Hessisches Heimatsblatt
Zeitschrift für hessische Geschichte, Volks- und Heimatkunde, Literatur und Kunst
Nr. 17/18. 33. Jahrgang. September-Doppelheft 1919.
Leben und Treiben am Hofgeismarer Gesundbrunnen.
Vortrag, gehalten am 21. Oktober 1918 im Verein für hessische Geschichte und Landeskunde zu Kassel
von A. Woringer.
Quellen:
Theatrum Europaeum, Band IV. Hof sme ist e r,
Hessische Zeiten und Persönlichkeiten. Hoffmeister,
Aus den Tagen eines erloschenen Regentenhauses. Hes
senland, Band 6. Falckenheiner. Geschichte hessischer
Städte und Stifter. Schminke, Versuch einer Be
schreibung der Stadt Kassel. Rommel, Geschichte
von Hessen. N? e y er, Maria, Landgräfin von Hessen.
Er. Schnackenberg, Bad Hofgeismar. Er. W u r -
z e r, Beschreibung der Heilquellen zu Hofgeismar. 6 e
Beaumont, Traité des eaux minérales de Hoff-
geismar. Description des Bains de Geismar. P f aff,
Der Gesundbrunnen bei Hofgeismar. Ordrebuch des
Regiments von Bose (Handschrift).. Erinnerungen des
Rechnungsrats Woringer (Handschrift). Tagebuch des
Kasseler Kaufmanns Sattler (Handschrift). Briese der
Erbprinzessin Marie von Hessen, im Staatsarchiv zu
Marburg (mitgeteilt von Herrn Generalmajor Eisen
traut). Patent des Kabinetssekretarius Steinbach als
Brunnendirektor (mitgeteilt von Herrn Privatmann Ru
dolph).
I.
Das Hasten und Drängen nach Erwerb, das
unsrer schnelllebenden Zeit eigentümlich ist, fordert
für viele, im geschäftlichen Leben oder in geistiger
Tätigkeit stehende Leute ein alljährliches kürzeres
oder längeres Ausspannen aus der täglichen Be
schäftigung. Die wenigsten dieser Erholungsbe
dürftigen suchen aber körperliche und geistige Er
frischung in völliger Ruhe, die ihnen wohl am
besten bekäme. Im Gegenteil. Gerade diese Zeit
des Ausspannens wird meistens zu einer größeren
Reise, die ja durch die zu Gebote stehenden viel
fachen Verkehrsmittel befördert werden, oder zu
Vergnügen aller Art verwendet. Eine Folge davon
ist das Emporblühen einer großen Anzahl von
Sommerfrischen, Luftkurorten und Badeorten ge
wesen. Wo irgend ein kleiner Heilquell Gelegen
heit bietet, da wird er benutzt, um einer bald ins
Leben gerufenen Aktiengesellschaft die Möglichkeit
zur Schaffung eines Bades zu bieten. Lebhaft be
triebene Reklame in den Zeitungen, in den Warte
hallen und auf den Bahnsteigen der Bahnhöfe,
der Hinweis auf Vergnügungen aller Art, die ge
boten werden — viel weniger auf Heilerfolge —
locken binnen kurzem eine genügende Menge Be
sucher, prunkvolle Kurhäuser werden errichtet und
dem Ortsnamen wird die Bezeichnung „Bad" vor
gesetzt. So haben wir vor dem Kriege unzählige
Bäder entstehen sehen.
Um so auffallender und seltener ist es, daß ein
früher lebhaft besuchtes, sich großer Beliebtheit
erfreuendes Bad fast völlig eingeht, soweit, daß
kaum über die nächste Umgebung hinaus seine Heil-