Full text: Hessenland (33.1919)

Hessisches Heimaisblatt 
Zeitschrift für hessische Geschichte, Volks- und Heimatkunde, Literatur und Kunst 
Nr. IS/16. 33. Jahrgang. Auguft-Doppelheft ISIS. 
Kassel und. Darmsiadt. 
Ein Rückblick auf den hessischen Bruderzwist. 
Von PhiliiPp Losch. 
Ein eigenartiges Schicksal hat es gewollt, daß 
gerade der hessische Fürst, den man als den 
größten seines Stammes zu bezeichnen pflegt, 
und unter dem das Hessenland den Höhepunkt 
seiner Macht und seiner Bedeutung erreichte, daß 
der zugleich den ersten Keim zu dem tziäterett 
Verfall und der Zerrissenheit seiner Stamm 
lande legte. Philipps des Großmütig 
gen letzter Wille war es, der den stattlichen, 
fast das ganze Gebiet des chattischen Stammes 
umfassenden Länderkomplex in vier Teile zer 
stückelte, die trotz teilweiser späterer Wiederver 
einigung bis auf diesen Tag noch nicht wieder 
ganz zusammen gekommen sind. Das war ge 
wiß nicht die Absicht des Landgrafen; er wollte 
nur seine Söhne versorgen, dabei' aber die Ein 
heit des Landes gewahrt wissen, die sich auch in 
politischer und kirchlicher Hinsicht bis ins 17. Jahr 
hundert hinein durch die gemeinsamen Landtage 
und Synoden, durch die gemeinsame Universität 
und die obersten Gerichte u. a. deutlich dokumen 
tierte, bis der hessische Bruderzwist diese letzten 
Bande zerriß. 
Bon Philipps Söhnen hatte der älteste, Wil 
helm, Niederhessen mit der Hälfte des Landes, 
der zweite, Ludwig, ein Viertel mit Oberhessen 
und Marburg erhalten. Das letzte Viertel, die 
Grafschaft Katzenellnbogen, teilten sich die beiden 
jüngsten, von denen Philipp die Rebenhügel 
bei St. Goar und Rhemfels, der haushälterische 
Georg das bescheidene Ländchen an der Darm 
erhielt. Nur dem ältesten und dem jüngsten war 
es vergönnt, den Stamm fortzupflanzen. Zuerst 
starb der weinfrohe Lipps 1583, und einund 
zwanzig Jahre später 1Ä34 folgte ihm sein Bruder 
Ludwig von Marburg im Tode. Um seine Erb 
schaft kam es zuerst zum Streite zwischen den 
beiden allein noch übrig gebliebenen Linien, da 
der Darmstädter Neffe eine Teilung Oberhes 
sens nicht nach Linien, sondern nach Köpfen 
d. h. auch für seine beiden Brüder gleiche An 
teile verlangte. Mer das von Philipp dem Groß- 
müttgen vorgesehene und nun angerufene Austrägal- 
gericht entschied dem Testamente gemäß, und Ober 
hessen wurde halbiert, d. h. Landgraf Moritz 
von Kassel erhielt den Marburger Anteil mit 
dem sog. Hinterlande, der Herrschaft Itter und 
Böhl, Landgraf Ludwig von Darmstadt den 
Rest mit Gießen, d. h. etwa die heutige Provinz 
Oberhessen. Mer nun kamen die unseligen Re-
	        

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