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Dieser Flurname, über den ich in dieser Zeit
schrift bereits gehandelt habe 2 ', lautet Kar, Karle,
Kärlein und ist nach Grimm, Deutsches Wörterbuch
5, 904 ff., Schmeller, Bahr. Wörterb. (München
1872) 1 , 1277, Buck, Oberd. Flurnamenbuch
S. 130/31 ein sehr häufiger Wiesenname mit der
vorwiegenden Bedeutung „talähnliche, zur Weide
benutzbare Vertiefung auf höherem Felsgebirge",
überhaupt „schluchtartige Vertiefung zwischen Berg
höhen mit guter Weide" und findet sich in Hessen
und Thüringen außerordentlich häufig zur Be
zeichnung einer Grenzflur.
Die volksetymologischen Umbildungen, die dieser
Flurname gezeitigt hat, sind unübersehbar, und
es ist in der Regel nur mit Hilfe der mundart
lichen Aussprache möglich, Licht in das Dunkel
dieser Namensformen zu bringen. Der vielfach
unverstandene und schon früh mit dem Personen
namen Karl ^ vermengte Flurname ist in der
mannigfachsten Weise mit ähnlich lautenden Wörtern
zusammengebracht worden. Durch Assimilation des
r und 1 und Übergang der Liquide 1 in n, in der
rheinfränkischen Mundart besonders häufige Laut
erscheinungen, ergaben sich Wortgebilde wie Kall,
Kalle, Kaller, Kell, Kelle, Keller, Kerl, Kern,
Karn, Kehl, Kahl, Kahn. Vgl. dazu Buck a. a O.
S. 135: „Keilhof, Kehlhof, Kelhof, Kellerhof,
auch Kelchenhof, Kelenhof, Kernhof 4 , Gerbing
a. a. O. S. 6: „am Carlberg (1754) und auf dem
Gaiberg (1784), Hotz 2 ^ S. 6: „der Karlehof
(Gem. Schlitz), ma. Kaiehof." Der nassauische
Flurname " Kallenberg lautet im Volksniund
Korlemerfe. Ähnlich erklären sich nassauisch 25
Kallenbach, Kallergang, Kaieheide, Keller
„meist kellerartige Vertiefung", Kelleracker,
Kellerberg, Kellerheck, Kellerwald, Kellerwiee,
Kellerstück u. a. M., hessisch aut dem Kall, Höhe
bei Röddenau über der Eder, hinter dem Kalle
(Frankenberger Saalbuch von 1588), im Kaller-
etück Gem. Densberg, Keller Gem. Wetter, der
Kellerwald Gem. Schönstein , ans dem Keller
Gem Frankenau, auf dem Kellmark Gem. Mar
dorf, Kelleracker Gem. Betziesdorf, die Keller
berge Gem. Sarnau, die Kehl, der Kellerswald,
der Kellberg Gem. Rollshausen , das Kallen-
oder Kollenstück Gem. Schönstedt, der Wein
keller und die Kalwe, Waldorte am Meißner usw.
Durch falsche Dialektübertragung von Karl,
ma. Kääl, entstand Angleichnung an Kahl und
an Kohl, z. B. hessisch 'Kohlkippel, ma. Käälkipel
" „Hessenland" 1916, Nr. 20,21.
33 z. B. Karls Quinte.
38 Die Flurnamen der Grafschaft Schlitz.
34 Kehrein a. a. O. S. 468.
9 ° Ebenda S. 468, 473.
(Grafschaft Schlitz), Kahlplatte, ma. KLLplat (ebd.),
aus der Kohlplatte, Wald in der Gemarkung
Himmelsberg, die Kahlwiese Gem. Burgholz,
Kohlfurt Gem. Großstelheim , die Kohlhecke
Gem. Neustedt, die Koblheege Gem. Leimsfeld,
das Kohlstück Gem. Lingrlbach, der Kahlenbach,
Wald in der Gem. Willersdorf, die Kahleseite
Gem. Somplar, am Kahlenberg Gem. Rosental,
der Kohlenberg (!) Gem. Riebelsdorf usw. Die
Versuche Arnolds S. 570 und von Haas a. a. O.
1908, S. 175, diese Namen mit der ehemaligen
Brennwirtschast zu erklären, halte ich für sehr
anfechtbar und Feldorte wie das Kohl, im Kohl,
im Kohlen für nichts anderes als falsche Dialekt
übersetzungen gelehrter Schreiber, wofür auch schon
der neutrale Gebrauch des Artikels spricht.
Da die Kartographen mundartliches kääl für
hochdeutsch kalt ansahen, wurde aus einem kahlen
Lank schließlich ein kalter Lank, aus einem
kahlen 8tein ein kalter Stein, aus einer kahlen
Au eine kalte Au, aus einem kahlen Fleck ein
kalter Fleck. Ähnlich entstand der Flurname
kalter Lern, kaltes Wasser, kalte Leide. Die
Entwicklung läßt sich an der Hand der Mundart
und älterer Belege meist noch gut verfolgen, z. B.
thüringisch 26 kalte Heide, ma. uf der kale Hei,
de kall Hei, 1565 an der kalten Heide; das
kalte Wasser, ma. d’s kal Wasser, 1505 das
kalde wasser, 1557 Kaltwasser, das Gränz-
wasser; der Kalteborn, 1039 Cholbahc, 1665
Kalteborn; kalten Born, ma. Kahlenborn;
kalte Rümber, ma. kahle Rümper, kahle Rim
pich, 1587 im kalten Rimpich (— Rimberg);
das kalte Fleck, ma. kale Fleck; kalte Markt
(— Mark), ma. kale Mart, 1587 der Kalten-
marck, 1642 die kalte marck; Kahleberg, 1587
Kallenberg; Kaltenbach oder Kalmbach, ma.
’s Koalmich; die kalte Kcke („naßkalter Boden
am Nordfuß des Leichbergs"), ma. kahle Ecken;
die kalte Herberge, ma. kale Herberg usw.,
lippisch 2 ^ die Kaldenweie, 1721 Kohlenwie;
kalte Brede, 1718 kohle Breie; die kalten
Buchen, 1728 kohle Boken; auf der kalten
Buche, 1721 auf der kahlen Buche; Koldebrig,
1529 Kolebrink usw., nassauisch 2 ^ Kahlbach,
796 Galdebach, 797 Caldenbach, 799 Calde-
bach, 822 Caltenbach; Kaltenholzhausen, ma.
Kallholdese, Kallholese usw., hessisch Kalde,
Bach im Spessart ; Calden, Siedlung bei Greben
stein, ca. 1120 Chaldun, 1315 Kalden, 14. Jh.
96 Gerbing a. a. O. S. 565. 567,421,425, 483,493,
523 u. ö.
93 Pr ruß. Die lippischen Flurnamen (Detmold 1893)
S 81/82.
38 Kehrein a. a. O. S. 220, 468.