164
Ein anderes schönes Stück der Kirche ist der
Sakristeischrank, den Magister Sefridns i. I. 1494
ausführen ließ, und der heute wieder, nach der
Wiederherstellung durch den Darmstädter Museums-
tischler Bey, mit seinem reichen Ornamentenwerk
aus jeden Beschauer einen tiefen Eindruck macht.
Am unteren Ende der Stadt liegt dann noch
das Schloß. Ein kleiner Bau, der nach der Zer
störung i. I. 1382 durch Hermann von Liß-
berg in 1400 neu errichtet ward, und dessen
Hauptgebäude heute das Amtsgericht beherbergt.
nachdevl anno 1852 noch einmal em gewaltiger
Brand das ganze Innere vernichtet. Deutlich ist
die wehrhafte Bestimmung des Platzes noch zu
erkennen, und namentlich von Westen her bietet
das Städtchen mit dem Schlosse, dessen nordwest
liche Ecke ein kleiner Turm mit Kegeldach be
herrscht, ein reizvolles Bild, ob nun die Blüten
der Obstbäume rings aus allen Gärten leuchten
oder gilbende Wälder von den Höhen zur Stadt
grüßen und zu der nach der Wetterau hinab
eilenden Nidda.
—
©fío Höger-Ausstellung.
Zur Zeit ist im Kunstvereinshause am Stände
platz das Lebenswerk des im Dezember vorigen
Jahres verstorbenen Malers und Bildhauers Otto
Höger ausgestellt. Da es fast lückenlos zusammen
gebracht ist, kann man die Entwicklung des Künst
lers von ihren Anfängen an verfolgen. Dieses
seltenen Genusses wegen sei es gestattet, hier aus
führlicher auf die Ausstellung einzugehen, als sie
ihrer Bedeutung nach verdienen würde.
Bei Höger kann freilich nur in beschränktem
Sinne von Entwicklung gesprochen werden; schon
eine flüchtige Betrachtung seiner Leistungen zeigt,
daß er seinen Stil früh gefunden hat.
Er war Norddeutscher von Geburt, auch seinem
Äußern und seiner ganzen Veranlagung nach:
zurückhaltend, schweigsam, verschlossen, ruhig, fast
phlegmatisch und nüchtern — er blieb ohne Er
regung vor dem, was anderen höchstes Erleben
bringt: Natur und Leben. Nicht aus dem über
vollen Herzen, nicht aus der Qual und Seligkeit
des Erlebens strömte seine Kunst, nicht Bruch
stücke „einer Konfession" wollten seine Werke sein
— er war ein rein formal empfindender, einzig
)ie Harmonie der Formen, den Rhythmus der
Naumverhältnisse, den Zusammenklang der Farb-
üne suchender Künstler. Seine Lust war das
Zchwingen und Klingen der Linien, Farben und
Räume. Das Unsagbare des physisch-psychischen
Äefühls, das uns vor dem Harmonischen, dem
,Schönen", überkommt, das Beseligende, Befrei
ende, Erhebende in Bild und Stein zu gestalten,
war sein künstlerisches Bemühen. Nicht das Ein
zelne lebte ihm, nicht die Seele suchte er in allem,
was er als Künstler erfaßte — sein Auge sah die
Form, das Gestaltete als „für sich seiend", nicht
als Ausdruck eines Gehalts, nicht als von innen
her gebildet. • ’ .
■ So veranlagt, ist er sich früh über seinen Weg
klar gewesen und hat fast vom Beginn seiner
künstlerischen Entwicklung an alles abgewiesen, was
ihm nicht durchaus gemäß war. Er war bereits
25 Jahre alt, als er die Akademie in Weimar
bezog, als Künstler noch ohne Ziel und Stil,
wie seine Versuche aus dieser Zeit zeigen (Nr. 13,
35, 39). Damals beherrschte noch der Impres
sionismus unser Kunstleben völlig, und Höger malt ,
denn auch in Weimar zunächst reine, figurenfreie
Landschaften mit den farbigen Mitteln dieser Kunst
richtung (Nr. 20, 19, 48, 47, 48). Aber da ihm
die Natur innerlich immer fremd geblieben ist, ge
lingt ihm nur selten ein Bild wie die „Land
schaft mit Bach" (Nr. ¡20), das die lebensschwangere
Stimmung des Vorfrühlings, seinen durchsonnten,
feuchten Duft zu geben versucht. Bei aller tech
nischen Bezwingung des Formalen fehlt seinen
Landschaften meist das Beseelte und Intime (Nr.
18, 19).
Nach Olde ist Ludwig von Hofmann sein Lehrer.
Ihm kommt bald zum Bewußtsein, daß er nun
auf dem rechten Wege ist, und er ■ malt wie der
Meister schöne Menschen in einer heitern, sonni
gen Welt, die Gestalten in Form und Bewegung
in jugendlicher Anmut, die Töne locker und duftig,
die Farben schimmernd und leuchtend (Nr. 3, 4,
11). Er entwickelt sein Gefühl für den Bildauf
bau und sucht Landschaft und Figur harmonisch
zu vereinigen. Aber mehr und mehr wird die
Landschaft zum Bildraum, zum Kompositionsgliede,
und man merkt, daß seine Liebe der Menschen
gestalt, der Schönheit des Jünglings gehört.
' 1909 erlebt er die Marses-Ausstellung in Berlin
und hat nun endlich völlige Klarheit über sich
selbst. 1911 und 12 ist er in Italien, sieht in
Florenz die großen Bildhauerwerke der Renais
sance und in Neapel die Bronzen der Antike und
kommt unter ihrem Eindruck zur Beschäftigung
mit der Plastik. Seine von Haus aus auf das
Einfache, Weite und Geräumige gerichtete Kunst
strebt fortan im Bilde nach Monumentalität und
dem unmittelbaren Eindruck des Körperhaften,
und wie er sich längst von der Landschaft abgewandt
bat, vernachlässigt er' nun auch die Farbe als
Ausdrucksmittel und wird schwer, erdig und grau.
Seine Gestalten verlieren mehr und mehr das
Formal-Schöne und werden anatomisch richtiger
und damit eckiger und härter. Niemals ist es ihm
bei ihnen um das Persönliche zu tun, immer sind
sie nur Träger von Haltung, Bewegungen und ana
tomisch-künstlerischen Formen.
Damit ist seine Entwicklung als Maler zu
ihrem Abschluß gekommen. Seit 1912 ist er Lehrer
an der Kasseler Akademie. Als er wieder nach