S««L- 37 9*6tL
Aus Heimat
Die grotzhessische Bewegung steht nach
wie vor im Mittelpunkt lebhafter Erörterung, und immer
deutlicher grenzen sich Für und Wider ab. Gegen eine
Aufteilung Preußens sprach sich u. a. der Akademikerbund
in Kassel aus, gegen einen Freistaat Hessen und für den
Fortbestand eines preußischen Einheitsstaates der ge
schäftsführende Ausschuß der Handelskammer Kassel,
ebenso nahm der Landesausschuß des Regierungsbezirks
Kassel gegen das Projekt Großhessen Stellung, für das
man vorläufig auch in Darmstadt noch keine große Ge
neigtheit feststellen kann. Andererseits faßte die Han
delskammer für den Kreis Wetzlar die Entschließung,
auch im Falle der Bildung eines Großhessen für eine
Vereinigung des Kreises mit Hessen-Nasau einzutreten.
Den Ortsgruppen des Hessischen Volksbundes — Haupt
leitung Marburg (Neustadt 16) —, die sich in Kassel,
Marburg, Gießen, Hanau, Homberg gebildet hatten,
schlossen sich inzwischen eine Reihe neuer Ortsgruppen an.^
Hessischer Geschichtsverein. Am Herren
abend des K a s s e l er Vereins am 3. Februar be
schloß General Eisentraut seinen Vortrag über
die Burg Wolfershausen und die benachbarte
„Amsel". Direktor Woringer sprach über aller
lei Erinnerungen an die hessischen Trup
pen in Amerika. Beide Vortrage werden wir im
Wortlaut veröffentlichen. Weiter behandelte Direktor
W o r i n g e r noch einen im September 1832 im hessi
schen Naumburg ausgebrochenen und von einer
Kasseler Gard^ekompagnie unterdrückten Aufstand.
Eine Reihe kleinerer interessanter Mitteilungen führten
zu einer anregenden Diskussion. — Zu Beginn der am
8. Februar abgehaltenen Ätzung des Marburger
Vereins gedachte der Vorsitzende, Archivrat vr.
K n e t s ch, der kürzlich verstorbenen Mitglieder Super
intendent D. Happich und Pfarrer Aug. Held-
mann, dessen Verdienste um die hessische Geschichts
forschung besonders hervorgehoben wurden. Darauf
sprach Professor vr. Glaser über „Marburger
Romani st en in kurhessischer Zeit". Der
Vortragende legte die Verdienste von Friedrich Diez
um die Begründung der romanischen Philologie
dar und schilderte weiter den Einfluß, den Diez auf
die Ausbildung des romanistischen Universitätsunter
richts in Marburg gehabt hat. Wie anderwärts in
Deutschland wurde auch hier der rein sprachmeisterliche
Betrieb, der noch aus der Franzosenzeit her in Ge
wohnheit geblieben war, allmählich durch eine mehr
wissenschaftliche Methode verdrängt. Besonders ist in
diesem Zusammenhang der politisch wie literarisch gleich
vielseitig tätige Victor Aimß Huber zu nennen. Seine
Cidstudie, sein Werk über die englischen Universitäten
und seine Schrift über die neuromantische Poesie in
Frankreich wurden besprochen, ihre Methoden und Er
gebnisse vom Standpunkt der gegenwärtigen Forschung
aus beleuchtet. Huber wird überragt von Adolf Ebert,
dem ersten literarhistorisch gebildeten Fachromanisten,
den Marburg aufzuweisen hat. Seine Allgemeine Ge
schichte der Literatur des Mittelalters im Abendland
sowie seine Entwicklungsgeschichte der französischen Tra
gödie sind Leistungen, von deren Bedeutung der Vor
tragende durch eine eingehende kritische Würdigung eine
Vorstellung gab. — Einen erlesenen Genuß bot seinen
Mitgliedern am 17. Februar der Kasseler Verein,
der den hessischen Dichter und Lehrer HeinrichBer-
telmann zu einem Vortrag über „Bilder aus
der hessischen Landschaft" gewonnen hatte.
und fremde.
