Full text: Hessenland (32.1918)

itrirb auch der Psalter Elisabeths durch eine spätere 
Eintragung als Geschenk Elisabeths bezeichnet. 
Natürlich war auch dafür Bertold der Mittler, 
wenn auch seine Anregung sich zunächst nur aus 
den ihm bekannten Hausschatz der Familie An 
dechs-Meran, den schon Jahrhunderte alten Eg 
bertpsalter, und nicht auf den in Thüringen heimi 
schen neuen Elisabethpsalter bezogen haben mag. 
Entstanden war er in der Malstube des Hausklo- 
fters der thüringischen Landgrafen Reinhards 
brunn, und die erste Besitzerin war Landgräfin 
Sophie, die Gattin des kunstsinnigen Landgrafen 
Hermann, gewesen. Sie war eine fromme, zu 
barmherziger Nächstenliebe geneigte Frau. Das 
bezeugen andere mrbestreitbare Quellen und auch 
Blätter mlseres Psalters, die mit eigenen Gebeten 
der um das Seelenheil ihres Gatten geängstigten 
Landgräfin von der Hand ihres Kaplans, bezie 
hungsweise mit bedeutungsvollen Bildern geschmückt 
sind. Man hat gesagt, daß Elisabeth in einein 
Doppelbilde am Ende des Psalters in Verkörpe 
rungen des andächtigeil und des tätigen Lebens 
ihr Lebensprogramm finden konnte. Die Land 
gräfin hat ihr das Buch geschenkt, wie sie den eige 
nen frommen Sinn auf die ihr in frühesten Kin- 
derjahren zugeführte ungarische Königstochter nber- 
tragen hat. War sic doch keineswegs die „böse 
Schwiegermutter", als die die spätere Legende sie 
dargestellt hat! Dann, als in Elisabeth nach dem 
Tode ihres früh (1227) verstorbeneir Gatten der 
franziskanische Armutsdrang übermächtig gewor 
den war, hat sie dies Gebetbuch und den Egbert- 
psalter, der von ihrer Tante, der heiligen Hedwig, 
oder von ihrer Mutter Gertrud auf sie übergegan 
gen war, dem geistlichen Oheim Bertold überlassen. 
(Nur mit ungefährer Zeitangabe wird die Schen 
kung auf „nach 1220" durch jene Eintragung im 
Elisabethpsalter angesetzt.) 
Die Ursprungsstätte des Egbertpsalters, dieses 
wertvoller: Erzeugnisses der zweiten Blüteperiode 
abendländischer Malerei unter der: Ottonen, wird 
von der neueren Forschung im Kloster Reichenar: 
am Bodensee gesucht. Der Trierer Erzbischof Eg 
bert, der 977—93 regierte, hat einen gewisser: 
Ruodprecht zur Herstellur:g des Psalters veran- 
laßt und diesen seiner Domkirche gescher:kt, rvie 
er ihr auch einen kunstvoller: Tragaltar mit Re- 
liquien des hl. Andreas gespendet hat. Irr: fol 
genden 11. Jahrhundert wurde der Psalter weit 
nach dem Osten Europas verschlagen, vielleicht 
durch Richeza, die Tochter eines lothringischer: 
Pfalzgrafen Erenfrid, der in schwerer: Kriegsnöter: 
des Erzstifts den Psalter wohl leicht hatte erwerben 
können. Richeza lvurde Gemahlin eines polnischen 
Fürster: und Schwiegermutter eines russischen 
Großfürster: Jaropolk, der ir: Kiero seinen Sitz 
hatte (f 1087). Gebete seiner Genmhlin Ger 
trud, der Tochter Richezas, füllen eine Reihe von 
Blättern der Handschrift; und diesen Gebeten, die 
nach ihrem Schriftcharakter in der zweiten Hälfte 
des 11. Jahrhunderts geschrieben sind, verdankt der 
Egbertpsalter den Namen Codex Gertrudiaims. 
Es tv-ar ein großer Irrtum, ihn auf Königin Ger 
trud von Ungar::, die Mutter der heiligen Elisa 
beth, zurückzuführen, jene Gebete müssen min 
destens ein ganzes Jahrhundert vor ihren Leb 
zeiten geschrieben sein, und daß der Psalter je in 
Gertruds Händen gewesen sei, ist möglich, aber 
nicht zu erweisen. Neben den Gebeten erhielt der 
Psalter in Rußland einen besonderen Schmuck an 
fünf Bildern byzantinischen Charakters mit russi 
schen: Einschlag. Sie beziehen sich zum Teil auf 
die Lebensschicksale Jaropolks und Gertruds. Ge 
bete und Bilder haben moder::er Forschung dazu 
gedient, ein noch dunkles Stück russischer Geschichte 
aufzuhellen. Man hat gesagt, daß die heilige Eli 
sabeth nachmals der gerade auf ihren Fall Passen 
den „Gertrudianischei: Gebete" sich bedient haben 
möge, als ihr Herz in folternder Spannung bei 
ihrem auf der Kreuzfahrt befindlichen Gatten 
weilte. 
Wie aber fand der Psalter den Rückweg nach 
Deutschland? Durch verwandtschastliche Verbin 
dungen zlvischen den russischen und polnischen 
Fürstenfamilien gelangte er um 1140 in die Hände 
der polnischen Herzogin Salome. Sie aber stammte 
ans dem angesehenen Geschlecht der oberschwäbi- 
schen Grafen v. Berg (ihre Schwestern waren 
böhmischen und mährischen Fürsten verinählt). In 
den letzten sechs Jahren ihres Lebens (si 1144) 
stand sie als Witwe in den engsten Beziehungen 
zu dem Fainilienkloster der Grafe:: v. Berg Zwie- 
falten. Es zählte in: Jahre 1138 neben 70 Mön 
chen und 130 Laienbrüder:: 62 Nonnen, darunter 
Grafentöchter und die Herzogin Gertrud, eine 
Tochter Salomes. Mit ihr hat die Mutter dem 
Kloster viel kostbare Geschenke übersandt, darun 
ter „einen großen, mit Goldtinte geschriebenen 
Psalter". Das war unser Egbertpsalter, dessen 
Kalender und Nekrolog den Anhalt für diese Fest 
stellungen geböte:: haben. Aber nicht lange blieb 
der Psalter in Zwiefalten, vielmehr gelangte er 
noch vor 1160 in de:: Besitz der Grafen von An 
dechs, die durch enge verwandtschastliche Be 
ziehungen mit den Schutzherren von Zwiefalten, 
den Grafen v. Berg, verbunden und als Inhaber 
der Grafschaft Diessen den: Kloster benachbart 
waren. Graf Berthold IV. von Andechs, der Groß 
vater Elisabeths, wird den Band erworben haben. 
Bon ihm, der sich zuerst seit ungefähr 1180 Herzog
	        
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