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aber man ging über den Protest des „alten
Narren", wie Kaiser Ferdinand ihn nannte, zur
Tagesordnung über.
Im März 1628 fand noch einmal ein ge
meinschaftlicher Landtag ganz .Hessens statt, und
es war für lange Zeit das letzte Mal, daß bei
dieser Gelegenheit das Haupt der jüngeren Linie
als Gast am Kasseler Hofe erschien.
Der 3 0jährige Krieg ging währenddessen
weiter, und während Georg II. von Darmstadt
wie sein Vater ein treuer Anhänger des Kaisers
blieb, warf sich Wilhelm V. von Kassel, durch
»Tillys Drangsalierungen zur Verzweiflung ge
trieben, dessen Gegner, dem Schwedenkönig Gustav
Adolf in die Arme, der wie er ein Urenkel Phi
lipps des Großmütigen war. Vom Kaiser geächtet,
wurde Wilhelm völlig zum soldatischen Partei
gänger der Schweden und Franzosen, erbeutete
die Stifter Fulda, Paderborn und Corvey, ohne
sie jedoch halten zu können, durchzog als Eroberer
Westfalen und Ostfriesland und starb dort 1637
fern von der Heimat, in der in diesem Jahre die
Kriegsfurie maßlos hauste. Georg II. von Darm
stadt, vom Kaiser schon vorher zum Administrator
von Niederhessen ernannt, beanspruchte mm die
vormundschaftliche Regierung für Wilhelms un
mündigen Sohn, aber dessen tapfere Mutter, die
Hanauerin A m e l ia Elisabeth, ließ sich nicht
aus der Regentschaft verdrängen, schloß sich noch
enger an Schweden und Frankreich an, legte den
Grund zur Erwerbung von Schaumburg und Hanau
und fand die Unterstützung ihrer Verbündeten bei
ihrem Beinühen, den Marburger Erbschaftsstreit zu
Gunsten Kassels wieder aufzurollen. Nach heftigem
Federstreite zwischen beiden Linien kam es in den
letzten Jahren des großen Krieges zu dem bluti-
!gen Bruderkampf des H e s s e n k r i e g s. Mar
burg wurde 1646 den Darmstädtern entrissen und
der Kopf seines unglücklichen greisen Komman-
danten fiel auf dem Marktplatze zu Gießen unter
Henkershand, während Amelia Elisabeth für die
Eroberung Oberhessens durch den tapferen Geyso
ein Dankfest feiern ließ. Die übrigen Haupt
orte des Landes gingen bei wechselndem Kriegs
glück aus einer Hand in die andere, aber ver
gebens versuchte Melander, einst Feldherr Wil
helms V., mit den Kaiserlichen die Geburtsstadt
Philipps des Großmütigen wieder zu nehmen.
Die Schale hatte sich zu Gunsten der Kasseler
gesenkt, und als beide Parteien, des langen Haders
müde, endlich die Vermittlung Ernst des Frommen
von Gotha annahmen und dieser das Gottesgericht
des blutigen Zweikampfs für geschlossen erklärte,
da wurden die Originalurkunden des Hauptakkordes
von 1627 zerschnitten und Hessen-Kassel erhielt
in dem Friedens vertrag vom 24. April
1648 die Hälfte der Marburger Erbschaft, die
Niedergrafschaft Katzenellnbogen und Schmalkal
den zurück, während das Hinterland mit Itter
und Vöhl darmstädtisch blieb.
Es war ein Kompromiß/ das beide Teile nicht
recht befriedigte. Zuerst zeigte sich das in der
Universitätsfrage. Die Marburger Hochschule sollte
nach dem Frieden gemeinschaftlich bleiben, aber
die konfessionellen Schwierigkeiten führten schon
bald wieder zu einer Scheidung. Landgraf Georg
errichtete 1650 die lutherische Universität G i e -
ß e n aufs neue, und Amelia Elisabeth und ihr
Sohn ließen die 1629 zu Kassel begründete und
seitdem dort nur dürftig vegetierende Hochschule
eingehu, um 1653 die reformierte Universität
Marburg in der lutherisch gebliebenen Lahn
stadt wieder herzustellen. Gemeinsam blieben nach
dieser Spaltung der Universität nur noch das
Samthofgericht (für das noch 1673 eine neue Ord
nung erschien), das Samtarchiv zu Ziegenhain,
die adeligen Stifter und Hospitäler und die be
scheidenen Rheinzölle. Zu einem gemeinsamen
Landtag, wie er im Frieden vorgesehen war,
kanr es nicht mehr. Der letzte war 1637 zu
Treysa gehalten worden.
Abgesehen von der Wiedergewinnung Marburgs
hatte Hessen-Kassel im Westfälischen Frie
den seinen territorialen Umfang durch Hersfeld
und Schaumburg nicht unwesentlich erweitert, wäh-
rend Hessen-Darmstadt die im 30 jährigen Kriege
durch kaiserliche Gunst errungenen Landesvorteile
wie Isenburg nicht behaupten konnte und wieder
zu einem unbedeutenden Kleinstaat geworden war.
Da außerdem Kassel durch unverhältnismäßige
Steigerung und Entwicklung seiner Militärmacht
sich eine seinen äußeren Umfang weit überragende
politische Stellung zu verschaffen wußte, so wurde
die jüngere Linie durch die ältere mehr und mehr
in den Hintergrund gedrängt. Wenn auch seit dem
Bruderfrieden die Präzedenz auf den Reichstagen
alternierte, so fehlte es doch nicht an Reibungs
punkten und Eifersüchteleien, und ein Streit um
das Kondirektorium des Oberrheinischen Kreises
veranlaßte 1702 den Landgrafen E r n st Ludwig
von Darmstadt sogar zum Austritt aus dem
Kreise.
So blieb das Verhältnis zwischen beiden Höfen
kühl, und seitdem der Erbprinz, spätere Land
graf Ludwig VI. zur Unterzeichnung des Frie
densvertrags 1648 in Kassel gewesen war, dauerte
es lauge Zeit, bis der Verkehr unter den Gliedern
beider Häuser (als solche fing man an sich zu be
trachten) wieder zu gegenseitigen Besuchen führte.
Daran änderte auch die 1720 zustande gekommene