkranz". Weithin
bekannt wurde er durch eine stattliche Reihe von Ge
sängen für Männer- und gemischten Chor. Seine
Motetten und Chöre wurden viel gesungen und eben
so sein bekanntes Lied „Daheim", das er zur Tausend
jahrfeier Kassels vertonte.
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Hessische Bücherschau.
Hessische Biographien (Arbeiten der Histo
rischen Kommission für das Großherzogtum Hessen).
In Verbindung mit Karl Esselborn und Georg
Lehnert herausgegeben von Herman Haupt. Bd. l,
Lieferung 4. Darmstadt 1918. Großh. Staatsverl.
M 3.—.
Mit diesem vierten Hefte wird der erste Band dieses
inhaltreichen Werkes abgeschlossen. Unser voller Dank
gebührt den verdienten Herausgebern und ihren Mit
arbeitern, die keine Mühe gescheut haben bei der
Sammlung und Verarbeitung des umfangreichen Stoffes.
(Über die drei ersten Hefte habe ich im Jahrg. 1913,
S. 338; Jahrg. 1914, S. 94; Jahrg. 1915, S. 95
des „Hessenlandes" berichtet.) Unter den Persönlich
keiten von allgemeinerem Interesse finden wiv den
Fürsten Ludwig zu Solms-Hohensolms-
Lich, dessen Lebensbild von seinem Großneffen, dem
Fürsten Karl entworfen ist, der eine erschöpfende Dar-