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Größe seiner Pflichterfüllung uns näher gestanden als
heute. Seine Person ist unter unserm Schutze. Wir
wissen, daß die bürgerliche und soldatische Bevölkerung
Kassels ihm nur Gefühle der Verehrung und Hochach
tung entgegenbringen wird und er vor jeder Belästigung
sicher ist. Der Generalfeldmarschall trägt Waffe, ebenso
die Offiziere und Soldaten des Großen Hauptquartiers,
wenn sie ihn begleiten. Für den Arbeiter- und Sol
datenrat: Grzesinski. Für den Magistrat: Koch."
Heimkehr der Kasseler Truppen. Seit
Tagen von der Einwohnerschaft erwartet, kehrten am
24. November die Kasseler Truppenverbände, zuerst die
Elfer und dann die Dreiundachtziger (die Husaren be
finden sich noch in der Ukraine) mit ihren Reserve
formationen aus dem Felde zurück. Vor der von der
Stadtverwaltung errichteten Ehrenpforte hieß der Kasseler
Stadtverordnete und Redakteur Hauschildt vom Arbeiter
und Soldatenrat die Truppen herzlich willkommen, die
sich dann, von Tausenden begleitet, unter klingendem
Spiel in ihre Kasernen begaben. Einige Tage später
wurden die einzelnen Verbände bei ihrem Zug durch die
reich beflaggten Straßen der Stadt aufs herzlichste be
grüßt, beschenkt und mit Blumen überschüttet und auch
von Generalfeldmarsch all Hindenburg auf dem Rück
marsch zur Kaserne begrüßt, wo Oberbürgermeister Koch
eine packende Ansprache hielt, die in wärmstem Danke
für die unvergleichlichen Leistungen der Tapferen
gipfelte. Das Schauspielhaus veranstaltete eine Reihe
von Ehrenvorstellungen für die Heimgekehrten.
Schlösser als Lazarette. Der ehemalige
Kaiser hatte angeordnet, daß etwa 60 Königliche Schlösser
und Gebäude als Lazarette für die aus den geräumten
Gebieten zurücktransportierten Verwundeten eingerichtet
würden. Für Kassel kamen in Betracht das Wilhelms
höher Schloß mit Ausnahme der kaiserlichen Gemächer,
in denen die Kunstgegenstände und Möbel aufbewahrt
werden, und das Prinzenhaus.
Das Kasseler Hoftheater ist von jetzt ab
staatliches Theater, das provisorisch einem Verwaltungs
rat (Stadtverordneter Hauschildt, Leutnant Kunert,
Schriftleiter Häring, Oberbürgermeister Koch, Baurat
Karst) unterstellt wird. Die künstlerische Leitung wird
anstelle des nach jahrelangem Wirken freiwillig zurück
getretenen Intendanten Grafen Bylandt-Rheydt pro
visorisch Spielleiter Sieg übernehmen. Dessen Stell
vertreter wird das älteste Bühnenmitglied Schauspieler
Jürgensen sein. Ihnen ist ein künstlerischer Beirat zur
Mitberatung des Spielplans und zur Geltendmachung
aller Wünsche der Bühnenangehörigen und Angestellten
zur Seite gegeben.
Hessischer G e s ch i ch t s v e r e i n. In der
Sitzung des Marburger Vereins vom 7. November
sprach Professor vr. E. Maaß über Seelenabtvehr
im Volksglauben. Der Vortragende ging von einer
bisher unbeachteten oder grob mißverstandenen Stelle
des römischen Historikers des 4. Jahrhunderts n. Chr.
Ammianus Marcellinus aus, der in der Schilderung
der Kämpfe zwischen Römern und Alemannen i. I.
356 im Elsaß vergleichsweise von Gräbern redet, die
gegen die^Gewohnheit der Antike abseits vom Verkehre
lagen und außerdem mit Netzen umstellt waren. Er
wies zunächst nach, daß die Notiz des Historikers sich
notwendig auf römische Beerdigungsverhältnisse bezieht,
daß die betreffenden Toten als unheimlich und gefährlich
angesehen wurden, endlich aus allerlei Spuren und An
zeichen innerhalb der altrömischen Kultur, daß die Netze
den Toten verhindern sollten, den nächsten Umkreis des
Grabes zu verlassen, unter die Lebenden zurückzukehren
und sie physisch oder psychisch zu schädigen. Eine völlige
Analogie zu diesem, wie Ammians Erwähnung lehrt,
weitverbreiteten römischen Grabesbrauch hat sich im
Elsaß gefunden, wo noch in neuerer Zeit das Grab
der Wöchnerin mit Garn umsteckt zu werden pflegte.