Wer Bertelmanns demnächst in neuer Auflage erscheinende
„Hessische Höhenluft" kennt, weiß, in wie künstlerisch
vollendeter, von Heimatliebe durchdrungener Darstellung
er die hessische Landschaft nach der ästhetischen und histo
rischen Seite zu schildern versteht. Mit Dichteraugen
spürt er den Sagen und geschichtlichen Erinnerungen
der einzelnen Stätten nach, überall weiß er die leben
dige Gegenwart mit den Fäden der Vergangenheit zu
verknüpfen und von hoher Warte überraschende Zusam
menhänge aufzudecken. Die Schönheit der hessischen
Landschaft, -die etwa im Vergleich zum Harz und
Schwarzwald etwas Zurückhaltendes, Herbes hat, will
gefühlt sein, nicht nur mit den Augen, sondern auch
mit dem Herzen. In diesem Sinne gab es kaum
einen berufeneren Führer als Bertelmann, der diesmal
seine Hörer zum Heldrastein wandern ließ, zum Hahn,
jenem einst von einer längst geschwundenen Burg ge
krönten Basaltkegel bei Holzhausen an der Frankfurter
Landstraße, zum Hohen Gras, das einen der verlockend
sten Rundblicke Mitteldeutschlands gewährt, zu dem an
den Hohenstaufen im Schwabenland erinnernden Desen-
berg am Hochrand der Marburger Börde und schließlich
zu dem über dem mittleren Warmetal gelegenen
Zwergener Kirchberg, dessen Tal mit seinem „Deutschen
Heimatglück" unlängst in Marie Martin eine so be
geisterte Künderin gefunden hat. Eine dichterische Wür
digung der Heimat beschloß die packenden Schilderungen,
denen wir bald in einem neuen Werk des feinfühligen
Dichters zu begegnen hoffen. Möge der Geschichts
verein noch öfter den zweiten Teil seines Programms,
die Förderung der hessischen Landeskunde, in so er
freulicher Weise zum Ausdruck bringen.
Marburger Hochschul Nachrichten. An der
Grippe verschied 33 jährig der a. o. Professor für ger
manische Philologie an der Greifswalder Universität Or.
Wolf v. Unwerth, der sich 1911 in Marburg habi
litierte und 1917 von dort nach Greifswald über
siedelte. — Von Angehörigen des Lehrkörpers der Uni
versität, der Studentenschaft und der Bürgerschaft wurde
eine Ortsgruppe Marburg des Reichs Verbandes für stu
dentisches Wohnungsleben ins Leben gerufen. — Der
langjährige Vertreter der pharmazeutischen Chemie Geh.
Rat Prof. vr. phil., Dr. med., Dr. Ing. Ernst
Schmidt tritt vom Lehramt zurück. Zu Halle a. S.
1845 geboren, war er zunächst neun Jahre als Apotheker
tätig, promovierte 1872 in Leipzig, habilitierte sich 1874
in Halle und folgte 1884 einer Berufung nach Marburg
als Ordinarius für pharmazeutische Chemie und Direktor
des pharmazeutischen Instituts als Nachfolger Zwengers.
Er ist Herausgeber des „Archivs der Pharmazie" und
Mitglied des Reichsgesundheitsrates. — Geheimer Rat
Professor vr. Jo Hanes Gadamer (1867 zu
Waldenburg in Schlesien geboren), Ordinarius der
pharmazeutischen Chemie und Direktor des pharmazeuti
schen Instituts in Breslau, wohin er nach seiner Mar
burger Tätigkeit (1891—1902) übersiedelte, wurde an
die hiesige Universität berufen. — Dem Oberarzt an
der medizinischen Universitätsklinik vr. Katsch wurde
das Prädikat Professor verliehen.
Personalchronik. Apotheker Wilhelm Hei
de l b a ch zu Coethen in Anhalt beging, ein gewiß
seltener Fall, -noch heute in-.seinem Beruf tätig, sein
60 jähriges Apothekerjubiläum. Er war am 1. Januar
1859 in die Kasseler Sternapotheke eingetreten. — An
stelle des in den Ruhestand versetzten Direktors des