Gerade junge Mütter galten als Wiedergänger und wur-
den gefürchtet. Ferner in Westpreußen und bei verschie
denen Naturvölkern. Mit dieser für den Seelenabtvehr
glauben neuen Erkenntnis verband der Vortragende zwei
Bußordnungen des Wormser Bischofs Burchard aus dem
11 . Jahrhundert, in denen verboten wird, der bei
der Geburt verstorbenen Mutter oder dem verstorbenen
Neugeborenen in der Gruft einen Pfahl durch den Leib
zu stoßen. Die eine der beiden Verordnungen teilt auch
den Grund dieser fürchterlichen Sitte mit: es sollten die
Toten an ihren Platz im Grabe festgebannt bleiben
und ein für allemal verhindert werden, wiederzukommen
und Unheil anzurichten unter den Lebenden. Und da
trifft es sich günstig, daß in einer Verordnung Philipps
des Großmütigen aus dem Jahre 1554 Kindesmord
und allerlei grobe Unzucht so bedroht wird: „die soll
man lebendig in ein Grab ein Dornenheck uff ihren
Leib legen, sie mit Erde beschütten und ihr eynen
eychen Pfal durch ihr Herz schlagen" usw. Ob be
wußt oder unbewußt: diese auf den uralten Seelen
abwehrtrieb zurückgehende Strafe in ihrer ganzen Furcht
barkeit ist ein Rest aus der Heidenzeit der Katten-
Damit gewinnt Tacitus „Germania" 12 (ignavos et
imb 6 ll 68 et corpore infames caeno et palude iniecta
insuper crate mergunt) endlich seinen bisher verkann
ten Bezug auf denselben Seelenglauben zurück und wird
jetzt voll verständlich. Römischer und deutscher Grabes
brauch, seltsam an'sich, stimmen hier mit dem der Natur
völker überein. Das weist auf eine psychologische Not
wendigkeit, auf ein geheimes Gesetz. — Sodann legte
Professor Maaß unter Hinweis auf einen früher ge
haltenen Vortrag das Buch Dr. Quillings über die
Mainzer Juppitersäule vor, das während des Welt
krieges erschienen ist. Das Prachtwerk vereinigt mit
gewaltigem Fleiß in geradezu mustergiltiger Weise das
Gesamtmaterial über diesen bedeutendsten Skulpturen
fund aus dem Limesgebiet, geht mehrfach mit Glück
auch neue Wege und muß für jede weitere Unter
suchung die Grundlage bilden.
Am Herrenabend des Kasseler Vereins am 4. No
vember teilte Geheimrat Scheibe verschiedene für
die hessische Kriegsgeschichte lehrreiche Aktenstücke mit;
zunächst einige Berichte des Polizeidirektors und Land
kommissars in der Grafschaft Hanau, des Kriegsrats
Friedrich Wilhelm Marquart an Landgraf Wilhelm IX.
Diese Berichte stechen wohltuend ab von der allgemeinen
Kopflosigkeit und Verwirrung, die 1792 beim Anrücken
der Franzosen unter Custine allgemein Platz gegriffen
hatte. Weiter wurde der gute Geist, der damals im
hessischen Heere waltete, durch Feldpostbriefe des Karl
Ludwig Losekant aus dem Hanauer Grenadierregiment
v. EschN'ege gekennzeichnet, die dieser 1793 beim Rück
zug aus der Champagne abgefaßt hatte. Bibliotheks
direktor Professor Dr. Brunner wies sodann auf
das kürzlich erschienene Werk des Marburger Archiv
rates Dr. Knetsch hin über die Genealogie des Hauses
Brabant, das geradezu phänomenale Kenntnisse auf
diesem Gebiet aufweist und zu dem Ergebnis kommt,
daß das Haus Brabant das älteste aller europäischen
Fürstengeschlechter ist. Eine Reihe weiterer kleiner Mit
teilungen und Aussprachen füllten den Abend aus.